Elmshorn. Adventskalender, Maske 23: Der Elmshorner Immo Neufeldt zieht seit 35 Jahren als Weihnachtsmann um die Häuser. Gar nicht so leicht.

Es kann manchmal ratzfatz gehen, dass im einen Moment der Elmshorner Geschäftsmann Immo Neufeldt auf der Bühne steht und zwei Augenzwinkern später an derselben Stelle der Weihnachtsmann. Wie genau das vor sich gegangen ist, bleibt im Dunkeln, denn das Licht geht erst wieder an, als der Mann mit dem gelockten Rauschebart seinen Sack ergriffen hat an diesem Dezembermorgen. Viel Zeit hat er nicht, versteht sich. Aber ein bisschen lässt sich der Weihnachtsmann dann doch entlocken.

Aus dem Weihnachtsdorf Korvatunturi hoch im Norden in Finnland kommt er jedes Jahr hierher, um Kindern und Erwachsenen eine Freude zu machen. Den langen Weg legt er nach wie vor mit dem Schlitten zurück. Eingemummelt in Rentierfelle, dicke, selbstgestrickte Wollsocken in den noch dickeren Stiefeln. Fliegend legt er die Strecke hierher zurück, „weil meine Rentiere fliegen können“, sagt der Weihnachtsmann im Interview. Im Vertrauen gesagt: An der Stadtgrenze stellt er seinen Schlitten ab und wandert von dort aus zu Fuß weiter, beladen mit Geschenken. Aber bevor er loszieht, bekommen die ausgehungerten Rentiere erst mal eine große Ladung Haferflocken und Möhren zu fressen. Damit sie wieder zu Kräften kommen.

Mama und Papa geben dem Weihnachtsmann Tipps

Die vielen Tausend Geschenke kann er unmöglich alle selbst gemacht haben, soviel ist sicher. Nicht mal, wenn er das ganze Jahr daran arbeitet. „Meine Wichtel helfen mir natürlich. Und manchmal bringen sie die Geschenke sogar schon vor dem Fest bei den Eltern der Kinder vorbei“, sagt der Weihnachtsmann. Was die Kinder sich wünschen, weiß er, weil er ihre Wunschzettel kennt. Die legt er dann auch immer oben auf den Sack, bevor er an der Tür klingelt. Oder er bekommt vorher einen Tipp von Mama oder Papa.

Dieses Jahr darf er sich wegen der Corona-Pandemie nicht mal zwischendurch in den Wohnungen aufwärmen. Nur an der Tür klingeln darf er, den Kindern ein paar warme Worte sagen und ihnen den Geschenkesack hinstellen. Dann muss er schon weiterziehen. Zu den Lieblingsgeschenken der Kinder gehören momentan Roller, Fahrräder, Rutsche-Autos, Lego, Playmobil und Musikinstrumente. Bücher sind nicht mehr so gefragt, Unterhaltungselektronik hingegen immer mehr.

"Oh du Fröhliche"? Kann längst nicht mehr jeder

In der letzten Zeit steht in Deutschland in Supermärkten oder vor irgendwelchen Verkaufsbuden immer häufiger der Santa Claus, der dann amerikanische Weihnachtslieder singt. Automaten in rot-weißer Weihnachtsmannmaskerade sind das. Der echte Weihnachtsmann sagt: „Ich finde ,Oh Du Fröhliche' schön. Aber leider ist da nicht mehr jeder textsicher.“ Jeder müsse da seinen eigenen Weg finden. Jedenfalls singt der Weihnachtsmann gern die alten Lieder, nur in die Kirche geht er nicht. Nicht mal am ersten Weihnachtstag: „Da ruhe ich mich aus, gehe vielleicht in die Sauna und lege meine schmerzenden Füße hoch.“

Immo Neufeldt (49), Vater zweier Söhnen (11 und 3), ist der Weihnachtsmann. Jedenfalls schlüpft er in das rot-weiße Kostüm, seit er 15 Jahre alt ist. Damals bekam er dafür ein kleines Taschengeld. Heute macht er das schon längst nicht mehr wegen des Geldes. „Ich war damals schon groß und stämmig, und dann hat sich das relativ schnell hochgeschaukelt. Es war lustig.“ Bis er und seine acht bis elf Kollegen diesen ganz besonderen Job drauf haben, den so professionell im Kreis Pinneberg nur die Dittchenbühne in Elmshorn anbietet, müssen sie so einiges recherchieren. Zum Beispiel im Vorfeld klären, wo welche Straße liegt, die sie im Dunkeln ansteuern sollen, und im Hellen herausfinden, wo sich welche Hausnummer befindet. Wo wird der Sack versteckt? Und soll der Weihnachtsmann eine Wurst für den Hund parat haben, damit er nicht angefallen wird? Fragen, die zu klären sind.

