Hamburg. Immer mehr Deutsche laden Podcasts und nutzen so Info-Radio auf Abruf. Welche Angebote Ihnen unsere Redaktion bereits macht.

Die Älteren unter uns werden sich noch erinnern: an lange Nachmittage vor dem Radio. Nicht nur sonnabends, wenn Bundesliga übertragen wurde. Nein, das Radio war die Verbindung zur Welt. Bevor das Fernsehen seinen Siegeszug antrat, bevor wir alle immer mobiler wurden und unsere persönliche Reichweite mit jeder Generation ausbauten, bevor man für 50 Euro in andere Länder fliegen und vor Ort selbst mal nachschauen konnte, wie es so aussieht auf der anderen Seite des Gartenzauns.

„Was machst du denn da?“, fragte ich als Kind meinen Opa, wenn er wieder lange neben seinem Radio saß. Und er antwortete: „Ich höre mir Geschichten an und stelle mir Bilder dazu vor.“ Doch irgendwann hörte das Radio auf, Geschichten zu erzählen, und spielte stattdessen auf den meisten Sendern fast nur noch Musik ab. Besser gesagt Playlisten, die sich an Charts orientieren, die auf Verkaufszahlen basieren, die beeinflusst werden davon, wie häufig ein Lied im Radio gespielt wird. Der Kreislauf des Mainstreams.

Doch es soll Leute geben, deren Interessen sich nicht mit denen der Masse decken. Was ist mit denen? Für sie gibt es nun Podcasts. Keine Nische, kein Thema, für das nicht auch ein Podcast produziert worden wäre. Allein im deutschsprachigen Raum gibt es mehr als 6000 Podcasts, nicht alle Formate sind jederzeit aktuell, aber die Bandbreite beeindruckt. Stellen Sie sich mal 6000 deutsche TV-Sender vor!

Auch sehr spezielle Themen

So wie Sky oder Netflix heute Fernsehen „on demand“, also „auf Abruf“, bedeuten, sind Podcasts im Grunde ein Radio on demand. Egal was du hören willst, du kannst es bekommen. Zu den beliebtesten Kategorien gehören TV und Film, Sport, Freizeit, Comedy, Wissenschaft und Natur, Gesundheit, Gesellschaft, Kultur, Technologie und Gaming. Nachrichten spielen bislang keine große Rolle, aber die laufen ja auch noch zu jeder vollen Stunde im Radio.

Doch auch sehr spezielle Themen wie Science-Fiction („The Message“, ein Meilenstein der Podcast-Geschichte), Präsidenten („Making Obama“, journalistisches Glanzstück), Heimwerken („Werkstattgespräche“, Informationen über Baumaterialien, Fundamente und Klos mit Aussicht), Morde („Verbrechen“ über deutsche Kriminalfälle) oder Geschlechtsverkehr („Alles außer Sex“, geklärt werden Fragen wie: „Ist mein Freund schwul“ oder „Wie geht French Kissing?“) werden zur Sprache gebracht. Beim Podcasting nimmt man kein Blatt vor den Mund. Guckt einem ja keiner zu.

Der Siegeszug der Podcasts erscheint eindrucksvoll. Zehn Millionen Deutsche hören mindestens einmal pro Woche einen Podcast, 20 Millionen mindestens einmal im Jahr, darunter nicht nur junge Leute. Jeder dritte Hörer ist 50 oder älter. Wenn wir auf die USA schauen, wo die Zukunft der meisten Medientrends entschieden wird, dürfte die Nutzung weiter stark ansteigen. Laut Edison Research ist die Zahl der Amerikaner, die Podcasts hören, in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Anfang 2019 hörten 32 Prozent der Amerikaner im Alter von über zwölf Jahren mindestens einmal im Monat einen Podcast, was einen deutlichen Anstieg gegenüber den 17 Prozent aus 2015 bedeutet. „Im Endeffekt zeigt das Podcast-Medium ein sehr starkes Nachfragewachstum“, schreibt das „Wall Street Journal“.

Jeder kann veröffentlichen, was er will

Das Abendblatt hat deshalb eine Reihe von Podcasts entwickelt (siehe unten), die unser gedrucktes Blatt und unseren Internetauftritt seit Kurzem ergänzen – von den täglichen „Hamburg News“ über „Entscheider treffen Haider“ bis hin zu Buch- und Musik-Podcasts der Kulturredaktion. Auch ein „Blind Date mit der Bischöfin“ kann auf abendblatt.de und den gängigen Podcast-Plattformen abgerufen werden. Noch nicht aufgeführt, aber bereits in Planung ist auch ein Podcast rund um die Welt der Kreuzfahrten – in einer Hafenstadt wie Hamburg sind Schiffe schließlich immer ein Thema.

