Quickborn/Itzehoe. André Piontek wurde auf dem Eulenhof mit zwei Kopfschüssen ermordet. Zeuge berichtet nun, dort eine Pistole gesehen zu haben.
Sascha T. bezeichnete sich selbst als ein „ganz Lieber“. Diese Eigenschaft bestätigte der 27 Jahre alte Zeuge im Reiterhof-Mordprozess am Dienstag auch vor dem Landgericht Itzehoe. Lange druckste er herum, gab mehrfach zu Protokoll, „nichts falsches“ aussagen zu wollen. Doch dann rückte er doch damit heraus. Sascha T. hat ganz offenbar in der Nacht zum 29. Juni 2020, in der Andre Piontek (44) auf dem Quickborner Eulenhof mit zwei Kopfschüssen ermordet wurde, eine Pistole gesehen – beim Angeklagten Jens von P. (42).
Den Hasloher, der auf dem Eulenhof so etwas wie das Mädchen für alles war, hält die Anklagebehörde für den Mörder seines besten Freundes. Der 42-Jährige, der seit seiner Festnahme im September 2020 in Untersuchungshaft sitzt, hat dies zu Beginn des Prozesses im März vorigen Jahres vehement bestritten.
Prozess: Angeklagter und Zeuge trafen sich in Tatnacht
Laut seiner Darstellung hat er sich gegen 22.15 Uhr in der Tatnacht mit Andre Piontek getroffen, mit ihm ein Gespräch über die Baumaßnahmen auf dem Reiterhof geführt und ihn kurz vor 1 Uhr lebendig verlassen. Im Anschluss fuhr Jens von P. zu Florian F., der zu diesem Zeitpunkt am Harksheider Weg in der Wohnung von Sascha T. untergekommen war.
Zeuge Sascha T. erinnerte sich vor Gericht, dass Jens von P. „gegen 1 Uhr oder Viertel nach“ in der Wohnung eingetroffen war. Einige Zeit zuvor hätten er und Florian F. den zwölfjährigen Sohn des Angeklagten abgeholt und an der Tankstelle noch „einige Bierchen und Zigaretten“ gekauft. „Wir haben dann zusammen ein paar Bierchen getrunken, Jens war eigentlich ganz normal.“ Gegen 4 Uhr sei er dann ins Bett gegangen, so der Zeuge weiter.
Immer wieder hakte Richter Johann Lohmann nach
Alles weitere kam von dem Zeugen dann nur scheibchenweise. Immer wieder hakte Richter Johann Lohmann nach, sagte dem sehr wortkargen und nervös wirkenden 27-Jährigen auf den Kopf zu, dass er „mit etwas hinter dem Berg halte“. Und das war auch so. Hatte Sascha T. zunächst steif und fest behauptet, keine Ahnung davon zu haben, dass sein Freund Florian F. etwas mit Waffen zu tun haben könnte, machte er dann eine Kehrtwende. „Ja, ich hab da was“, leitete er seine Aussage dazu ein.
Dann gab Sascha T. zu Protokoll, aus der Küche gekommen zu sein und bemerkt zu haben, dass zwischen Florian F. und Jens von P. auf dem Sofa eine Waffe lag. „Für mich sah das eindeutig aus wie eine echte Schusswaffe.“ Er sei entsetzt und geschockt gewesen und habe die beiden aufgefordert, die Waffe wegzutun. Wer von beiden dann zur Waffe griff, will der 27-jährige nicht mehr erinnern. Und genauso wenig ist er sich sicher, ob sich der Vorfall mit der Waffe tatsächlich in der Tatnacht abgespielt hat.
Ermittlungen gegen Florian F.
Das hat zumindest Florian F. bei der Polizei ausgesagt. Er hatte angegeben, Jens von P. kurz vor der Tat eine Waffe inklusive Munition leihweise beschafft und in der Tatnacht von diesem zurückerhalten zu haben. Vor Gericht hatte der Zeuge die Aussage verweigert. Aufgrund seiner Beteiligung laufen gegen Florian F. Ermittlungen wegen Beihilfe zum Mord – ebenso wie gegen einen weiteren Mann, der die eigentliche Person hinter der Waffe sein und diese auch zurückbekommen haben soll. Die Polizei hat die Tatwaffe jedenfalls nicht gefunden.
