Pinneberg. Streamingdienste wie Netflix und Co. haben der Branche arg zugesetzt. Jetzt muss der letzte DVD-Verleih im Kreis Pinneberg aufgeben.
Am Ende sind nur fünf bis zehn Stammkunden geblieben – man muss sie wohl Nostalgiker nennen. Also jene Menschen, die tatsächlich noch das Haus verlassen haben, um sich einen Film auszuleihen. Die DVDs noch in das dafür vorgesehene Endgerät gelegt haben. Und die sich die Mühe gemacht haben, den Film wieder zurückzubringen.
Aber: Mit fünf bis zehn Nostalgikern ist kein Geschäft zu machen. Mit so wenig Kunden war der offensichtliche Niedergang einer Branche jedenfalls nicht zu verhindern. „Deshalb mache ich Ende Juli zu“, sagt Shakeel Ahrens. Er schließt die letzte Videothek im Kreis Pinneberg.
Umsatz halbiert durch Netflix und Co
Internetpiraterie, digitale Streamingdienste und eine grundsätzlich wachsende Bequemlichkeit im Zeitalter von Online-Bestellungen – die Gründe für das örtliche und bundesweite Videothekensterben liegen auf der Hand. Gab es vor 25 Jahren noch 9000 Videotheken in ganz Deutschland, sind es aktuell noch 440. „Vor drei, vier Jahren hat es merklich nachgelassen“, so Pinnebergs verbliebener Videothekenbetreiber Ahrens. Mit der wachsenden Popularität von Video-on-Demand-Anbietern wie Netflix oder Amazon-Prime habe sich der Umsatz Jahr für Jahr halbiert.
Draußen, vor seiner Videothek an der Berliner Straße, prangen schon die Ausverkaufsbanner. Drinnen stehen noch 40.000 bis 50.000 Titel. „Schätze ich mal“, sagt Ahrens. Filme, Spiele, Blue Rays. „Blue Rays gingen eigentlich immer am besten“, so Ahrens. Aber die Zeiten sind inzwischen auch vorbei. Selbst die Filmindustrie habe in den vergangenen Jahren immer weniger in Videotheken investiert. Werbung, Banner, Plakate – das Budget wurde deutlich reduziert. Früher habe der analoge Verleih noch ein paar Wochen Vorsprung bei Neuerscheinungen gehabt, bevor die aktuellsten Streifen auch digital verfügbar waren. Heute erscheint alles zeitgleich. „Videotheken haben keine Zukunft“, sagt Ahrens.
Jörg Weinrich, Geschäftsführer des Interessenverbands des Video-und Medienfachhandels in Deutschland (IVD), sieht diesen Trend auch. Ob Musik, Filme oder Einkäufe – alles ist im Internet immer verfügbar. Er macht aber vor allem die Online-Piraterie und die Untätigkeit der Politik für den Niedergang der Videotheken verantwortlich. „Seit 2002 haben wir im Filmbereich ein illegales Angebot von Spielfilmen und Pornografie im Netz. Die Bundesländer tun seit Jahren nichts gegen Pornografie-Angebote, die auch Kindern und Jugendlichen zugänglich sind“, so Weinrich. Ohne stärkere Bekämpfung der Piraterie werde es für seine Branche jedenfalls nicht aufwärts gehen. Und dass die Situation mit immer mehr Streamingdiensten nicht besser werde, verstehe sich von selbst.
Auch Videotheken in Hamburg schließen wohl bald
Vor acht Jahren, als die Zeiten auch schon nicht mehr rosig, aber wenigstens nicht so hoffnungslos wie heute waren, ist Shakeel Ahrens bei der Kette Empire eingestiegen, hat zwischenzeitlich 23 Läden in Norddeutschland betrieben. Doch im Kreis Pinneberg musste er erst die Filiale in Elmshorn schließen, dann den Filmverleih in Wedel und zuletzt den zweiten Pinneberger Laden an der Osterholder Allee. Keine Kunden, kein Geschäft. Auch in seinen zwei verbliebenen Videotheken in Hamburg an der Osterstraße und in Harburg werden wohl noch in diesem Jahr die Lichter ausgehen.
Bevor es in Pinneberg so weit ist, sucht Wilfried Knop im Ausverkauf zwischen den langen Regalmetern noch nach ein paar Schätzen für den privaten Gebrauch. Der Pinneberger Rentner bedauert die Schließung sehr. „Ich gehe nach wie vor zum Einkaufen oder zum Leihen von Filmen lieber vor die Tür, als online zu bestellen.“ Er schätze den persönlichen Kontakt. Insofern gehe mit der letzten Videothek auch ein Stück Stöbererlebnis verloren. Der 66 Jahre alte Fan von Musikfilmen ist noch kein Streamingdienstkunde. „Aber“, so Knop, „die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten.“ Seine Tochter hätte ihn schon als Netflix-Kunden umworben.
Aus Videothek soll Gastronomiebetrieb werden
Diese Hinwendung zum Onlinehandel ist für Shakeel Ahrens vor allem eines: bitter. Dem 39 Jahre alten Videothekenbetreiber gehe jetzt schon sein zweites Hobby verloren, das er zum Beruf gemacht habe, sagt er. Mit seiner anderen Passion, dem Fitnesssport, musste er schon zuvor aufhören, nun folgt die Leidenschaft zum Film. Er habe gern die „Marvel“- und „Herr der Ringe“-Verfilmungen gesehen.
Wohl oder übel muss er sich beruflich umorientieren. „Immobilien“, sollen sein nächstes Betätigungsfeld werden. Ein Geschäft, das weniger technologieabhängig ist. Aus der bisherigen Videothek soll nach dem Ausverkauf ein gastronomisches Geschäft werden, so Ahrens. „Und was hier im Ausverkauf übrig bleibt, geht erst mal in die beiden Hamburger Läden.“ Zumindest so lange, bis auch diese schließen müssen.