Für das Herausgeben eines Podcasts benötigt man keinen großen Apparat, zumindest dann nicht, wenn man sich auf seine eigenen Kernkompetenzen stützt. Jeder kann veröffentlichen, was er will, und jeder kann sich anhören, was er will. Insofern kommt ein Podcast der ursprünglichen Idee des Internets am nächsten, man muss als Nutzer nur einschätzen können, mit wem man es zu tun hat. Da Podcasts bislang fast nie etwas kosten, funktioniert die Zugänglichkeit unabhängig von Einkommensverhältnissen. Kleine Einschränkung: Sie müssen sich irgendeine Form von Technik leisten können. Entweder ein Smartphone, einen Computer oder ein Tablet. 85 Prozent der Hörer nutzen Podcasts über ihr Handy.

HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann (r.) und  Chefredakteur Lars Haider  im Podcast-Studio des Abendblatts.
HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann (r.) und Chefredakteur Lars Haider im Podcast-Studio des Abendblatts. © Mark Sandten

Was einen weiteren Erfolgsfaktor des Mediums darstellt: Podcasts sind ideale Lückenfüller. Sie gelten als Sekundärmedium, es ist möglich, beim Hören zu bügeln, zur Arbeit zu fahren, Hanteln zu heben oder einen Ozean zu überfliegen. Ein Drittel der Hörer nutzt Podcasts unterwegs oder in Wartesituationen. So wird verlorene Zeit zu großer Unterhaltung. „Das ist der dramatischste Vorteil, den das Medium hat, denn uns allen fehlt es an Zeit“, sagt Alex Jacobi, ein gefragter Experte zum Thema Zukunftstechnologie und selbstverständlich Herausgeber eines eigenen Podcasts („With love and data“). Der 43-Jährige stand dem Thema Self-Publishing zunächst ängstlich gegenüber. „Weil ich als ausgebildeter Tonmeister ein Klang-Ästhet bin. Doch auf den perfekten Sound kommt es bei Podcasts gar nicht an, sondern nur auf die Inhalte und eine regelmäßige Veröffentlichung.“

Geduld ist wichtig

Außerdem wichtig für Macher: Geduld. Die Auffindbarkeit vieler Formate gestaltet sich bislang schwierig, es dauert lange, bis man eine stabile Hörerschaft aufbaut. Wer die Nutzungszahlen mit jeder Episode verdoppelt, kann sich schon zu den Erfolgreichen zählen. „Doch wenn dich die Leute einmal abonniert haben, dann bist du bei ihnen auf dem Radar!“ Deutschlands erfolgreichster Podcast „Fest & Flauschig“ von den Satirikern Jan Böhmermann und Olli Schulz schaffte es 2018 sogar, die Spotify-Jahrescharts anzuführen. Die weltweite Spitzenposition bei Podcasts nehmen zwei Deutsche ein! Konkrete Abrufzahlen nennt der Streamingdienst zwar nicht, doch Experten sprechen von einer siebenstelligen Hörerschaft pro Folge. Selbst eine Nummer kleiner sind die Zahlen noch enorm: Bis zu 350.000 Leute erreichen beispielsweise Joko Winterscheidt und Paul Ripke mit „Alle Wege führen nach Ruhm“. „Das sind teilweise mehr Hörer, als Fernsehsender Zuschauer haben“, erklärt Constantin Buer.

Der Podcast-Verantwortliche bei OMR – die Hamburger Firma produziert 18 unterschiedliche Podcast-Formate und kümmert sich um die Vermarktung von 40 weiteren – sagt, dass „Laberformate mit einem gewissen Promi-Faktor“ so wie das von Winterscheidt und Ripke zu den beliebtesten gehören. Es fühlt sich für den Konsumenten also ein bisschen so an, als gehöre er zu diesen beiden Freunden. „Die Identifikation spielt die entscheidende Rolle. Podcasts erlauben mehr Nähe, als wenn man vor dem Fernseher sitzt“, sagt Buer. Die Fantasie wird bemüht, die Stimme des Sprechers kommt bis in den eigenen Kopf, ein fast intimes Medium. Kein Organ ist dem Gehirn so nah wie das Ohr.

