Bönningstedt. Adventskalender, Maske 17: Dirk Reichardt entwickelt mit einer Ärztin Therapiemusik, mit denen sich Kranke besser fühlen.
Er hat die Filmmusik für Til Schweigers große Kinoerfolge „Kokowääh“, „Keinohrhasen“ und „Honig im Kopf“ geschrieben. Vor vier Jahren hat Dirk Reichardt individuelle Herz-Rhythmusschläge in musikalische Klänge umgewandelt, die beim Selbstanhören einen entspannenden Effekt zeigen und bereits erfolgreich bei Patienten mit Krebs und anderen chronischen Erkrankungen eingesetzt worden sind.
Und nun hat sich der Musiker und Komponist, der ein großes Studio in Bönningstedt betreibt, zusammen mit einer Hamburger Ärztin daran gemacht, eine App zu entwickeln, die mit Musik und Entspannungsübungen verschiedene Krankheiten therapieren können soll.
Till Schweigers Filmkomponist hilft bei Schlafstörungen
Diese Audio-Resonanz-Therapie helfe bei Schlafstörungen, Tinnitus, Depressionen, Flugangst und Stress – und könne sogar bei schweren Erkrankungen wie Multipler Sklerose oder Parkinson die Symptome und Medikation abmildern.
Die ungewöhnliche Zusammenarbeit zwischen dem Musikkomponisten und der Internistin Dr. Roya Schwarz, die bereits viel Erfahrung mit Akupunktur, Aromaöl-Therapien und chinesischer Medizin gesammelt hat, ergab sich aus einem persönlichen Kontakt, berichtet Reichardt. Sie habe ihm medizinisch sehr geholfen, als er vor einigen Jahren Probleme mit dem Herzen gehabt habe. Dabei kamen sie ins Gespräch, ob und wie akustische Reize wie Resonanzen, musikalische Schwingungen und modulare Tonlagen eine heilende Wirkung auf den Organismus ausüben könnten.
Jede Körperregion bekommt ihr eigenes Klangmuster
Die Antwort lautete: Ja, dafür würden bereits von einigen Therapeuten zum Beispiel Klangschalen eingesetzt, sagte Dr. Schwarz. „Aber es gibt dafür noch kein richtiges Konzept.“ Und so setzten sich der Musiker und die Ärztin daraufhin in Reichardts großes Musikstudio und fingen an, bestimmte Töne in verschiedenen Tonlagen zu entwickeln, die auf die Energiezentren des Menschen, seine Psyche und seinen Körper einwirken können. Aus neurowissenschaftlichen Untersuchungen gebe es bereits konkrete Hinweise dafür, welche Klänge Angst einflößen oder entspannend wirken könnten, erklärt die Ärztin im Abendblatt-Gespräch.
„Das war total spannend und faszinierend“, sagt Musiker Reichardt. Für verschiedene Körperregionen wie Bauchmuskel, Brust, Herz, Kopf oder Stirn hätten sie nun unterschiedliche Klangmuster, ein reguläres „modulares System“ entwickelt, das je nach Dauer, Tonlage und Frequenz auf ganz bestimmte Krankheitsbilder einwirken soll. Atem- und Entspannungsübungen wie Meditation könnten den heilenden Effekt dabei noch verstärken, sagt Reichardt, der betont, überhaupt nichts von „esoterischen oder spirituellen Phänomen“ zu halten.
Wissenschaftliche Studie untermauert These
„Aber wenn man zu den Klängen laut summt, ist der positive Effekt größer“, sagt Reichardt. Offenbar helfe dies, die Gedanken im Kopf abzuschalten und sich voll und ganz auf das Hören der Töne und Klänge zu konzentrieren. Um Stress und Erschöpfungssymptome wie Burn-out abzubauen, sei es hilfreich, sich zu der Musik zu bewegen oder den Körper zu schütteln. „Das löst die Verkrampfungen“, sagt Dr. Schwarz.
