Wedel. Bei der Deichverteidigungsübung proben etwa 90 Einsatzkräfte den Ernstfall einer Sturmflut. Der Test verläuft besser, als erhofft.
Wind drückt das Wasser in den Wedeler Hafen, das Wasser steigt immer weiter an. Es ist ungewiss, wie lange die Flutschutztore der Hochwasserschutzanlage noch halten. Wedels Gefahrenabwehrstab kommt zusammen und beschließt, den Landesdeich zu schließen. Nun zählt jede Minute. Wenn die Deichöffnung nicht rechtzeitig geschlossen wird, läuft die Marsch mit Wasser voll.
In einer groß angelegten Deichverteidigungsübung haben sich Einsatzkräfte der Stadt Wedel und des Kreises auf solch einen Ernstfall vorbereitet. Am Sonnabend kamen etwa 90 Helfer der Freiwilligen Feuerwehr, des Wedeler Bauhofs, der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), des Technischen Hilfswerks (THW), der Polizei, des Landesbetriebes für Küstenschutz sowie der Krisenstab der Stadt Wedel zusammen, um das Schließen der Öffnung am Landesdeich (Stöpe) an der Schulauer Straße zu trainieren. Dort, wo sonst die Fahrzeuge gen Hafen beziehungsweise vom Wedeler Anleger Willkomm-Höft gen Roland fahren, war am Sonnabend kein Durchkommen mehr. Für die groß angelegte Übung wurden zahlreiche Straßen stundenlang gesperrt.
Punkt 9 Uhr, Feuerwehrhaus an der Schulauer Straße, Einsatzbesprechung: Wehrführer Michael Rein schwört die Helfer ein. Er betont, dass es nach Jahren dringend an der Zeit gewesen sei, die Deichverteidigung zu üben. Das letzte Mal wurde in 2013 dieser Ernstfall geprobt. Zeit, das Wissen bei den Einsatzkräften aufzufrischen. „Wenn wir den Deich nicht dicht bekommen, würde die Marsch voll mit Wasser laufen und der Ort wäre zweigeteilt“, so Rein. Man dürfe nicht den Fehler machen, die Natur zu unterschätzen. „Ich bin skeptisch, dass der Deich im Ernstfall hoch genug ist“, sagt der Einsatzleiter.
Nach Flutkatastrophe 1976 wurde Landesdeich errichtet
An diesem sonnigen Sonnabend mag das gezeichnete Flut-Szenario für viele weit entfernt sein. Die meisten der Anwesenden haben solch ein Hochwasser nie erlebt. Aber wie schnell die Flut kommen kann und mit welcher Gewalt sie dann über das Land hinwegfegt, das hat man in Wedel und der Marsch bei der großen Flut 1976 erlebt, als der Deich überspült wurde. Die Wassermassen drängten ins Landesinnere, das Wedeler Autal wurde überspült, Häuser und Höfe wurden zerstört, Vieh verendete und allein in Wedel wurden 30 Menschen obdachlos.
„Damals gab es den Landesdeich noch nicht“, betont Wedels Bürgermeister Niels Schmidt. Seit es diese zweite Schutzinstanz gibt, habe man auch nur einmal angefangen, diese Flutschutztore zu schließen. Die Hochwasserschutzanlage der Stadt Wedel mit den Flutschutztoren direkt am Schulauer Hafen schützt die Stadt vor Hochwasser bis zu einer Höhe von 7,30 Meter über Normalnull. Der etwas zurück liegende Landesdeich, zu dem die bei der Übung geschlossene Deichscharte gehört, schützt vor einem Hochwasser bis zu einer Höhe von 7,50 Meter über Normalnull – was einer Höhe von 5,50 Meter über dem mittleren Tidehochwasser entspricht. Er dient als Reserve, wenn der Flutschutz am Hafen nicht mehr ausreichen sollte.
Genau das wurde nun geübt. Dafür versammelten sich Einsatzkräfte um 9.45 Uhr vor dem Deich. Das THW baute die Füllmaschine für die Sandsäcke auf. Ein Lastwagen lieferte Sand an. Stromaggregate wurden aufgebaut. Die Helfer legten Vorrichtungen für die Metallpfeiler im Boden frei. Es hakte ein wenig, doch dann standen die Pfeiler und die Planken wurden dazwischengesetzt. Nach etwa 50 Minuten war die eine Hälfte der Deichscharte bereits geschlossen. Obwohl ein Teil der Feuerwehrkräfte zwischendurch zu einem richtigen Einsatz ausrücken musste, dauerte es nur etwa drei Stunden, bis die Flutschutztore errichtet wurden und die Schotten dicht waren. „Wir waren schneller als bei der letzten Übung. Außerdem haben wir wertvolle Erkenntnisse gewonnen, wie wir im Ernstfall noch schneller agieren können“, zog Schmidt Bilanz.
Verbesserungsmöglichkeiten dank Übung entdeckt
Etwa 2000 Sandsäcke wurden insgesamt benötigt. 1000 davon hat die Stadt bereits gefüllt eingelagert. Die Übung zeigt: Es ist sinnvoll, die komplette Menge vorzuhalten. So sei man noch schneller und zudem nicht auf die Maschine des THW angewiesen. „Dort, wo rasches Arbeiten gefragt war, haben alle Hand in Hand und Seite an Seite Sandsäcke gefüllt. Das war toll zu erleben“, sagt Wehrführer und Einsatzleiter Michael Rein zufrieden. Man habe an manchen Stellen Optimierungsmöglichkeiten festgestellt, zum Beispiel bei den Laufwegen, erklärt Rein. Genau das sei aber der Grund für die Übung. „Nur so kann man die kleinen Hindernisse, die oft im Detail stecken, aufdecken und für den Ernstfall abstellen.“