Wedel. Wedels Grüne haben Experten zur Diskussion geladen. Die halten das Projekt für unnötig, umweltschädlich und zu teuer.
Unnötig, umweltzerstörend, eine Verschwendung von Steuergeld – auf diese Kurzformel lassen sich die Äußerungen Manfred Braaschs, Geschäftsführer des BUND in Hamburg, zur Elbvertiefung bringen. Die Wedeler Grünen hatten zu einer Infoveranstaltung ins Stadtteilzentrum mittendrin geladen. Fast 100 Bürger waren gekommen. Das Abendblatt fasst die wichtigsten Fragen und Antworten zusammen.
Ist die Elbvertiefung gerichtlich durch?
Nein. 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht die Elbvertiefung in Teilen für rechtswidrig erklärt. Hamburg hat daraufhin Ausgleichsmaßnahmen nachgebessert. BUND, Nabu und WWF haben erneut geklagt, jedoch keinen Baustopp erwirkt. 2019 sollen die Arbeiten beginnen, obwohl für 2020 ein Verhandlungstermin vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt worden ist. „Sie baggern auf eigenes Risiko“, so Braasch.
Wie viele Elbvertiefung gab es bereits?
Acht seit 1818. Damals hatte der Fluss eine Tiefe von drei bis vier Metern. Die neunte Elbvertiefung soll einen Tiefgang von 14,5 Metern schaffen.
Hatte die letzte Vertiefung Folgen?
Nabu-Schutzgebietsbetreuer Uwe Helbing berichtet von Uferabbrüchen und fortgespülten Buhnen. Bei Zählungen im Fährmannssander Watt seien dramatische Verluste von Organismen festgestellt werden. Nährstoffreicher Schlick im Watt sei weggespült, Sandwatt dominiere jetzt. Gab es früher jeweils sechs Stunden Ebbe und Flut, so folge heute auf sieben Stunde Ebbe fünf Stunden Flut. Dadurch trockne der Marschboden aus, Vögel fänden daher weniger Futter.
Warum gibt immer weniger Stint?
Braasch verweist auf die stärkere Trübung des Wassers nach der letzten Ausbaggerung. Sie wirke sich negativ auf die Fortpflanzungsfähigkeit der Fische aus. Dem Stint mache auch der geringe Sauerstoffgehalt im Sommer zu schaffen.
Warum wird dauerhaft gebaggert?
Nach der Elbvertiefung 2000 wird mehr Sediment durch die Flut in den Fluss getragen, als durch die Ebbe wieder herausbefördert wird. Die Elbe versandet. Um die Befahrbarkeit zu sichern, muss gebaggert werden. Braasch berichtet von 22 Millionen Kubikmeter Aushub. Kosten: 150 Millionen Euro in 2018.
Was passiert mit neuem Baggergut?
Das ist aus Braaschs Sicht eines der größten Probleme des Projekts. Denn ein Großteil wird für ein Bauwerk im Elbtrichter verwendet. Damit wollen die Planer die Tide bremsen, die voraussichtlich noch stärker fließen und noch mehr Schäden anrichten wird. Die Kläger hatten vor dem Bundesverwaltungsgericht einen eigenen Gutachter – einen Wasserbau-Professor – aufgeboten, der die Unmöglichkeit des Vorhabens zu beweisen versuchte. Doch die Richter hielten die Argument der Planer vom Bundesamt für Wasserbau für stichhaltig.
Wird Baden gefährlich?
Die Wedeler Grüne Petra Kärgel sagt, dass Baden in der Elbe verboten sei. Braasch streicht die gute Wasserqualität heraus, die sich nach dem Ende der großen Fabrik in der DDR und der CSSR in die Elbe entwickelt hat. Anders sehe es bei Ausbaggerungen in Teilen des Hamburger Hafens aus, die der BUND-Mann als „Gedächtnis des Flusses“ bezeichnet. Dort haben sich Schadstoffe abgelagert, die freigesetzt werden können.
Was ist die Begegnungsbox vor Wedel?
Die Elbe ist eine Einbahnstraße, sagt Braasch. Nur jeweils ein großes Schiff kann den Fluss befahren. Um das zu ändern, wird ein Bereich geschaffen, in dem zwei Containerriesen aneinander vorbei fahren können. Dazu muss die Elbe breiter ausgebaggert werden. Dieser Bereich beginnt am Wedeler Tonnenhafen und führt acht Kilometer elbabwärts.
Mega-Containerschiffe fahren schon
Braasch verweist auf den Liniendienst, in dem die großen Schiffe unterwegs sind. Sie nehmen Ladung auf, etwa in China, und haben schon mehrere europäische Häfen angefahren, bevor sie nach Hamburg kommen. In diesen vorher angelaufenen Häfen wurden bereits Container gelöscht, sodass die Schiffe leichter sind und die Elbe befahren können.
Wie viel kostet die Elbvertiefung?
Die Ex-Grünen-Bundestagsabgeordnete Valerie Wilms beziffert die Kosten mit 800 Millionen Euro. Ein Drittel trägt Hamburg, zwei Drittel der Bund.
Kann das Projekt gestoppt werden?
Wilms sieht dafür eine Möglichkeit in informellen Gesprächen. „Die wollen das jetzt durchziehen“, sagt dagegen Braasch mit Blick auf die Verantwortlichen in der Hamburger Politik und dem Hafen.
Gab es Alternativen?
Braasch hat dazu ein klares Ja. Eine Kooperation der deutschen Hafenstädte hätte geschmiedet werden müssen, mit Wilhelmshaven als Tiefwasserhafen und Feedern, die die Ware auf die anderen Häfen weiterverteilen. Aber: „Hamburg will das dickste Stück des Kuchens.“
Wird es noch eine Vertiefung geben?
Braasch zitiert Günther Bonz, ehemaliger Staatsrat in der Wirtschaftsbehörde und Präsident des Unternehmensverbandes Hafen, der bereits eine neuerliche Ausbaggerung gefordert hatte. Für den BUND-Vertreter würde damit das Ökosystem Elbe endgültig zerstört werden. Und: Es gebe inzwischen ein Umdenken in der Logistik- und Schifffahrtsbranche weg von immer größeren Containerschiffen.