Eine wissenschaftliche Studie untermauerte ihre anfängliche These, dass die Audio-Resonanz-Theorie (ART) Krankheitssymptome beseitigen könne. Dr. Schwarz ließ im Februar dieses Jahres drei Wochen lang jeden Tag die von Reichardt komponierten musikalisch-medizinischen Klänge bis zu 30 Minuten auf 21 ihrer Patienten einwirken.
Nach jeder Hörprobe folgte eine genauso lange Zeit der Stille. Parallel dazu untersuchte sie jeden Tag Parameter des vegetativen Nervensystems wie die Herz-Raten-Variabilität, um den möglichen Fortschritt mit objektiv messbaren Daten belegen zu können. Die Probanden sollten zudem auf einer wissenschaftlich fundierten Befindlichkeitsskala zahlreiche Angaben zu ihrer aktuellen Stimmungslage machen.
70 bis 80 Prozent der Patienten fühlten sich besser
Die Ergebnisse überraschten den Musiker und die Ärztin, weil beide selbst nicht mit diesem sofortigen Erfolg gerechnet hatten. „Das Ergebnis war erstaunlich“, sagt Dr. Schwarz. Bei 70 bis 80 Prozent der Patienten habe sich eine signifikante Verbesserung ihres Allgemeinzustandes ergeben. Die Krankheits- und Stress-Symptome hätten sich auch sechs Wochen nach dieser Therapie noch merklich verringert. „Die Wirkung war also nachhaltig.“
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Plötzlich waren die Schlafstörungen oder die Flugangst weg. Der an Parkinson erkrankte Patient sagte „mit Tränen in den Augen“, er habe seine Medikamente absetzen können, die er zuvor täglich nehmen musste. Ein MS-Patient, der massive neurologische Probleme hatte, fühlte sich plötzlich erheblich besser.
Für Filmmusiker Reichardt grenzt dieser Erfolg fast an ein Wunder, auch wenn er vorher schon fest davon überzeugt war, dass Musik in ganz bestimmten Tonlagen und Frequenzen heilende Kräfte auf den menschlichen Körper und Geist entfalten könne. „Das ist unglaublich. Es gibt nichts Vergleichbares. Das Potenzial der Audio-Resonanz-Therapie ist irrsinnig groß.“
Eine App auf den Markt gebracht
So böte sich die Methode auch für schwere Krebserkrankungen als eine begleitende Therapie an. Auch die Palliativmedizin komme dafür infrage. Und vor allem könne sie für die persönliche Gesundheitsvorsorge und Prophylaxe eingesetzt werden, sind Reichardt und Dr. Schwarz überzeugt. „Man kann sich damit selber behandeln“, sagt die Medizinerin. „Die Audio-Resonanz-Therapie ist wie gemacht dafür. Das können meine Patienten auch zu Hause anwenden.“ Körper und Seele des Menschen erführen durch die Töne und Klänge eine gesundende Wirkung, die sie adaptieren und an die sie sich erinnerten, sobald sie diese wieder hörten.
Dirk Reichardt: „Bestimmte Akkorde und Klangfolgen reduzieren Stress, indem sie ein Gefühl von Sicherheit, Vorhersehbarkeit und Beruhigung initiieren.“ Die Grundstimmung liege bei einer Frequenz von 432 Hertz, die in der Klangforschung als natürliche Stimmung gelte. 600 Abonnenten hätten sich die ART-App bereits heruntergeladen (www.audio-resonance.com).
Sie ist in den ersten sieben Tagen kostenfrei. Danach werden nach Angaben Reichardts monatlich 5,99 Euro fällig. Die App bietet acht verschiedene Musik-Tracks, für deren Anwendung genau erklärt wird, welche Körperregionen sie für welche Zwecke ansprechen und diese anregen würden. Zudem hätten sie bereits zwei Dutzend Ärzte und Therapeuten aus ganz Deutschland für diese neue Therapie-Methode geschult, die sie nun bei ihren Patienten und Klienten anwenden könnten.