Helgoland. Verein kümmert sich auf der Nordseeinseln um Galloways und Heidschnucken. Die sorgen für aufsehenerregende Szenen am Felsen.

Ein Schafbock, der lieber bei den Rindern lebt, als mit seiner Weiber-Herde. Da müssen doch einige Helgoland-Besucher schmunzeln. „Der ist so lieb“, sagt Manfred Schönfels. „Den behalten wir noch eine Weile.“ Schönfels ist Objektleiter des Ponyclubs Helgoland. Zweck des Vereins ist es, mit seinen Tieren das Grünland der Insel zu pflegen und im Interesse des Nordseeheilbades Helgoland den Pollenflug zu mindern.

Helgoland: Ein Ponyclub mitten in der Nordsee

Friedlich grasen die Heidschnucken und Galloways auf dem Oberland. „Die fressen die ganzen Pollen weg“, sagt der 71-Jährige, der seit acht Jahren Rentner ist. Für Allergiker sind die Tiere ein Segen. Die können fernab der Küste auf der pollen- und abgasfreien Insel befreit durchatmen. 34 Schafe, besagter Schafbock und fünf Galloways grasen derzeit auf der Weide. Ein friedliches Bild, doch so harmonisch war es nicht immer. „Vor drei oder vier Jahren hatten wir einen ganz wilden Schafbock. Der hat sogar meine Frau den Abhang runtergestoßen. Sie hat sich dabei einen Arm gebrochen“, erzählt Schönfels. Danach war seine Zeit gekommen und an seiner statt rückte ein zahmer Bock nach.

Was heißt hier schwarzes Schaf in der Familie? Eine Heidschnucke mit ihren Lämmern.
Was heißt hier schwarzes Schaf in der Familie? Eine Heidschnucke mit ihren Lämmern. © Marika Richters | Marika Richters

„Im November geht er zu seinen Weibern und sorgt für Nachwuchs“, sagt Schönfels. 18 Lämmer sind in diesem Jahr geboren worden. Das ein oder andere Schaf kriecht auch mal durch den Zaun und stürzt den steilen Abhang runter. Aber das ist selten. Dann muss Schönfels schauen, dass er es birgt und das Veterinäramt verständigt. „Die Möwen würden sonst an das Aas gehen und krank werden.“

Warum auf Helgoland eine Leinenpflicht für Hunde gilt

Auch das Gras am Felsrand zieht die Tiere immer wieder an. Sie klettern auch schon mal in den Klippen herum. Die Feuerwehr musste in der Vergangenheit Tiere retten, die nicht wieder den Weg zurück fanden. Auch vor nicht angeleinten Hunden flüchten die Heidschnucken. Dabei herrscht auf der Insel Leinenpflicht. Bei renitenten Hundebesitzern, die das nicht einsehen wollen, muss Schönfels manchmal die Polizei zur Hilfe holen.

Die zotteligen Galloway-Rinder können das ganze Jahr über draußen sein. Im Hintergrund der Schafbock, der die Gesellschaft der Rinder bevorzugt.
Die zotteligen Galloway-Rinder können das ganze Jahr über draußen sein. Im Hintergrund der Schafbock, der die Gesellschaft der Rinder bevorzugt. © Marika Richters | Marika Richters

Der Ponyclub Helgoland wurde am 11. September 1995 in seiner jetzigen Form gegründet. Er ging 1979 aus dem Kegelclub „Kloar Kimmen“ hervor. „Kloar Kimmen“ stammt aus dem Spruch, der das Wappen Helgolands ziert: „Rüm hart, kloar kimmen“ und heißt soviel wie „Offenes Herz, klarer Horizont“. „Damals hat die Gemeinde jemanden gesucht, der die Ponys versorgt“, sagt Schönfels. Und der Kegelclub hatte sich bereit erklärt.

Die Shetlandponys, eigentlich gut gerüstet gegen raues Klima, fühlten sich auf der Insel nicht wohl. Die Tiere bekamen Hufkrankheiten, vermutlich von der salzigen Wiese. Darum wurden sie 1983 aufgegeben. Stattdessen kamen Heidschnucken und Galloways. Sie bleiben das ganze Jahr über draußen, haben aber einen Stall, in den sie jederzeit gehen können. Die Galloways, die auch Minusgrade gut aushalten, nutzen den aber selten.

