Kreis Segeberg. Auf dem Grundstück einer fremden Person das Zelt aufschlagen? Warum nicht! Diese Plätze in der Natur bieten sich dafür an. Mit Video.
- Wildcampen ist eigentlich verboten, doch Schleswig-Holstein macht es möglich
- Drei besondere Orte, an denen Sie ihr Zelt aufschlagen können
- Camping im Norden auf dem Grundstück von Privatpersonen
Warum sollte man sowas machen? In ein Dorf reisen, in dem nichts los ist, sein Zelt im Nirgendwo oder bei einer völlig fremden Person auf dem Grundstück aufschlagen und sogar noch auf den geringen Komfort verzichten, den ein Campingplatz bieten würde? Die Antwort: Weil es eine wunderbare Möglichkeit ist, die Region mit ganz anderen Augen zu sehen. Weil es den Blick für die Natur öffnet – und weil es Begegnungen und Bekanntschaften ermöglicht, die es sonst nie gegeben hätte.
Wildcampen, das ist ja eigentlich verboten. Zumindest in Deutschland. Schleswig-Holstein allerdings ermöglicht einige Ausnahmen. Die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein hat schon vor einigen Jahren das Projekt „Wildes Schleswig-Holstein“ ins Leben gerufen. Auf der Webseite des Projekts werden sogenannte Trekkingplätze angezeigt, auf denen Wanderer und Radtouristen für eine Nacht bleiben dürfen.
Camping Schleswig-Holstein: 30 Trekkingplätze machen das möglich
Die Anreise mit dem Auto oder dem Campingmobil ist nicht erwünscht, Partys und Junggesellenabschiede sind auch tabu. Denn der Sinn des Projekts ist es, Reisenden eine „ruhige Nacht unter dem Sternenzelt“ zu ermöglichen, sagt Nicola Brockmüller, Sprecherin der Stiftung. „Es ist ein Angebot für Menschen, die das unmittelbare Naturerlebnis suchen.“ Teilnahmebedingung ist es deshalb auch, dass die Gäste Rücksicht auf die Natur nehmen und keinen Müll hinterlassen.
Etwa 30 solcher Plätze gibt es in Schleswig-Holstein. Die Landesforsten stellen sie zur Verfügung, oder die Stiftung Naturschutz. Oder, nicht selten, Privatpersonen. Eine von ihnen ist Sabine Quentin aus Ahrensbök. Wir treffen sie auf ihrer Streuobstwiese, einem wunderschönen Stück Land, gelegen auf einem Hügel - mit einem spektakulären Blick auf die eiszeitliche Landschaft der Umgebung.
Wildcampen Ahrensbök – manchmal mit Seeadlern
„Das hier ist der Südrand der Holsteinischen Schweiz. Morgens können Sie hier direkt in die Sonne blicken. Und manchmal kommt der Seeadler vorbei“, sagt Sabine Quentin. Übernachtungsgäste dürfen hinter den Obstbäumen, an denen Pflaumen, Birnen, Quitten und alte Apfelsorten wie „Stina Lohmann“ oder „Geheimrat Oldenburg“ wachsen, ihr Zelt aufschlagen und auch die Feuerstelle nutzen, sowie den Holztisch mit den Bänken.
Es zwitschert, summt und brummt, dafür sorgen schon Sabine Quentins Bienenstöcke, die am Rand des Grundstücks stehen. Und wer einen Blick dafür hat, wird zwischen dem langen Gras seltene Pflanzen wie das Tausendgüldenkraut entdecken.
Sabine Quentin, früher beruflich im Naturschutz tätig und mittlerweile in Rente, lebt selbst eine Gehminuten entfernt, in einer restaurierten, ehemaligen Dorfschule. Wer auf ihrer Obstwiese beziehungsweise dem Trekkingplatz Ahrensbök übernachten will, muss sich vorher bei ihr anmelden. „Im Schnitt habe ich einen Gast pro Woche“, erzählt sie. Leute aus Hamburg, Berlin und Schwerin waren schon dort, junge Leute und solche im Rentenalter, Alleinreisende, Paare und Familien.
