Hamburg. Es hieß, die Insel erfülle die Voraussetzungen nicht – man begann mit der Suche nach einem neuen Slogan. Was ein Seerechtler dazu sagt.

Helgoland ist gar keine Hochseeinsel. Wegen dieser Behauptung in einem Wikipedia-Eintrag sucht man auf dem Nordsee-Eiland wie berichtet derzeit mit einem Ideenwettbewerb nach einem juristisch und geografisch einwandfreien neuem Alleinstellungsmerkmal. Der promovierte Hamburger Rechtswissenschaftler Valentin Schatz hat den Sachverhalt für das Abendblatt geprüft – und gibt Entwarnung.

„Es handelt sich bei der „Hochseeinsel“ nicht um einen rechtlichen Fachbegriff, weshalb es aus juristischer Sicht kein Problem ist, wenn Helgoland sich so nennt“, sagt Schatz, der am Institut für Seerecht und Seehandelsrecht der Universität Hamburg arbeitet. „Der Eintrag auf Wikipedia ist also insoweit falsch beziehungsweise missverständlich.“

Nordsee: Wikipedia-Eintrag zu Helgoland missverständlich

Tatsächlich gebe es Regeln zu „Inseln“ und „Felsen“, die im Artikel 121 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 definiert sind. Aber diese Regeln beträfen nur die Frage, welche maritimen Zonen eine Insel grundsätzlich beanspruchen kann. Eine Unterscheidung nach der Lage der Insel werde nicht vorgenommen.

Bei Wikipedia wird behauptet, dass Helgoland weder im geografischen Sinn noch im rechtlichen Sinn (in Bezug auf das heutige Recht) im Bereich der Hohen See liege, sondern zum Bereich des Schelfs gehöre, also dem von Meer bedeckten Festlandsockel. Etwa bis zur frühen Mitte des 20. Jahrhunderts lag Helgoland laut Seerechtler Schatz tatsächlich in der „Hohen See“ (es heißt im Seerecht übrigens „Hohe See“ und gerade nicht „Hochsee“).

Bezeichnung ohne rechtlichen Hintergrund

Anders als heute konnten Küstenstaaten damals noch kein Küstenmeer von zwölf, sondern nur von drei Seemeilen beanspruchen, und auch keinen Festlandsockel und keine ausschließliche Wirtschaftszone, die ihnen heute innerhalb von 200 Seemeilen gewisse Recht gewährt. Richtig ist aus Sicht von Rechtswissenschaftler Schatz, dass Helgoland heute in einem Bereich liegt, der sowohl zu der vom deutschen Festland generierten ausschließlichen Wirtschaftszone als auch zu dem vom Festland generierten Festlandsockel gehört.

Und auch, dass zwischen Helgoland und dem Festland deutsches Küstenmeer im seevölkerrechtlichen Sinne liegt. „Daraus folgt aber aus rechtlicher Sicht nichts, das den Status von Helgoland betrifft“, betont Schatz. Er vermutet vielmehr, dass die Bezeichnung „Hochseeinsel“ keinen rechtlichen Hintergrund hat. „Falls doch, dann stammt sie möglicherweise aus der Zeit, als Helgoland tatsächlich noch in der völkerrechtlichen Hohen See lag und nicht in den maritimen Zonen des Festlands“, so Schatz. Die Bezeichnung dürfe sich eher darauf beziehen, dass die Insel – anders als alle anderen deutschen Inseln – relativ weit draußen in der Nordsee liegt.

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Auf Helgoland ist die Erleichterung groß, weiterhin „Deutschlands einzige Hochseeinsel“ sein zu können. „Wir freuen uns sehr, dass Dr. Valentin Schatz die Behauptung, Helgoland sei aus juristischen und geografischen Gründen keine Hochseeinsel, widerlegt hat – und wir den Begriff also auch in Zukunft verwenden können“, sagt Stephan Hauke, Tourismus-Direktor von Helgoland.

Der Wettbewerb, mit dem die Insel bis Ende August nach einem neuen Alleinstellungsmerkmal sucht, werde aber auf jeden Fall weiterlaufen. „Die Resonanz ist überraschend groß, und die Menschen haben viele schönen Ideen für einen neuen Slogan.“ Wie berichtet, soll der beste Vorschlag mit einem Wochenende auf der Insel belohnt, einschließlich Anreise, und auch im Insel-Marketing verwendet werden.