Kreis Pinneberg. Immer mehr Bauernhöfe in Schleswig-Holstein werden von Frauen gemanagt. Claudia Maahs aus Klein Offenseth-Sparrieshoop ist eine von ihnen.
Sie ist Landwirtin in dritter Generation. Erst im Juli vergangenen Jahres hat Claudia Maahs den Hof samt 100 Hektar Eigen- und 60 Hektar Pachtland von ihrem Vater übernommen. Der Betrieb in Klein Offenseth-Sparrieshoop ist seit einem halben Jahrhundert in Familienhand: „Mein Opa hat den Hof in den 70er-Jahren gekauft, wir hatten davor woanders einen Hof. Der hier wurde das erste Mal Fünfzehnhundert-Irgendwas erwähnt“, berichtet die 38-Jährige.
Claudia Maahs gehört der zunehmenden Zahl von Frauen an, die einen landwirtschaftlichen Betrieb leitet. Im Jahr 2020 wurden in Schleswig-Holstein 1406 Landwirtschaftsbetriebe von Frauen geführt. Das ergab die Landwirtschaftszählung des Statistikamtes Nord. Damit machen Betriebe mit weiblicher Führung einen Anteil von zwölf Prozent aus – drei Prozent mehr als noch 2010. Aber: Nur drei von zehn Betriebsleiterinnen üben ihren Beruf dabei in Vollzeit aus.
Landwirtschaft: Das Geschlecht spielt bei der Arbeit keine Rolle
Die Landwirtin aus dem Kreis Pinneberg führt einen Vollerwerbshof. Sie erzählt, wie sie zwischen Kindern, Küche und Kälbern lebt – und warum das Geschlecht ihrer Auffassung nach in der Landwirtschaft keine große Rolle spielt.
Derzeit tummeln sich auf dem Gelände 30 Mastbullen und 220 Milchkühe. 250 Kalbungen verzeichnet sie in jedem Jahr. „Die Mädels verdienen hier das Geld, sie sind die wichtigsten“, sagt Maahs und meint damit: ihre Kühe. Deren optimale Versorgung muss sichergestellt werden – und zwar von der Betriebsleiterin selbst, einem festen Angestellten, zwei Auszubildenden, einer in Teilzeit Angestellten, vier Melkerinnen auf 450-Euro-Basis und ihrem Vater als vormaligem Hofbesitzer, der etwa Reparaturarbeiten macht oder in der Außenwirtschaft hilft.
Die meisten Frauen konzentrieren sich auf Stallarbeit und Tierversorgung
Fünf von zehn Beschäftigten sind Frauen auf dem Hof. Das ist überdurchschnittlich. Wie das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft berichtet, verschlägt es Landwirtinnen aber zumeist auf Viehbetriebe. Rund zwei Drittel der in einer agri-Experts-Studie befragten Frauen gaben an, ihre Haupttätigkeit liege in der Stallarbeit und Tierversorgung. Etwas mehr als 60 Prozent nannten zudem Büroarbeiten als Arbeitsbereich. Feldarbeit wiederum würde weniger als ein Viertel der Befragten verrichten.
Ähnlich sieht es auch die staatlich geprüfte Agrarbetriebswirtin Maahs. „Viele Frauen haben vielleicht nicht so viel technisches Verständnis. Ihre Neigung liegt dann eher bei den Kühen, eher im Stall als auf dem Schlepper. Den Männern fällt die Büroarbeit häufig schwer.“ Allerdings ist sie sich sicher: „Das Geschlecht spielt keine Rolle in der Landwirtschaft.“ Die großen Unterschiede zwischen Bäuerinnen und Bauern lassen sich ihr zufolge kaum noch machen. Stattdessen entscheide heute das persönliche Interesse darüber, wer welchen Beruf ausübt. Auch gebe es in der Außenwahrnehmung der Tätigkeit keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Landwirtinnen würden nicht stigmatisiert.