Auch eine „siebenköpfige Familie aus Flensburg“ war schon dort, „alle mit Fahrrädern, das fand ich beeindruckend.“ Sie mag es, mit ihren Gästen ins Gespräch zu kommen, bringt ihnen Wasser vorbei, manchmal auch Kaffee. Abgesehen davon müssen sie sich selbst versorgen. Sanitäre Möglichkeiten gibt es nicht, für bestimmte menschliche Bedürfnisse ist der Gang in den Wald erforderlich, mit Spaten. Und nachts ist man allein auf der Obstwiese – mit sich, der Natur, und dem Sternenhimmel.
In Blomnath beim Froschkonzert wildcampen
Etwas belebter geht es da schon zu auf Grundstück des Meierhofes in Blomnath zu, einem Ortsteil von Seedorf. Auf dem ehemaligen Gehört leben Ulrike und Jürgen Kaldewey. Wie Sabine Quentin, lassen die Rentner Übernachtungsgäste kostenlos bei sich wohnen. Und nicht wenige: „Wir haben pro Jahr etwa 200 Wildcamper bei uns zu Besuch“, erzählt Ulrike Kaldewey.
Doch das Gelände, auf dem uralte Eichen stehen und Pflanzen wildromantisch vor sich hin wuchern, ist groß genug. Und die Kaldeweys bieten mehrere Plätze an, jeder Gast kann - geschützt vor Blicken hinter Bäumen oder Sträuchern - ganz für sich sein. Natur pur, das lässt sich auch hier erleben, grenzt das Grundstück doch direkt an ein Naturschutzgebiet. „Hier können Sie Schwäne sehen, und Rotmilane. Und abends gibt es richtige Froschkonzerte“, sagt Jürgen Kaldewey.
In den Mauern der alten Scheune hausen Turmfalken und Eulen, Kaldewey erzählt seinen Besuchern gerne etwas über den besonderen Ort, die Gebäude aus dem 18. Jahrhundert. Der Austausch mit den Übernachtungsgästen, die besonderen Begegnungen, sind ihm sehr wichtig. „Wir hatten mal einen Wanderer aus Paris zu Gast. Der hat sich ein Jahr Zeit genommen, Europa zu durchwandern“, erzählt er.
Wildcampen Blomnath: Besuch von Sängern und Barfußläufern
Gäste aus Portugal seien auch schon dabei gewesen, sowie „ein Barfußläufer“. Und dann war da noch die A-capella-Gesangsgruppe aus Süddeutschland: „Die haben uns zum Abschied ein Ständchen gegeben. Das war total süß“, erzählt Ulrike Kaldewey. Auch alleinreisende Camperinnen und Camper, sagt ihr Mann, hätten sich auf dem Meierhof-Grundstück schon kennen gelernt und zusammen vor dem Zelt „das eine oder andere Bier geleert.“ Manchmal bekommen die Kaldeweys Postkarten oder Briefe - geschrieben von unterwegs oder aus den Heimatorten der Wanderer.
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Wildcampen Kleinmeinsdorf: Duschen und meditieren bei Olaf Bormann
Der soziale Aspekt ist auch Olaf Bormann sehr wichtig. Er lebt 15 Kilometer weiter nördlich, in Kleinmeinsdorf (Gemeinde Bösdorf). Mit seiner Familie wohnt der 45-Jährige in einem ehemaligen Dorfschulgebäude, das nicht nur Bormanns Tischlerei, sondern auch einen Kulturverein sowie ein Dojo beherbergt, für die koreanische Kampf- und Heilkunst „Shinson Hapkido“.
Und dann ist da noch der Garten, den Bormann als Trekkingplatz zur Verfügung stellt. „In der Hauptsaison tauchen hier zwei bis fünf Leute pro Tag auf“, sagt Bormann, manchmal seien mehre Zelte in seinem Garten. Die Wanderer und Radtouristen dürfen bei ihm die Toilette nutzen und duschen. Für Radfahrer steht Werkzeug bereit, und einige Gäste haben auch schon in seinem Dojo meditiert.