Ponyclub Helgoland ist ausschließlich Männern vorbehalten

Der Kegelclub war damals schon ein reiner Männerverein. Und das hat der Ponyclub beibehalten. „In der Satzung steht keine Frauen“, sagt Schönfels. Es hätte Eintrittsgesuche gegeben, aber die seien abgelehnt worden. „Die Frauen sind aber bei unseren Ausflügen und Feiern dabei“, so der ehemalige Klavierbauer und fügt frech mit einem Augenzwinkern hinzu: „Wir brauchen ja auch was zu essen.“

Jeden Montag kommen die aktiven Mitglieder des Ponyclubs Helgoland im Clubhaus zusammen. 
Jeden Montag kommen die aktiven Mitglieder des Ponyclubs Helgoland im Clubhaus zusammen.  © Marika Richters | Marika Richters

Der Verein hat 21 Insulaner und Festländer als aktive Mitglieder. Jeden Montagabend kommen sie zusammen im dunkelgrünen Holzhaus, das ein wenig versteckt in einer Mulde gleich neben dem Stall liegt, und besprechen, welche Arbeiten als nächstes anstehen. Dazu gibt es Würstchen oder Frikadellen aus der eigens eingebauten Küche. Auch einen Tresen und eine Sitzecke stehen im Club-Raum, an deren Wänden historische Fotos mit Ponys und Kutschen hängen. „Die meisten Mitglieder sind schon über 80 Jahre alt“, sagt Schönfels. „Wir könnten ein paar Jüngere bei uns gebrauchen.“ Auf der Jahreshauptversammlung im August will sich der Club neu aufstellen und begrüßt drei neue, jüngere Mitglieder.

2001 wurden Helgoländer Tiere aufs Festland evakuiert

Die Stallanlage mit dem Ablammteil und der Fangeinrichtung für die Rinder sowie dem Clubraum steht auf dem Oberland nahe dem Kleingartengelände. Büxt eins der Schafe aus und steckt den Kopf durch den Gartenzaun, um die Blumen in den Parzellen abzufressen, sorgt das schon mal für Unmut bei den Gärtnern. „Die Heidschnucken dürfen sich überall frei auf der Insel bewegen“, sagt Schönfels, der im Ruhrgebiet aufwuchs, ehe er mit seiner Frau vor 15 Jahren auf die Insel zog. Nach Helgoland zog es ihn aber schon viele Jahre zuvor. „Wir haben 30 Jahre lang jedes Jahr vier Wochen Urlaub auf der Insel verbracht.“ Die Ruhe und die frische Luft haben ihm schon immer gut gefallen.

Das Clubhaus und die Ställe auf dem Oberland liegen geschützt in einer Mulde. Im Hintergrund sind die Kleingärten.
Das Clubhaus und die Ställe auf dem Oberland liegen geschützt in einer Mulde. Im Hintergrund sind die Kleingärten. © Marika Richters | Marika Richters

Dass die Vereinsmitglieder an ihren Tieren hängen, zeigt der Blick zurück. Wegen der Angst vor Maul- und Klauenseuche wurden Heidschnucken wie Galloways im Jahr 2001 aufs Festland evakuiert – und nicht einfach geschlachtet. „Maul- und Klauenseuche auf unserer Insel wäre eine Katastrophe, deshalb mussten wir diese Vorsorgemaßnahme treffen“, sagte der damalige Bürgermeister Frank Botter der Presse. Durch den starken Vogelflug und die vielen Gäste sei die Gefahr der Seuchenübertragung immer gegenwärtig. Die ganze Insel würde zum Sperrgebiet.

Helgoland: Warum der Fleischverkauf in der Nordsee schwierig ist

Und so verbrachten die Vierbeiner den Sommer in Hechthausen, wo ein Galloway-Züchter sich um sie kümmerte. Sechseinhalb Stunden dauerte die Fahrt mit dem Schiff „Thomas M“ nach Wischhafen, wo die insgesamt zehn Rinder, 29 Heidschnucken und 38 Lämmer wohlbehalten ankamen. Die rund 12.000 Mark Transportkosten übernahm die Gemeinde Helgoland.

Tiere, die heutzutage die Insel verlassen, kehren nicht mehr zurück. „Wir lassen sie auf dem Festland schlachten“, sagt Schönfels. Sind die Lämmer ein halbes Jahr alt, kommen sie im Oktober zu einem Schlachter nach Hemmmoor (Landkreis Cuxhaven), der das Fleisch mittlerweile selbst verkauft. Bis vor zwei Jahren wurde es wieder zurück gebracht und an Helgoländer verkauft. „Der Aufwand beim Zoll ist zu groß geworden. Mittlerweile sitzt man drei, vier Stunden, um alle Zollpapiere auszufüllen“, sagt Schönfels, der die zunehmende Bürokratisierung bedauert.