Elmshorn. Adventskalender, Maske 22: Christoph Schönfelder sein Geschäftspartner erfinden kontaktloses Bezahlen neu.
Jörg Meyer war Ende vergangenen Jahres der Erste, der mit Christoph Schönfelder (34) und David Scharfschwerdt (35) den ernsthaften Versuch wagte, beim kontaktlosen Bezahlen in seinen Pinneberger Edeka-Märkten Neuland zu betreten und damit einen Erfolg einzufahren. Ein Jahr später sind die beiden Elmshorner Jungunternehmer um wichtige Schritte weiter: Statt anfangs 80 kaufen jetzt rund 500 Kunden pro Woche mit der sogenannten Koala-App ein. Wer sich darüber registriert hat und alle gewünschten Waren mit der Kamera seines Mobiltelefon eingescannt hat, kann ohne Verzug zur Kasse gehen, sein Telefon an das Koala-Lesegerät halten – und hat schon bezahlt. Dabei braucht niemand mehr seine Ware aus dem Einkaufswagen aufs Laufband zu legen und wieder einzupacken.
An einem Dezembertag, die Geschäfte haben noch geöffnet, kommt Christoph Schönfelder, der Betriebswirt in dem Koala-Gespann, in die Tchibo-Filiale am Hamburger Rathausmarkt. Es ist wahrscheinlich die schickste der Kaffeeröster im Norden, wenn nicht im ganzen Land. Hier legt der Konzern besonderen Wert darauf, dass alles bestens läuft und zufriedene Kunden den Laden verlassen. Deshalb wird dort auch seit wenigen Tagen das Koala-System von Schönfelder und Scharfschwerdt erprobt.
Das Ziel: Die Schlangen an den Kassen verkürzen
„Wir beschäftigen uns kontinuierlich mit neuen Methoden und Trends des Einkaufens und finden den innovativen Ansatz von Koala spannend“, sagt Roman Gseller, Projektmanager für digitale Strategien bei Tchibo. „Wir möchten die Kundenakzeptanz für einen Service wie Koala herausfinden. Unsere Fragestellung ist: Sind unsere Kundinnen und Kunden bereit, das Angebot zu nutzen und es als zusätzlichen Service wertzuschätzen?“ so Gseller. „Das Ziel ist natürlich, die Kassenschlangen zu verkürzen“, sagt Schönfelder. „Nur dass es jetzt in Coronazeiten kaum Schlangen gibt.“
Die Tchibo-Marketingstrategen haben von Koala erfahren, weil Tchibo einer der norddeutschen Großkonzerne ist, der neben Beiersdorf und anderen seit einiger Zeit in das Start-up-Förderprogamm Next Commerce Accelerator (NCA) investiert. Koala war eine von sechs Unternehmensneugründungen, die im vergangenen Jahr für das NCA ausgewählt worden waren. Ein halbes Jahr lang haben Schönfelder und Scharfschwerdt darüber hochkompetente Beratung und Begleitung in Fragen der Finanzierung, des Personals, des Produkts und des Designs in Anspruch nehmen dürfen.
„Letzten Endes ging es darum, unser System im Einsatz zu sehen“, sagt Schönfelder. Das haben sie erreicht und stehen außerdem kurz davor, „eine fast siebenstellige Finanzierungsrunde abzuschließen“, so der Koala-Mann. Noch immer bestreiten sein Kompagnon und er die Firma Koala allein, und auch ihre Urzelle, die Elmshorner Software-Entwicklungsfirma FESforward, ist ein kleiner Laden mit sechs Festangestellten und einem Auszubildenden geblieben. Die Bäume wachsen also nicht in den Himmel, die Gewinnzone ist trotz der Erfolge noch nicht erreicht.
Kundendaten werden depersonalisiert gespeichert
Schon jetzt arbeiten die beiden zehn, zwölf Stunden am Tag. Engpässe überbrücken sie, indem sie mit einem externen Software-Berater zusammenarbeiten. Der soll fest mit ins Boot, sobald das Geld bereitsteht. Für Schönfelder und Scharfschwerdt waren es die Corona-Monate, in denen sie Gehör für ihre Idee gefunden haben. Die sehen sie also positiv. Außerdem, schaltet sich Gseller ins Gespräch, „ist es ein toller Kundenvorteil, in Coronazeiten ohne Anstehen an der Kasse bezahlen zu können.“ Der Hintergedanke, langfristig mittels Koala Personal sparen zu können – „darum geht es nicht. Unsere Filialen leben von Beratung und persönlicher Nähe“, so Gseller.