Wildcampen Schleswig-Holstein: Ein Fahrradtourist kam mit seiner Katze
Auch Bormann kann Geschichten über ganz verschiedene Gäste erzählen: „Ein Mann war bei uns, der ist mit seiner Katze gereist, im Fahrradkorb. Und eine Frau kam mit ihrem Pferd. Aber das Pferd ließ sich nicht reiten, das ist neben ihr hergegangen.“ Auch ein Pädagoge aus Hamburg, der nach einem sehr stressigen Arbeitstag einfach ausspannen wollte, war schon da. „Der saß dann mit seinem Alsterwasser hier am Feuer. Und am nächsten Morgen ist er wieder gefahren.“
Wintergäste hatte Bormann auch schon: „Das waren zwei Jungs, die wollten ihre Ausrüstung testen, für eine Tour durch Skandinavien. An dem Tag hat es von oben und von der Seite geschüttet, insofern war das dann schon ein richtiger Test.“
Olaf Bormann: „Es geht ums Teilen. Teilen macht zufrieden“
Warum macht er das - Gäste einfach so kostenlos beherbergen? „Es geht nicht ums Nehmen. Es geht ums Teilen. Teilen macht zufrieden“, sagt Bormann. Von schlechten Erfahrungen mit Gästen kann er nicht berichten. Das Ehepaar Kaldewey und Sabine Quentin im Prinzip auch nicht, sieht man von einigen wenigen Personen ab, die dann doch einmal Zigarettenkippen oder anderen Müll hinterlassen. Das Gros der Leute verhalte sich gut, so der Tenor.
Und so sei auch die Erfahrung, Gastgeber zu sein, sehr bereichernd. Olaf Bormann formuliert es so: „Der Kontakt zur Natur bringt dich zu dir selbst zurück. Das kann man den Menschen anmerken, die hier übernachten. Am nächsten Tag haben sie ein Leuchten in den Augen.“ Ähnlich formuliert es Ulrike Kaldewey: „Wir freuen uns einfach, wenn es Menschen gibt, die sich für die Natur interessieren. Am nächsten Morgen wachen sie ganz glücklich auf und berichten über die vielen Stimmen, die sie in der Nacht gehört haben.“
Camping Schleswig-Holstein: Aus Liebe zur Natur
Die Liebe zur Natur teilen - das ist auch für Sabine Quentin ein wichtiger Antrieb. „Es ist einfach so ein wunderschöner Platz hier. Den sollen auch andere erleben dürfen.“ Und sie hat noch einen weiteren, besonderen Grund, dass Gäste ihr Grundstück nutzen dürfen.
Die Wiese war nämlich auch der Lieblingsplatz ihres vor 14 Jahren verstorbenen Ehemannes. Mit ihm betrieb sie eine Galerie in der alten Schule, er hatte gerne Leute um sich. Nun befindet sich sein Urnengrab an einer alten Eiche am Rand der Obstwiese. „Ich mache das auch, damit er immer Besuch hat“, sagt Sabine Quentin.
Legal Wildcampen in Schleswig-Holstein:
- Wildes SH ist der Name des Projekts, das Orte in ganz Schleswig-Holstein auflistet, an denen Wildcampen für eine Nacht erlaubt ist. Auf der Webseite ist jeweils auch die genaue Adresse des Ortes aufgeführt. Bei privaten Gastgebern finden Nutzer die Kontaktdaten für eine Anmeldung. Die Webseite ist zu finden unter wildes-sh.de
- Im Kreis Pinneberg ist ein Trekkingplatz zum Wildcampen ausgewiesen, und zwar in Barmstedt (Großendorfer Heide 1). Der Platz wird von privat angeboten und liegt etwas außerhalb auf einem großen, ruhigen und naturnahem Privatgrundstück. Sanitäre Räume stehen nicht zur Verfügung, eine Voranmeldung ist nicht notwendig. Kontakt: 04123/45 19.
- Im Kreis Segeberg gibt es neben dem Grundstück von Familie Kaldewey in Blomnath noch weitere Wildcampingplätze. Wanderer- und Radtouristen können auch direkt neben dem ErlebnisWald Trappenkamp unter freiem Himmel schlafen. Außerdem gibt es den Trekkingplatz Segeberger Heide.
- Wer sein eigenes Grundstück für Wildcamper zur Verfügung stellen möchte, meldet sich bei der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein: nicola.brockmueller@stiftungsland.de