Helgoland. Warum ist der berühmte Felsen rot? Was hat es mit den weißen Bändern auf sich? Für Experten ist die Insel ein erdkundlicher Schatz.
Grün ist das Land, rot ist die Kant, weiß ist der Strand. Das sind die Farben von Helgoland“, heißt es in einer lyrischen Beschreibung der Nordseeinsel. Rot steht für das bekannte Profil der Insel, den roten Felsen.
Als einzige Felseninsel der Deutschen Bucht sticht Helgoland auf der Karte deutlich heraus. Für Geologen: ein Paradies. „Die Hauptinsel besteht aus Buntsandstein, einem Gestein, das vor etwa 250 bis 246 Millionen Jahren zur Zeit der Trias abgelagert wurde“, sagt Geologe Patrick Ahlers, Mitarbeiter des Geologischen Dienstes beim Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Flintbek. Das Gestein, das auf einem Salzkissen thront, kommt in diesem Raum der Nordsee sonst nur in 3000 bis 6000 Metern Tiefe vor. „Auf Helgoland ist es, als könnte man durch ein Fenster in den tieferen Untergrund blicken.“
Helgoland ist auf einem Salzkissen hervorgehobenes Land
Geologisch liegt Helgoland auf der Kuppe über einer Salzbeule des Zechsteins. Die Region um Helgoland lag vor 260 bis 250 Millionen Jahren im Zechsteinmeer. Wegen des trockenen Klimas verdampfte das Wasser jedoch mit der Zeit wieder und hinterließ Karbonate, Anhydrit und Salze. „Das Eintrocknen des Meeres passierte sieben Mal“, sagt Patrick Ahlers. So lagerten sich nach und nach bis zu 1500 Meter Salzgestein ab. Darüber liegen die jüngeren Sedimente des Buntsandsteins, der der Insel sein charakteristisches Aussehen verleiht.
Unter der Last der auflagernden Schichten gerieten die weicheren, leichteren Salze und Gips in der Tiefe in Bewegung und drängten, wo sie konnten, nach oben. „Das Salz begann plastisch zu kriechen, ähnlich wie das Eis bei einem Gletscher“, sagt der Experte. Ein Salzkissen entsteht. Helgoland ist auf diese Weise emporgehobenes Land. Die leuchtend roten Felsen der Insel bestehen aus Sand- und Tonsteinen der Buntsandsteinzeit.
Die Düne hatte ursprünglich hohe Felswände
Unter dem Mikroskop betrachten die Geologen, wie das Gestein aufgebaut ist. In Dünnschliffen erkennen sie, wie der Porenraum beschaffen, aus welchen Mineralen und Elementen das Gestein zusammengesetzt ist. „Wir schauen uns die Strukturen genau an“, sagt der Geologe. Anhand von Rippelmarken – von fließendem Wasser hervorgerufene wellenartige Sedimentstrukturen – können sie Rückschlüsse auf die Ablagerungsbedingungen vor Millionen von Jahren ziehen.
Der Untergrund der Düneninsel besteht aus Karbonatgesteinen der Trias (Muschelkalk). „Die Düne hatte ursprünglich auch hohe Felswände wie das heutige Helgoland“, sagt Patrick Ahlers. Allerdings waren sie aus Kalkstein. Das Oberland dieser Kalksteinfelsen war im 18. Jahrhundert noch ungefähr zehn Hektar groß.
Der Mensch hat allerdings im großen Maße Kalkstein und Gips abgebaut. „In prähistorischer Zeit und im Mittelalter war beides begehrter Baustoff“, sagt Patrick Ahlers. Nach der Sturmflut im Jahre 1720 wurde die Wasserrinne zwischen den zwei Inseln immer breiter und tiefer durch die Erosion des Wassers. Von den Kalksteinklippen blieben nur Felsen übrig, die nur bei Ebbe stellenweise am Strand der Düne zu sehen sind.
Am Strand lassen sich allerdings besondere Steine finden – rote Feuersteine. Der rote Flint stammt aus dem Kalkstein der Oberkreide und kommt in dieser besonderen Färbung nur auf Helgoland vor. „Die rote Farbe kommt durch die hohe Eisenkonzentration“, sagt Patrick Ahlers. Früher waren die roten Feuersteine begehrtes Handelsgut.
Helgoland: Am Strand findet man Fossilien und Drusen
Wer die Augen beim Spaziergang am Strand offen hält, entdeckt vielleicht auch bläulich bis türkisfarbene Drusen und Krusten – Kupfererze im Buntsandstein. Gefüllt sind die hohlen Steine mit Malachit und Azurit. Auch das rote Cuprit kommt in kleineren Mengen auf der Insel vor, meist in Form kleiner rundlicher Konkretionen, sogenannter Fischaugen.
„In prähistorischer Zeit wurde Kupfererz in geringem Umfang abgebaut und im Schmelzofen verhüttet“, sagt Ahlers. Taucher fanden Reste eines Schmelzofens, vermutlich aus der Zeit 3000 bis 1350 Jahre vor Christus.
Man kann auf der Hochseeinsel auch Fossilien aus dem Kalkstein der Oberkreide und aus der Trias finden, darunter Muschelabdrücke, Donnerkeile oder Helgoländer Katzenpfötchen. Letztere sind Hohlkammerausfüllungen verschiedener Ammoniten.
„Ein bedeutender paläontologischer Fund war 1910 die etwa 50 Zentimeter große Kopfplatte eines Parotosuchus helgolandicus, einer urtümlichen Amphibie, die man am Predigerstuhl fand“, sagt Patrick Ahlers. Das Tier lebte in der mittleren Trias vor rund 245 Millionen Jahren. Das Original befindet sich im Naturkundemuseum Berlin. Eine Nachbildung des Schädels können Besucher derzeit in der aktuellen Ausstellung im Stadtmuseum Wedel sehen.
Weiße Bänderung im Gestein ist kein Vogelkot
Die weiße Bänderung der roten Felsen wird irrtümlich oft für eine Anhäufung des Kots der dort brütenden Vögel gehalten. Dem ist nicht so. „Es handelt sich um weißen Sandstein“, sagt Ahlers. Die rote Farbe des Felsens geht auf Eisenverbindungen im Buntsandstein-Bindemittel (Ton) zurück, das sich wie ein Mantel um die Sandkörner legt. Wo das Bindemittel fehlt, ist der Sandstein weiß und lockerer. „Wo sie herauswittern, lassen sich Lummen gern nieder.“ Ihr Kot färbt die Stellen dann tatsächlich noch zusätzlich weiß.
An den Felsen lassen sich deutlich Spuren der Verwitterung erkennen. Risse durchziehen das Gestein. Immer wieder bricht ein Stück Felsen ab – zuletzt Ende April. 200 Meter vor der langen Anna rutschten mehrere Hundert Kubikmeter ins Felswatt – relativ viel. „Ein natürlicher Vorgang“, sagt Patrick Ahlers. Wind, Wellen und Wetter würden die Insel kontinuierlich formen. Ein Ende? Nicht in Sicht.
Anlässlich des Helgoländer Jubiläums- und Gedenkjahres 2022 laden die Initiatoren der Reihe „Helgoländer Geschichten – eine Insel im Wandel“, Rainer Adomat vom Heimatverband für den Kreis Pinneberg und Edelgard Heim vom Elbmarschenhaus zu einer Vielzahl von Veranstaltungen ein. Das Programm ist unter www.elbmarschenhaus.de einzusehen.