Appen. Der Dana-Konzern wirbt in Amman Mitarbeiter an, um dem Pflegenotstand zu begegnen. Die ersten sind in Appen eingetroffen.

Freiheit. Die Freiheit, in der Menschen in Deutschland leben können. Das ist es, was alle vier jungen Männer besonders hervorheben. Dazu haben sie noch gute Arbeit, sagen sie, und werden von anderen Menschen respektiert. Gleichzeitig müssen sie viele neue Eindrücke verarbeiten. Neue Menschen, neue Umgangsformen, eine neue Kultur. Die jungen Jordanier sind dabei, sich ein neues Leben in Deutschland aufzubauen. „Wir freuen uns, hier zu sein“, sagt Idrees Hammad. Und sie sind Pioniere. Eingeflogen, um als Pflegefachkräfte dort zu helfen, wo Menschen wie sie händeringend gesucht werden. Ende September sind sie in Hannover gelandet, seit Oktober arbeiten sie im Dana Pflegeheim in Appen. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Hammad sitzt zusammen mit Murad Albalawneh, Amjad Alshehedat, und Mohammed Aboumangur im Café des Dana-Heimes. Die Männer trinken schwarzen Tee mit viel Zucker und sprechen über die Herausforderungen, die sie zu bewältigen haben, aber auch über die Chancen, die sich ihnen bieten. Sie sind zwischen 23 und 28 Jahre alt. Alle haben in Amman, der Hauptstadt Jordaniens, ein Pflegestudium absolviert und mit einem Bachelor abgeschlossen.

Jordanier besser qualifiziert

Durch das Hochschulstudium sind sie höher qualifiziert als die deutschen Pflegekräfte mit ihrer betrieblichen oder schulischen Ausbildung. Ein Jahr haben sie in Jordanien gelernt, um die notwendigen Deutschkenntnisse zu erlagen und Prüfungen zu bestehen. Um dauerhaft in Deutschland leben und in der Pflege arbeiten zu können, müssen sie jedoch noch eine weitere Prüfung bestehen. „Wir wollen hier bleiben“, stellt Alshehedat klar.

Nach der Ankunft in Deutschland mussten sie erst mal warme Jacken kaufen, berichten sie. In ihrer Heimat herrschten noch sommerliche Temperaturen. An die sprichwörtlich deutsche Ordnung und Pünktlichkeit mussten sie sich erst gewöhnen, haben sie mittlerweile aber schätzen gelernt. Pflegeheim-Leiterin Anne Schäfer ist voll des Lobes für die jungen Fachkräfte. Vier Dienst-Fahrräder hat sie für die Neuen angeschafft, mit denen sie die nähere Umgebung erkunden können.

Ausflüge nach Hamburg

Uetersen hatte für sie erste Priorität, danach kamen die anderen Kommunen. Und am Wochenende steht regelmäßig Hamburg auf der Ausflugsliste. Von Ausländerfeindlichkeit hätten sie noch nichts bemerkt, berichten sie übereinstimmend. Man begegne ihnen freundlich und mit Respekt.

Untergebracht sind sie teils in Wohnungen, teils in Hotelzimmern, die sonst von Arbeitern auf Montage genutzt werden. Alle haben Smartphones, die sie intensiv nutzen. Über eine WhatsApp-Gruppe sind die Jordanier miteinander verbunden. „Der Kontakt untereinander ist für uns wichtig“, sagt Aboumangur. An das Essen in Deutschland haben sie sich langsam gewöhnen müssen. So viel Gemüse, und dann die Kartoffeln – das waren sie aus ihrer Heimat nicht gewohnt. Aber alle können kochen, und so sorgen sie an den Wochenende dafür, dass auch die heimisch-arabische Kost auf den Tisch kommt.

Dana-Chef kommt aus dem Libanon

Das Programm, über das die vier Jordanier nach Appen gekommen sind, geht auf den Dana-Geschäftsführer Yazid Shammout zurück. Der heute 58-Jährige ist ein im Libanon geborener Palästinenser, der in Magdeburg das Internat und in Berlin die Humboldt-Universität besuchte. Nach der Promotion ging er nach Kuwait, um für eine Investmentgesellschaft zu arbeiten. Die schickte ihn zurück nach Deutschland, wo er 1997 die Dana-Firmengruppe mit Sitz in Hannover gründete. Heute betreibt das Unternehmen 16 Senioreneinrichtungen – 13 Pflegeheime sowie drei Residenzen – in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Mit rund 1000 Mitarbeitern gehört das Unternehmen zu den Großen der Branche in Norddeutschland. 2018 hatte Shammout das Programm gestartet, eigens eine Mitarbeiterin in Amman eingestellt, um Pflegefachkräfte anzuwerben.

Schon einmal versuchte Shammout, mit ausländischen Pflegekräften das hiesige Problem zu lösen. Während der schweren Rezession in Spanien als Folge der weltweite Finanzkrise 2007 und 2008 hatte die Dana Fachkräfte nach Deutschland geholt. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit vor allem unter jungen Spaniern folgten einige dem Lockruf des sicheren Jobs Richtung Norden. Doch als sich die wirtschaftliche Lage wieder besserte, gingen fast alle Spanier wieder zurück in die Heimat.

Viele junge Menschen in Jordanien

Anders ist die Ausgangssituation bei den jungen Jordaniern. Alle wollen in Deutschland bleiben, sich eine Existenz aufbauen, Verwandte nachholen. Die Neu-Appener verbreiten im Gespräch einen großen Optimismus, sprühen vor Vorfreude auf ihr neues Leben. „Wir fühlen uns willkommen“, sagt Albalawneh. Hinzu kommt eine gegensätzliche Bevölkerungsentwicklung. Während hierzulande die Gesellschaft überaltert, leben in Jordanien viele junge Menschen.