Auch Kundendaten stehen nicht im Fokus, „viele nutzen bereits die Tchibocard“, sagt er. „Aber ob Bezahlen ohne Warten oder Scan & Co. in der Praxis funktioniert und angenommen wird, das wollten wir möglichst schnell mit Koala ausprobieren, statt eine Eigenentwicklung umzusetzen.“ In der Filiale am Langenhorner Markt, wo Koala seit Oktober im Einsatz ist, wird es gut angenommen: „Unsere Kundinnen und Kunden haben teilweise sehr begeistert reagiert“, berichtet der Tchibo-Mann.
Sämtliche Kundendaten von Koala-Nutzern werden depersonalisiert gespeichert, sagt Schönfelder. Über sie ist lediglich nachvollziehbar, welche Altersgruppe welche Warengruppe bevorzugt und zu welcher Uhrzeit und an welchem Wochentag wer welche Mengen davon einkauft. Mehr nicht. Die beiden Koala-Männer sind bereits dabei, neue Wege zu ersinnen, um über ihre App den Kunden Rabatte oder maßgeschneiderte Angebote aufs Smartphone zu spielen, die wohl die meisten als vorteilhaft empfinden werden.
2016 gründeten die Unternehmer ihre Firma
„Koala-Kunden können das einstellen und daher frei entscheiden, ob sie das wollen oder nicht“, betont er. Ein weiteres Nahziel ist, sämtliche Warenangeboten derer zu verzahnen, die das Koala-System anbieten. Wer also künftig bei Edeka einkauft, erfährt womöglich bald die tollsten Angebote und Kundenrabatte von Tchibo.
Dass sie mal ein so großes Rad drehen würden, hätten sich die beiden Elmshorner wohl nicht träumen lassen, als sie sich als Gymnasiasten im dortigen Kino kennenlernten, wo sie beide damals jobbten. „Damals haben wir viel Zeit miteinander verbracht“, erzählt Schönfelder. Dann hätten sie sich aber aus den Augen verloren, weil der eine Betriebswirtschaft, der andere IT studierte, das Ausland rief.
Mitte 2016 sind sie wieder zusammengekommen und haben gemeinsam ihre Firma für Software-Entwicklung FESforward gegründet. Daraus ist nach und nach die Koala-Idee gewachsen, erklärt Schönfelder: „Über unsere Kunden aus dem Einzelhandel waren wir sehr vertraut mit den Warenwirtschafts- und Kassensystemen. Irgendwann haben wir unser neues Koala-System da draufgelegt.“
Die Gründer nehmen lange Arbeitstage in Kauf
Klar machen sie als Unternehmensgründer „die wöchentliche Achterbahnfahrt“ durch. „Aber da hilft ein regelmäßiger Austausch, ein Bier nach Feierabend, oder sich am Wochenende zum Kaffeetrinken zu treffen.“ Die Arbeitstage sind lang, „man holt das Maximum aus seinem Tag raus. Morgens im Dunkeln macht man dann eben sein Sportprogramm. Ein Glück, dass meine Partnerin das akzeptiert und mich unterstützt“, sagt Schönfelder.
Noch immer lautet das gemeinsame Ziel der beiden Jungunternehmer, „finanziell unabhängig zu werden und uns verwirklichen zu können. Tchibo ist für uns ein überragender Partner“, sagt Schönfelder. Ähnlich könne es mit einem großen Mineralölkonzern kommen, „dann hätten wir über 100 Koala-Akzeptanzstellen.“ Intern läuft da zurzeit die Erprobungsphase.
Die Koala-Männer sind sicher, dass es beim Tanken per Smartphone kein größeres Diebstahlsrisiko gebe als sonst auch. Bei Edeka seien zwei Betrüger von der Polizei erwischt worden, die versucht hätten, über Koala einzukaufen, ohne zu bezahlen. Schließlich muss sich jeder Koala-Nutzer vorher registrieren. „Für uns“, sagt Tchibo-Manager Gseller, „ist es auch ein Stückchen Unternehmenspolitik, mit Start-ups wie Koala zusammenzuarbeiten.“