Hamburg. Jura-Studium soll ohne ökologisches Pflichtfach ablaufen. Professoren und Umweltverband warnen vor Fehlplanungen.
Das Kohlekraftwerk Moorburg, die Elbvertiefung, die Diesel-Fahrverbote: Viele große Streitthemen in Hamburg drehen sich auch um die Feinheiten des Umweltrechts. Ausgerechnet die Behörde des grünen Justizsenators Till Steffen hält die Ausbildung von Juristen in diesem Bereich aber offenbar für teilweise verzichtbar. Nach mehreren Jahrzehnten soll das Umweltrecht von der Liste der Pflichtvorlesungen für Jura-Studierende gestrichen werden – gegen den Widerstand von Professoren der Universität Hamburg und der Bucerius Law School.
In einer Entwurfsübersicht für eine Neufassung der sogenannten „Prüfungsgegenständeverordnungen“, die in Universitätskreisen kursiert und die dem Abendblatt vorliegt, ist das Umweltrecht mit einem Streichvermerk versehen. Bislang mussten die Studenten mindestens eine Vorlesung in diesem Bereich belegen und auch im Staatsexamen mit Aufgaben dazu rechnen. Hintergrund ist eine geplante Harmonisierung der Prüfungsleistungen in allen Bundesländern. Zudem wird seit Jahren daran gearbeitet, das Hauptstudium im Sinne der Studierenden zu verschlanken.
Professoren kritisieren die Pläne
Die verantwortlichen Professoren wenden sich jedoch in einem Schreiben an Justizsenator Steffen entschieden gegen die Pläne. Hamburg habe einst Weitsicht damit bewiesen, als einziges Bundesland verpflichtend das Umweltrecht zu lehren. „Die Themen Klima und Umwelt sind nicht nur politisch hochaktuell. Jedes größere Infrastrukturprojekt hängt etwa wesentlich davon ab, dass es umweltrechtlich zulässig ist“, sagte Professor Ivo Appel von der Universität Hamburg. „In diesem Sinne ist die Streichung überhaupt nicht schlüssig.“ In dem Schreiben an Steffen nennen die Unterzeichner das Vorhaben ein „fatales Signal“. Inhaltlich stehen bei den Vorlesungen derzeit etwa die Vorschriften zu Schadstoffemissionen für Industriebetriebe auf dem Lehrplan.
Ein Sprecher der Justizbehörde sagte, die Neuregelung der Prüfungsordnung sei „ein laufender Prozess“ und noch keine endgültige Entscheidung gefallen. Er betonte, dass Hamburg mit den Überlegungen einem Beschluss der Justizministerkonferenz der Länder folge. „Die Justizbehörde sammelt derzeit noch die Rückmeldungen der Universitäten ein und wird diese dann auswerten“, so der Sprecher. Auch wenn Studierenden im Hauptstudium künftig nicht mehr verpflichtend die Grundlagen des Umweltrechtes gelehrt würden, könnten sie es aber später im Schwerpunktbereich wählen. Im sechsten und siebten Semester würden sie dann wie gehabt nur in diesem Rechtsgebiet ausgebildet.
Der Professor Ivo Appel spricht jedoch davon, dass das Umweltrecht in den Köpfen künftiger Entscheidungsträger verankert werden müsse. „Nur wer um die Bedeutung von Umwelt und Klima weiß, kann sie bei seinen Entscheidungen berücksichtigen.“ Alle angehenden Juristen, so der Wissenschaftler, sollten sich daher pflichtweise mit den rechtlichen Grundlagen von Umwelt- und Klimaschutz befassen.
Behörde verweist auf Dialog mit den Beteiligten
Die Professoren betonen, dass es zwar sinnvoll sein könne, auch den Umfang der Lehre im Umweltrecht zu hinterfragen. Sie kritisieren jedoch, dass stattdessen in der Hansestadt künftig wie in den anderen Bundesländern das Gemeinderecht verpflichtend auf dem Lehrplan stehen solle. „Mit Verschlankung hat das leider nichts zu tun“, sagt Professor Michael Fehling von der Bucerius Law School.
Das Gemeinderecht sei nicht weniger umfangreich oder fordernd als das Umweltrecht, so Fehling – zudem käme es im Stadtstaat Hamburg praktisch nicht zur Anwendung. Beide Rechtsgebiete unterrichtete Fehling in der Vergangenheit bereits. „Der Vorteil des Umweltrechtes liegt auch darin, dass man daran hervorragend durchexerzieren kann, wie nationales und europäisches Recht zusammenwirken.“ Der Sprecher der Justizbehörde verwies auf den laufenden „Dialog mit den Beteiligten“ und wollte die Überlegungen inhaltlich nicht weiter kommentieren. Neben der Streichung des Umweltrechtes sind auch Abstriche bei der Lehre des Baurechtes noch ein Streitpunkt.
Umweltrecht wird oft nicht ausreichend berücksichtigt
Angesichts der Unstimmigkeiten zwischen Behörde und den Professoren warnen auch Umweltverbände davor, auf die Ausbildung in dem Bereich zu verzichten. „Das ist sicherlich gar keine gute Idee“, sagte der ehemalige Umweltsenator und heutige NABU-Landesvorsitzende Alexander Porschke dem Abendblatt. „Schon jetzt kommt es bei öffentlichen Großprojekten häufig zu Fehlplanungen, weil das Umweltrecht nicht genügend berücksichtigt wurde.“
Mehrere Umweltverbände hatten wiederholt gegen die Elbvertiefung geklagt, weil sie unter anderem den Lebensraum des extrem seltenen Schierlings-Wasserfenchels bedroht sahen – einer Pflanze aus der Gattung der Doldenblütler. Die Stadt verpflichtete sich schließlich zum Bau von zwei Becken für die Pflanze auf der Billwerder Insel, der im Februar begonnen hat. Die Kosten hierfür belaufen sich allein auf rund zehn Millionen Euro.