Rellingen. Klingt komisch, ist aber so: Clubpräsident Jansen spricht in Rellingen von Teamwork, Disziplin und: gesunden Füßen.
Erst nach Ende des offiziellen Teils ist der Hamburger SV dann doch noch ein Thema. „Darum ging es heute ja auch gar nicht“, sagt Marcell Jansen. Er ist nach seiner aktiven Fußball-Karriere mittlerweile Unternehmer und hat vor einigen Jahren das Sanitätshaus S’tatics gegründet. Seit Januar 2019 können Kunden am Rellinger Rathausplatz unter anderem Kompressionsstrümpfe oder Einlagen kaufen. Doch wenn sein Team und der amtierende HSV-Präsident als Gastgeber zum 6. Rellinger Handwerkertreff bitten, müssen auch Fragen zum Fußball gestattet sein.
Was kann denn der HSV eventuell vom Handwerk lernen? Der 34 Jahre alte Jansen schaut Sekundenbruchteile etwas irritiert und nimmt sich dann kurz Bedenkzeit. „Also, ich möchte erst einmal die Gemeinsamkeiten herausstellen. Es sind definitiv zwei Traditionen. Handwerk hat eine lange Tradition, der HSV auch. Und als Präsident muss ich sagen, dass es auch ohne Handwerk beim HSV nicht geht“, so Jansen, der nach der Freistellung von Bernd Hoffmann in der Corona-Phase neben seiner Arbeit als Präsident des Vereins auch Vorsitzender des Aufsichtsrates ist.
HSV-Präsident nennt die „Grundtugenden“
Das richtige Handwerk gehöre im Tagesgeschäft dazu. „Und die alten Grundtugenden wie Disziplin und Teamwork sind auch Parallelen. Jeder arbeitet in seinem Spezialgebiet. Man muss sich auf den anderen verlassen können. Sonst funktioniert ja nichts“, so Jansen, der 2017 seine aktive Karriere beendet hat. Der Medien-Profi hat die Frage weitgehend rhetorisch galant umschifft, wohlwissend, dass der Hamburger SV erneut in der Saison 2019/20 in der 2. Liga leichtfertig einen Aufstieg verspielt hat. „Wir hatten das Ziel aufzusteigen, das hat nicht geklappt. Und das hat uns alle auch emotional enttäuscht. Für die kommende Serie ist es nun das Ziel, das Team zu entwickeln. So hat es auch der Trainer gesagt. Wir wollen gut in die Saison starten und hungrig in die Spiele gehen. Wir wollen den Ehrgeiz hochhalten“, sagt er.
Etwas kleinere Ziele verfolgt Rellingens Bürgermeister Marc Trampe mit dem Handwerkerfrühstück, das einmal im Jahr in der Gemeinde veranstaltet wird. „Es soll ein Austausch der Unternehmer untereinander entstehen, und wir möchten mit dieser Veranstaltung auch stets einen konkreten Input liefern, der in den Firmen dann leicht umgesetzt werden kann“, sagt Trampe.
Füße als „Pioniere der Raumerschließung“
Nach Themen wie beispielsweise Knigge im Handwerksbetrieb, Social Media und Familienfreundlichkeit steht diesmal das Thema Gesundheit im Fokus – erstmalig in Räumen abseits der Verwaltung und zudem mit Adressdatenerfassung und Corona-bedingten Einschränkungen wie etwa Abstandsregeln.
„Füße sind die Pioniere der Raumerschließung, also dem Raumgefühl, und somit ein Schlüsselfaktor für den gesamten Bewegungsapparat“, eröffnet der Orthopäde Prof. Dr. Alexander Katzer seinen Vortrag vor knapp 25 Teilnehmern. Gerade flache, harte Böden, kombiniert mit dem falschen Schuhwerk, sorgten schnell für gesundheitliche Probleme – schließlich liegen 52 Knochen in zwei Füßen. Das sind ein Viertel der gesamten im Körper vorhandenen. „Es liegt also nah, dass dieses Konstrukt Auswirkungen auf die gesamte Statik des Körpers hat. Einlagen in den Schuhen können schon sehr gut helfen in Jobs, in denen man viel steht“, sagt der Mediziner.
Sitzen ist das neue Rauchen
Das Sitzen hingegen ist ohnehin das neue Rauchen. Katzer: „Bei zu wenig Bewegung schafft es eine geschwächte Muskulatur nicht, die Wirbelsäule richtig aufzurichten.“ Starke Menschen bleiben jung. Bewegung sei ohnehin die beste Medizin. „Oft ist es so, dass eine Tablette eine Wirkung auslöst, die eine neue Tablette nötig macht“, sagt der Orthopäde, der auch auf das Thema gesunde Ernährung eingeht. „Tierisches Eiweiß macht Menschen krank. Nicht umsonst leben immer mehr Spitzensportler vegan oder vegetarisch.“ 20 Prozent aller Todesfälle resultierten aus einer schlechten Ernährung – darunter fallen vor allem Fertiggerichte, die massenweise Zucker, Salz oder Fett beinhalten. Mit einer Kombination aus bewusster Ernährung und Bewegung könne man viele Erkrankungen wie Rückenschmerzen, Herz-Kreislauf-Probleme oder Bluthochdruck in den Griff bekommen – ohne Tabletten.
Bereits früh in seiner Karriere hatte Jansen, der außer für Nationalmannschaft und HSV (2008 bis 2015) auch für Bayern München (2007/08) und Borussia Mönchengladbach (2005 bis 2007) in der 1. Bundesliga spielte, mit einem Knick-Senk-Spreizfuß zu kämpfen. Das habe ihn bereits ab dem 18. Lebensjahr beschäftigt. Er kam in den Genuss der medizinischen Vorzügen eines Spitzensportlers. „Die wenigsten Menschen haben komplett gesunde Füße. Ich war so privilegiert, Leistungssport machen zu dürfen. Ich habe im Gegensatz zu meinen Eltern nicht 35 Jahre hart gearbeitet, kleben, wie man im Rheinland sagt“, erzählt Jansen – nach wie vor für den HSV III in der Oberliga-Hamburg aktiv.
Günstigster Physio der Welt? Kompressionsstrümpfe!
Mit seinem Unternehmen verfolgt er das Ziel, das Know-how aus dem Spitzensport jedermann möglich zu machen – und damit die „Leistungssportler des Alltags“ zu unterstützen. Kompressionsstrümpfe beschleunigen „als günstigster Physiotherapeut der Welt“ zum Beispiel die Regeneration. Denn bereits ab dem 21. Lebensjahr verlieren Venen schon an Substanz. Das Unternehmen S’tatics hat sich zudem auf die Fahnen geschrieben, Unternehmen im Bereich Gesundheit der Mitarbeiter zu sensibilisieren.
Geschäftsführer Stefan Suhr führt gemeinsam mit Jansen noch einige Dehnübungen vor, um Fehlhaltungen vorzubeugen. Beim Team von Elektro Schröder helfen bereits Einlagen in den Schuhen. „Elektriker sind nicht unbedingt für ausufernde positive Bekundungen bekannt, aber als ich fragte, ob die Einlagen etwas gebracht haben, habe ich in strahlende Gesichter geschaut“, sagt der Rellinger Firmeninhaber Kai Schröder. Mit der Standortwahl Rellingen neben zwei Geschäften in Hamburg ist Marcell Jansen zufrieden. „Es ist eine gesunde Steigerung zu erkennen. Wir haben auch das Herzstück, die Produktion, hier und liegen damit logistisch gut im Einzugsgebiet von Hamburg. Für die Leute aus der Region und die Ärzte sind die Wege kürzer geworden.“