Hamburg. Fast alle gucken online. Aber mit einer großen Sammlung von 15.000 Filmen stemmen sich die Letzten der Branche gegen den Trend.
Bis an die Decke stapeln sich DVDs und CDs, die Schallplatten, aber auch Postkarten, Bücher und Poster. Mittendrin in der Videothek "Filmgarten" steht Kilian Krause. Voller Inbrunst zählt er die Vorteile seiner Videothek gegenüber dem Online-Angebot auf. Von Hollywood-Einheitsbrei, die die Streaming-Dienste bieten, redet der großgewachsene Mann mit Halbglatze und preist die Vorteile seiner Videothek im Hamburger Stadtteil Rotherbaum.
„Das Kapital vom 'Filmgarten' ist die große Sammlung von über 15.000 Filmen, darunter seltene mit Sammlerpreisen von 30 Euro pro Stück und aufwärts." Doch auch dieser Nischenmarkt reiche nicht aus, bedauert der 52-Jährige. „Für die Videothek ist es jeden Tag ein Kampf ums Überleben." Krause geht es wie vielen in der Branche. Der Umsatz des bundesweiten Spielfilmverleihs durch herkömmliche Videotheken fiel von 189 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 121 Millionen im Jahr 2016.
"Physischer Verleih nimmt zu"
Parallel dazu sanken auch die Kundenzahlen von 5,3 Millionen 2014 auf 3,9 Millionen 2016. Dies geht aus den gesammelten Daten des Interessenverbandes des Video- und Medienfachhandels in Deutschland (Düsseldorf) hervor. Die klassische Videothek an der Straßenecke werde mittelfristig verschwinden, schätzt Oliver Trettin, Sprecher des Bundesverbands Audiovisuelle Medien mit Sitz in Hamburg, die Lage ein. „Der physische Verleih nimmt ab und wird auch weiterhin immer weniger werden.“ Der Verleih auf den „On-Demand-Plattformen“ im Internet nehme dafür stark zu. Die fünf großen in Deutschland sind nach Tretteins Angaben: Amazon, Itunes, Maxdome, Videoload und Sky.
Im Hinterzimmer des „Filmgartens“ rattert ein Kopierer der Postfiliale, die Krause in den gleichen Räumlichkeiten betreibt. Das Geschäft mit Briefen und Paketen laufe gut, so dass er auch die Videothek halten kann. Krause zieht die Konsequenz aus dem Abstieg der Videothekenbranche. Ein paar Jahre will er das Familienunternehmen zwar noch halten, optimistisch ist er trotzdem nicht. Krauses Haupteinnahmen kommen schon länger aus der Postfiliale und einem kleinen Computerservice, den er mit seiner Familie in einem Nebenraum betreibt.Anders das Bild im „Movie Star“ Filmverleih, An- und Verkauf in Eimsbüttel, er ist eher ein Kontrastprogramm zum „Filmgarten“.
"Keine Lust auf Online"
Der Laden ist von Neonlicht erleuchtet, sehr aufgeräumt und wirkt ein wenig wie die Filmabteilung eines großen Elektronikmarktes. Aber auch hier herrscht nicht gerade Kundenandrang, hinter dem Thresen steht der 26-jährige Angestellte Felix. Für Videotheken in Hamburg sieht er eine realistische Perspektive.
„Es wird sicher deutlich weniger, allerdings werden sie nicht ganz aussterben. Es gibt in einer Großstadt wie Hamburg genug Leute, um so eine Videothek am Leben zu erhalten. Beim größten Konkurrenten Streaming fehlt beispielsweise noch die ganze Infrastruktur für Hörgeschädigte und viele Leute kommen auch noch aus Gewohnheit oder haben eben keine Lust auf online“.
Zukunft skeptisch betrachtet
Als Kundin ist die 38-jährige Viola Mendez mit ihren Kindern in der „Movie Star“ Filiale auf der Suche nach einem Videospiel für die PlayStation. Der Sohn stöbert aufgeregt in der großen Spieleauswahl im Obergeschoss. Aber auch Mendez sieht die Zukunft der Videotheken eher skeptisch. „Ich war schon mindestens ein Jahr nicht mehr hier, zu Hause schauen wir Sky. Früher waren wir öfter mal hier, aber heute kann man ja überall und alles gucken. Ich finde das schade, ich bin ja noch mit Videokassetten aufgewachsen. Aber man sieht ja, es ist hier nichts los“, sagt Viola Mendez und gestikuliert in den leeren Verkaufsraum.
Ein anderer Kunde sieht das ähnlich. Warum ist der junge Mann hier? „Eigentlich nur noch, um DVDs zu verkaufen, sonst mache ich eh alles online“. Er geht an den Thresen und zieht einen Stapel alter Filme aus seinem Rucksack. Felix schaut sie schnell durch und kauft sie alle. Der Verband des Video- und Medienfachhandels hat für 2016 in Schleswig-Holstein 42, in Hamburg 22 und in Mecklenburg-Vorpommern elf Videotheken gezählt. Bundesweit sind es 914. Zum Vergleich: 2015 waren es noch 1186 Videotheken.