Sascha T. berichtete dem Gericht noch, dass Jens von P. am Tag nach dem Auffinden der Leiche von Andre Piontek nochmals in der Wohnung am Harksheider Weg auftauchte. „Er berichtete uns, dass sein bester Freund ermordet worden war.“ Dabei habe der Angeklagte, der nach etwa einer Stunde gegangen sei, „schon geschockt“ gewirkt. Dennoch sei bei ihm und Florian F. schnell der Verdacht aufgekommen, „dass Jens selber der Täter war“.
„Normalerweise hat er einen immer nett begrüßt"
Corinna B. (35) aus Quickborn, eine Einstellerin auf dem Reiterhof, traf dort kurz vor dem Auffinden der Leiche am frühen Nachmittag des 29. Juni 2020 auf den Angeklagten – und bemerkte bei ihm eine Wesensveränderung. „Normalerweise hat er einen immer nett begrüßt, immer etwas Smalltalk gemacht.“ An diesem Tag habe er sie nur flüchtig gegrüßt, sehr nervös gewirkt, sei ständig am Telefonieren gewesen und mehrfach zwischen seinem Auto und den Stallungen hin- und hergelaufen.
Die Zeugin berichtete allerdings auch von einer weiteren verdächtigen Person („1,90 Meter groß, muskulös, tätowiert und mit Glatze“), die in den Wochen vor Andre Pionteks Ermordung häufiger auf dem Hof war und Kontakt zum späteren Mordopfer hatte. Auch Britta R. (53) hatte ein Pferd auf dem Eulenhof eingestellt – und berichtete vor Gericht von „hochpreisigen Pkw“, die sehr häufig beim Hofeigentümer vorgefahren seien.
Der Hofeigentümer soll sehr gestresst gewirkt haben
Andre Piontek habe sich kurz vor seinem Tod stark verändert. „Sonst war er sehr lebensfroh, lustig und entspannt. Zuletzt hat er gar nicht mehr mit uns Einstellerinnen geredet, hat sich gar nicht mehr in das Geschehen eingebracht.“ Der Hofeigentümer habe sehr gestresst gewirkt, als ob er „vor etwas Angst hatte“. Piontek habe eine Kameraüberwachung geplant, einen Bodyguard für die nächtliche Überwachung des Reiterhofs einstellen wollen.
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Im Laufe des langen Prozesses ist das Mordopfer mit dem Drogen- und Waffenhandel in Verbindung gebracht worden. Andre Piontek soll Kontakte zu den Hells Angels, zu zwielichtigen Geschäftsleuten aus dem Ausland und zur litauischen Mafia gehabt haben. Was davon stimmt, ist unklar. Sicher ist nur, dass der erschossene Hofbesitzer eine mehr als schillernde Figur war. Der Angeklagte Jens von P. hat ihn als Letzter lebend gesehen, er war laut bisherigem Stand der Beweisaufnahme nachweislich den Daten seines Handys zur mutmaßlichen Tatzeit auf dem Eulenhof und könnte im Besitz einer Waffe gewesen sein.
Prozess bis Ende Februar angesetzt
Ob das zur Verurteilung reicht? Die Kammer hat bis Ende Februar noch acht Termine angesetzt und muss dann offenbar zu einem Ende kommen, weil einer der Richter das Landgericht verlässt. Ob das klappt, ist zweifelhaft. Verteidiger Jakob Struif hat am Dienstag fünf weitere Beweisanträge gestellt, die zum Teil darauf abzielen, die polizeiliche Aussage des Hauptbelastungszeugin Florian F. und die Angaben einer weiteren Zeugin, die aufgrund einer angeblichen Bedrohungssituation größtenteils nichtöffentlich ausgesagt hat, zu erschüttern.