Hamburg. Traditionsreiche Werft in Neuenfelde hat vom Bund den Auftrag im Wert von 95 Millionen Euro erhalten. Auslieferung ist Ende des Jahres.

Der Lärm auf der Pella Sietas Werft in Neuenfelde ist ohrenbetäubend. Es wird geschlagen, gehämmert, gefräst, geschliffen, geschweißt – als gehe es darum, einen neuen Rekord im Schiffbau aufzustellen. „Wir arbeiten das Wochenende durch. Es muss jetzt schnell gehen“, sagt Werftchefin Natallia Dean. Dicht vor dem mächtigen Bug eines auf dem Helgen liegenden Schiffskörpers steht sie an diesem kalten Maimorgen und begutachtet die Arbeiten. Ganz klein macht sich die ohnehin nicht sehr groß gewachsene Geschäftsführerin unter dem riesigen Stahlschatten. Pella Sietas baut ein riesiges Baggerschiff. Auftraggeber ist der Bund. Und der wird langsam ungeduldig.

Schlickmengen nehmen zu

Klar muss alles ganz schnell gehen. Seit die Elbvertiefung nach den jahrelangen Verzögerungen genehmigt wurde, machen die planenden Behörden Druck. Für die Bauarbeiten selbst wird der neue „Laderaumsaugbagger“, wie das Schiff eigentlich zu bezeichnen ist, zwar nicht benötigt. Die hat der Bund an andere Firmen vergeben. Doch wenn die Vertiefung und Verbreiterung der Elbfahrrinne abgeschlossen ist, werden sich Fließgeschwindigkeit und Strömungsverhalten so ändern, dass sich künftig mehr Sedimente am Grund absetzen. Zehn Prozent mehr, glauben die Planer. Und diese Schlickmengen müssen künftig wieder herausgebaggert werden, wenn der Hamburger Hafen die durch die Elbvertiefung gewonnenen Vorteile beim Tiefgang nicht schnell wieder verlieren will.

Werft hat bereits zwei Baggerschiffe gebaut

Ende 2016 hatte die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) deshalb das neue Baggerschiff bei der traditionsreichen Hamburger Werft hinter dem Este-Sperrwerk geordert – dem offensichtlich richtigen Partner. Denn die Pella Sietas Werft hat mit Baggerschiffen bereits Erfahrung. Für das Hamburger Wasserbauunternehmen Julius Möbius hat die Werft bereits die Laderaumsaugbagger „Werner Möbius“ und „Eke Möbius“ gebaut. Und dennoch musste die Werft bei dem jetzigen Auftrag komplett anders planen.

Laderaum fasst 7500 Kubikmeter Schlick

„90 Prozent der Konstruktion mussten wir völlig neu machen“, sagt Dean. Denn das Schiff sei größer und höher als die Vorbilder und technisch aufwendiger. Ein Laderaumsaugbagger ist vereinfacht gesagt ein schwimmender Staubsauger. Wenn das Schiff durch die Elbfahrrinne fährt, zieht es einen riesigen Rüssel am Grund hinter sich her. Eine extrem effiziente Pumpe saugt den dabei aufgewirbelten Schlick ein und spült ihn in den 7500 Kubikmeter fassenden Laderaum. Ist dieser voll, was bei einem hohen Schlickaufkommen bereits innerhalb einer Stunde geschehen kann, fährt das Baggerschiff zur vorgesehenen Abladezone – etwa bei der Tonne E 3 in der Deutschen Bucht – und verklappt ihn. Dazu werden im Schiffsboden acht Ablassventile geöffnet. 95 Millionen Euro kostet das 133 Meter lange und 23 Meter breite neue Schiff, das Geld kommt aus dem so genannten Zukunftsinvestitionsprogramm des Bundes.

Betrieb stockt Belegschaft auf

Für Pella Sietas, die seit 1635 bestehende und damit ältestes existierende Werft Deutschlands, ist das ein bedeutender Auftrag, nicht nur wegen der Größe des Schiffes, sondern auch wegen der Größe der Werft. „Als wir die Order erhielten, hatten wir 180 Mitarbeiter. Heute sind es 300“, sagt Dean. Neben dem Baggerschiff stehen derzeit auch der Bau einer Inselfähre für Ostfriesland und einer Fähre für den Bodensee im Orderbuch der Werft, die 2011 Insolvenz anmelden musste und 2014 von der russischen Pella Shipyard in St. Petersburg übernommen wurde. Während Dean den Baufortschritt begutachtet, wächst das Schiff sichtlich. Ein Kran hebt vier große rechteckige Kästen an Bord. „Das sind Nasszellen für das dritte Deck“, sagt der Schiffbauingenieur und Produktionsleiter bei Pella Sietas, Marcin Golombek, „Einzelne Schiffsausrüstungsgegenstände sind so groß, dass wir das Deck um sie herum bauen.“ Plötzlich sieht man, was er damit genau meint: Langsam setzt sich ein riesiger Portalkran in Bewegung, der größte Kran Hamburgs, ein Wahrzeichen der Werft. An seinen Haken hängt ein fertiggebautes Deck. 40 Tonnen Stahl, die langsam über das Schiff hinweg gleiten. Vorsichtig wird der Hohlbau über die neuen Innenräume gestülpt und auf dem Schiff abgesetzt.

Stahlbau wiegt 4500 Tonnen

„Das war Deck drei“, sagt Golombek. „Das Brückendeck setzen wir nächste Woche darauf.“ Kurze Pause. Dann blitzen seine Augen: „Wollen Sie es mal sehen?“ Golombek führt seine Besucher in die Schiffbauhalle neben dem Schwimmdock. Dort wird gerade das Schanzkleid für die Kapitänsbrücke geschweißt. Das stählerne Gerüst hat noch keine Fenster, sonst lässt sich schon gut erkennen, von wo aus der Kapitän später sein Baggerschiff steuern wird.

Auch das ist eine Besonderheit bei Pella Sietas: Anders als bei vielen anderen Werften, die ganze Sektionen an verschiedenen Orten fertigen lassen, geschieht der gesamte Stahlbau in Neuenfelde. Alles, was auf dem Schiff verbaut wird, schweißt man auch hier zusammen. Noch liegt der 4500 Tonnen schwere Koloss auf rund 200 Böcken auf dem Helgen. Im Spätsommer soll er zu Wasser gelassen werden. Da das Baggerschiff zu groß ist, um das Manöver in dem kleinen Werfthafen in Neuenfelde durchzuführen, wird das gesamte Dock mit seiner teuren Fracht durch das Este-Sperrwerk auf die Elbe gezogen und dann in den Hamburger Hafen gebracht. Erst dort wird das Dock abgesenkt, damit das neue Schiff aufschwimmt. Dann kommt es in die Werft zurück, wo die weitere Ausrüstung stattfindet. Ende des Jahres wird das Baggerschiff mit dem künftigen Heimathafen Cuxhaven an den Bund abgeliefert. Das eine oder andere Wochenende wird sicher noch durchgearbeitet.