Früher gab's Cognac für den Weihnachtsmann

Es gibt auch einen relativ strengen Ehrenkodex. So wie es früher öfter mal passiert ist, dass der Weihnachtsmann mit Cognac abgefüllt wird – das geht heute nicht mehr. Auch soll der Weihnachtsmann wirklich schwere Stiefel anhaben, damit er glaubwürdig ist. Während früher viele Kinder und wenige Erwachsene um den Weihnachtsbaum saßen, ist es heute oft umgekehrt: Ein Kind ist umringt von vielen Erwachsenen.

Seinen eigenen Kindern hat Neufeldt erzählt, dass er weg muss, um den Weihnachtsbaum bei seinen Eltern aufzustellen. Wenn er dann alle Kinder auf seinem Zettel abgeklappert hat, „zieh ich die Klamotten auf der Straße aus, verstecke sie in der Garage und gehe, zerzaust wie ich bin, nach Hause zu meiner eigenen Familie". Noch immer ist die Rolle des Weihnachtsmannes für ihn „ein schöner Ausgleich zum Job“ als Abteilungsdirektor bei einer großen Bank in Hamburg.

Vater Neufeldt erinnert sich an Ostpreußen

Auch sein Vater Reimer Neufeldt, der beim Gespräch mit dabei sitzt, hat viele Jahre den rot-weißen Mantel getragen: „Da fehlt einem schon was, wenn man das nicht mehr macht“, gibt er zu. In seiner Familie hat man seine eigenen Erinnerungen an Weihnachten. Sehr gemischte Erinnerungen.

Reimer Neufeldt wurde 1944 in Ostpreußen geboren. Die stärkste frühe eigene Erinnerung reicht in das Jahr 1948 zurück. Das Jahr, in dem er mit Geschwistern und Eltern aus Ostpreußen vertrieben wurden, weil sie nicht katholisch werden und einen polnischen Namen tragen wollten. „Wir waren auf der Flucht. Um Weihnachten versteckten wir uns im Wald vor den Russen. Zwei Wochen lang. Ohne Feuer zu machen. Meine Mutter ist damals verschleppt worden, konnte aber fliehen. Mein Cousin ist gestorben.“

1958 zog die Familie nach Elmshorn

Sein Großvater, ein ostpreußischer Bauer und Müller, erzählte immer vom Weihnachtsfest der Großfamilie, wo die beiden Mägde, die Knechte und der Hirte mit am langen Tisch saßen und gemeinsam mit der Familie das Weihnachtsessen verspeisten. Eine gute Familienerinnerung. Die gibt’s zum Glück auch.

Als Reimer Neufeldt fünf Jahre alt wurde, und in dem Unterschlupf, den die Familie nach der Flucht in der Feldmark gefunden hatte, das Weihnachtsfest nahte, war sein Vater gerade aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt. Unter dem Weihnachtsmannmantel kamen dem kleinen Reimer der Ring am Finger und die Jacke so bekannt vor. Also schwante ihm, wie die Sache um den Weihnachtsmann in Wirklichkeit stand. „Ich habe damals eine Kneifzange bekommen, weil mein Vater eine brauchte“, erzählt er lachend. Ab und an hat er damit krumme Nägel gezogen und mit dem Hammer wieder geradegeklopft. Später bekam er dann ein Schnitzmesser. Damit hat er gern Figuren geschnitzt. 1958 zog er mit seiner Familie endgültig nach Elmshorn. Da ist er geblieben bis heute, hat viel aufgebaut und so wichtige Begegnungsstätten wie die Dittchenbühne aufgebaut. Dort finden heutzutage auch polnische Weihnachtsfeste und das russische Neujahrsfest statt. Und die sind genauso schön wie das deutsche Weihnachtsfest.

Adventskalender 24.12., 24. Dezember, Ökomenepastor Jens Haverland vor der St. Nikolai-Kirche in Elmshorn