Landwirtschaft ist nicht nur von körperlicher Arbeit geprägt
Maahs denkt außerdem, dass der Anteil der Frauen in der Landwirtschaft allein deshalb zunimmt, weil Bäuerinnen nichts Ungewöhnliches mehr sind – ein sich selbst verstärkender Effekt. „Und die Landwirtschaft ist heute nicht mehr nur von körperlicher Arbeit geprägt“, sagt sie im Hinblick auf die Technisierung des Berufes. Die physische Anstrengung als Landwirtin möchte sie trotz allem nicht herunterspielen. Sie verrichte zwar nicht ständig besonders schwere Arbeiten, „aber ich bin von fünf Uhr morgens bis 18 Uhr abends körperlich tätig. Auch halb oder um neun muss man noch mal Futter reinschieben“, sagt sie. „Da kommt es vor, dass ein neuer Lehrling nach zwei Tagen nicht mehr kann und völlig fertig ist.“
Im Vorstand des Kreisbauernverbands sind ausschließlich Männer zu finden
Sehr gering vertreten sind Frauen in den Gremien der Branche. Im Vorstand des Kreisbauernverbands Pinneberg sind beispielsweise ausschließlich Männer zu finden, der Vorstand des Landesverbandes zählt neun männliche und eine weibliche Vertreterin. „Dass die Frauen nicht in den Gremien sind, liegt nicht daran, dass sie es nicht wollen“, meint Maahs dazu. Sie müsse sich zum Beispiel um ihre zwei kleinen beziehungsweise insgesamt vier Kinder in der Patchworkfamilie kümmern. Deshalb steht sie meist schon um vier Uhr auf, um die erste Fütterung vorzunehmen, bevor sie die Kinder weckt. Zudem ist die Landwirtin regelmäßig in der Küche zugange: „Mittags sitzen natürlich alle Mitarbeiter am Tisch und wollen verköstigt werden“, begründet sie. „Wenn ich abends noch ein Amt bekleiden soll – das ist nicht machbar. Das ist übrigens nicht nur in der Landwirtschaft so“, sagt sie.
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Umfragen bestätigen Maahs‘ Erfahrungen: So zeigt eine Studie aus Bayern, dass 76 Prozent der befragten Bäuerinnen zusätzlich zur Arbeit auf dem Hof den Haushalt allein stemmen. Ganzen 42 Prozent obliege die alleinige Kinderbetreuung.
Freizeitgestaltung bleibt auf der Strecke
Ihr achtjähriger Sohn ist nicht immer glücklich über den Beruf seiner Mutter, erzählt die Landwirtin. Schließlich sehe er, wie andere Kinder über das Wochenende wegfahren, Freizeitparks besuchen und so weiter. Auf dem Hof aber gibt es kein Wochenende – die Kühe müssen auch am Sonnabend gefüttert oder am Sonntag gemolken werden. Für den Sohn der Landwirtin sei der Beruf daher negativ belegt. Er mache nicht den Eindruck, einmal selbst Bauer werden zu wollen. „Er sieht nur: ,Mama hat den Hof, Mama hat keine Zeit‘“, so Maahs. Besonders wichtig ist der Mutter deshalb der jährliche einwöchige Urlaub, den sie sich nur dank ihrer Angestellten leisten kann.
Maahs’ Eltern sind jetzt im Ruhestand viel mit dem Wohnmobil unterwegs
Der Mangel an Freizeit ist eine große Sorge in der Branche. In einer Umfrage der Fachzeitschrift „agrarheute“ geben 27 Prozent der Bäuerinnen an, nicht in den Urlaub gefahren zu sein, seit sie ihren Beruf ergriffen haben. Auch Maahs‘ Vater macht den Anschein, einiges nachholen zu müssen, seit er seiner Tochter den Hof überschrieben hat: „Meine Eltern haben sich letztes Jahr ein Wohnmobil gekauft, und jetzt fahren sie los, wann immer es passt“, sagt Maahs.
Apropos Eltern: Darüber, dass ihre Tochter den Hof übernehmen möchte, darüber waren sie nicht gerade heilfroh. „Meine Eltern haben mir stark davon abgeraten, den Betrieb zu machen”, so die Landwirtin. Gerade ihre Mutter wollte sie davor schützen, sich die Masse an Arbeit, die mit dem Hof einhergeht, anzutun. Doch Claudia Maahs hat nicht auf sie gehört „und das habe ich noch nicht bereut“, sagt sie.