Podcast-Hörer im Fokus der Werbewirtschaft

Weil Podcast-Hörer als loyal, technikaffin, trend- und modebewusst und gebildet gelten und über ein etwas höheres Einkommen als der Durchschnitt verfügen, hat die Werbewirtschaft ein Auge auf sie geworfen, und die Plattform-Player Amazon, Spotify und Apple pushen Audio weiter voran. Lange Zeit war Apple der Platzhirsch, doch Spotify scheint fest entschlossen, den Markt in der Zukunft dominieren zu wollen – und so kauft sich der Musik-Streamingdienst seine Macht zusammen. Das schwedische Unternehmen teilte mit, bis zu 500 Millionen US-Dollar im Jahr 2019 in den Erwerb von Podcast-Unternehmen zu investieren. Mehrere Unternehmen hat es bereits übernommen, darunter den auf Krimi-Hörspiele spezialisierten Anbieter Parcast, den Podcast-Produzenten Gimlet Media und den Podcast-Dienstleister Anchor.

Es gibt ein Zitat, das den Siegeszug von Online-Audio knapp und gut zusammenfasst: „When your hands are busy but your mind is free.“ So erklärt Audible-Gründer Don Katz die Vorteile des Mediums. Podcast hören ist wie freihändig lesen. Mit den Händen kann man stupide Hausarbeit erledigen, während der Geist gefüttert wird. Auf dem „Digitalkindergarten“ – einer großen Technik-Messe, die Anfang Juni im Hamburger Millerntor-Stadion stattfand – erklärte Oliver Daniel von Audible, 45 Prozent der unter 30-Jährigen nutzen Podcasts als Weiterbildung, zum Beispiel um Latein zu lernen. „Audio ist mehr als Entertainment“, so Daniel. „Wir erleben einen echten Audio-Boom in Deutschland, der auch mit einer konstanten visuellen Überfrachtung zu tun haben könnte.“

Screen-Fatigue nennt sich das Phänomen, wenn die Augen vom ständigen Auf-das-Smartphone-Gucken immer müder werden. Also: Augen zu, Ohren auf. Inzwischen gibt es Formate, die extra für Audio geschrieben und produziert werden. Die Hollywoodstars Gillian Anderson und David Duchovny sprechen etwa gerade die „X-Files“ ein – ehemalige Kultmarken der TV-Ära werden also wieder zum Leben erweckt. Deutschlands bekanntester Thriller-Autor Sebastian Fitzek hat ein Hörspiel konzipiert („Auris“), in dem ein Forensiker Kriminelle anhand ihrer Stimme erkennt. Ein Handy-Mitschnitt eines Hustens und einiger Worte reichen ihm, um auf Statur, Gesundheitszustand, Alter oder den Beruf eines Menschen zu schließen.

Und natürlich erreicht der Serientrend auch die Podcasts. In „Die juten Sitten“ geht es um ein Berliner Bordell in den goldenen 20er-Jahren. Die Serie ist ab 18 Jahren und ein bisschen schlüpfrig.

Das sind die Podcasts des Hamburger Abendblatts:

Erstklassisch mit Mischke

Erstklassisch – der Podcast mit Abendblatt-Chefreporter Joachim Mischke.
Erstklassisch – der Podcast mit Abendblatt-Chefreporter Joachim Mischke.

„Erstklassisch mit Mischke“ kommen berühmte klassische Musikerinnen und Musiker zu Wort – entspannt, ausführlich und informativ. Es können aber auch Experten zu Gast sein, die Konzerte für andere organisieren und den Interpreten ihre Arbeit ermöglichen. Es wird um den praktischen Umgang mit dem Leben auf und hinter der Bühne gehen, um persönliche Vorlieben, Erlebnisse und Perspektiven.

Wie entwickelten sich Karrieren, was denken weltbekannte Virtuosen über die Bedeutung und die Aufgaben von Musik? Wie wichtig ist das Üben, wie hart ist der Job? Und vor allem: Wie schön ist er? Den Auftakt macht der in Hamburg geborene Geiger Christian Tetzlaff. Zweiter Gesprächspartner ist Albrecht Mayer, Solo-Oboist bei den Berliner Philharmonikern. Wie oft: Einmal im Monat. Erscheinungstag: Freitag.

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Entscheider treffen Haider

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Erfolgreiche Menschen aus Hamburg erzählen im Gespräch mit Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider, wie sie geworden sind, was sie geworden sind. Unter den Gästen waren bislang unter anderem der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, Rocksänger Udo Lindenberg, Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seutter, OMR-Gründer Philipp Westermeyer und TV-Koch Steffen Henssler.

„Entscheider treffen Haider“ ist ein multimediales Projekt: Das komplette Gespräch gibt es zum Anhören, die wichtigsten Passagen werden in der Zeitung gedruckt, zu ausgewählten Episoden gibt es ein kurzes Video. „Entscheider treffen Haider“ erscheint alle 14 Tage. Viermal im Jahr wird „Entscheider treffen Haider“ zudem live vor Publikum aufgezeichnet. Für die ersten drei Veranstaltungen wurden 1000 Tickets verkauft. Wie oft: Alle zwei Wochen. Erscheinungstag: Montag.

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Next Book Please

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In „Next Book Please“, dem gemeinsamen Literatur-Podcast von Abendblatt und Literaturhaus Hamburg, geht es um die schöne Literatur, auch unter der Bezeichnung „Belletristik“ bekannt. Dabei ist das, was Abendblatt-Redakteur Thomas Andre und Literaturhaus-Chef Rainer Moritz mindestens einmal im Monat zum Gegenstand ihres fortlaufenden Gesprächs über Literatur machen, nicht immer schön. Oder lesenswert. Sondern manchmal auch ärgerlich, misslungen, blöd.

Wenn das Duo über die wichtigsten Roman-Neuerscheinungen spricht, steht die Frage nach der Qualität im Mittelpunkt, aber auch die Entwicklungen auf dem Buchmarkt spielen eine Rolle. Der Podcast soll vor allem Lust aufs Lesen machen – und ein Wegweiser sein im Dickicht der vielen Novitäten. Wie oft: Ein- bis zweimal im Monat. Erscheinungstag: Donnerstag.

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Die digitale Sprechstunde

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Was hilft wirklich bei Heuschnupfen? Woran erkennt man erste Anzeichen der Demenz? Wann ist ein Kaiserschnitt ratsam? Und was muss ich tun, wenn mein Blutdruck zu hoch ist? Antworten auf Fragen wie diese gibt es in der „Digitalen Sprechstunde“, dem Gesundheitspodcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios.

Jede Woche klärt ein renommierter Mediziner in einem etwa 30-minütigen Gespräch mit Abendblatt-Redakteurin Vanessa Seifert über jeweils ein bestimmtes Krankheitsbild auf – von der Diagnose über die Therapie bis zur richtigen Nachsorge. Übrigens: Themen-Anregungen nimmt die Redaktion sehr gerne per Mail unter sprechstunde@abendblatt.de entgegen. Wie oft: Einmal in der Woche Erscheinungstag: Mittwoch

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Hamburg News

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Mit dem täglichen Podcast „Hamburg News“ geht das Abendblatt nicht nur neue Wege in der Nachrichten-Versorgung, sondern kehrt dabei auch gleichzeitig ein wenig zu den Wurzeln zurück: Seit Anfang Mai erscheint das Abendblatt mit seinem täglichen Podcast am späten Nachmittag, so wie einst die Zeitung. Jeden Werktag außer Sonnabend kommt eine neue Folge der „Hamburg News“.

Der Podcast informiert in rund 15 Minuten über die wichtigsten Nachrichten des Tages. Zu Wort kommen in der Regel ein prominenter Gast sowie mehrere Redakteure, die über ihre Recherchen berichten. Dazu gibt es Kurznachrichten aus Hamburg und einen Leserbrief des Tages. Der Podcast wird von Lars Haider und weiteren Mitgliedern der Chefredaktion moderiert. Wie oft: Fünfmal pro Woche um 17 Uhr. Erscheinungstag: Montag bis Freitag.

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Blind Date mit der Bischöfin

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Bei unserem Blind Date geht es um Gott und die Welt: In einem Podcast, den das Hamburger Abendblatt gemeinsam mit der Evangelischen Kirche organisiert, trifft Bischöfin Kirsten Fehrs Persönlichkeiten aus der Hansestadt. Sie erfährt allerdings immer erst kurz zuvor, wer ihr Gast ist. Das Motto dabei: „Was ich die Hamburger Bischöfin schon immer einmal fragen wollte.“ Angedockt sind die rund 45 Minuten langen Episoden an das jeweils aktuelle Abendblatt-Kirchenmagazin „Himmel & Elbe“, das achtmal im Jahr erscheint.

Den Auftakt für das „Blind Date mit der Bischöfin“ machte Budnikowsky-Chef Cord Wöhlke, zweiter Gast war der Jazz-Pianist Joja Wendt. Wie oft: Etwa alle sechs Wochen. Erscheinungstag: Variabel.

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