Kreis Pinneberg. Die Schleswig-Holstein Netz bringt 36 Kilometer Leitungen unter die Erde um Kunden langfristig Versorgungssicherheit zu garantieren.

Ein Bagger reißt den Rasen auf, verlängert eine Dutzende Meter lange Schneise. Auf einem Feld am Quellenweg in Uetersen sollen bald armdicke Kabel für Jahrzehnte im Erdboden verschwinden. Am Horizont erhebt sich ein Wald aus Strommasten, der das Landschaftsbild zwischen Uetersen und Wedel seit Jahrzehnten prägt. Das wird sich bald ändern – er wird sich lichten.

Im Winter 2019/2020 will die Schleswig-Holstein Netz etwa 60 Masten im Mittelspannungsbereich abbauen. Übrig bleiben nur noch die Kolosse der Höchstspannungsleitungen. Damit der Strom trotzdem weiter fließt, verlegt der Betreiber zwischen der Roland- und der Rosenstadt aktuell 36 Kilometer unterirdische 30-Kilovolt-Leitungen. „So eine lange Stromleitung auf einen Rutsch unter die Erde zu bringen, das ist schon außergewöhnlich“, sagt Projektleiter Jochen Hell. Es sei momentan die größte Verkabelungsbaustelle in Schleswig-Holstein. Im Land verlaufen aktuell noch etwa sechs Prozent der Mittelspannungsleitungen überirdisch. Der Betreiber möchte in den kommenden Jahren alle durch unterirdische Kabeltrassen ersetzen. Dadurch soll eine langfristige Versorgungssicherheit der Kunden sichergestellt werden. Die unterirdischen Kabel seien weniger störanfällig und damit wartungsfreundlicher. Das senke auch die Betriebskosten. Außerdem sei der Energieverlust bei Erdkabeln geringer.

Auch unter der Pinnau verlaufen jetzt Stromleitungen

„Die bestehende Verbindung ist mehr als 40 Jahre alt, und wir hätten die Masten demnächst sowieso streichen müssen – zum Schutz vor Korrosion“, sagt der großgewachsene 55-Jährige. Das hätte rund eine Million Euro gekostet. Da sei es naheliegend gewesen, etwas mehr zu investieren und die Leitungen für etwa 3,6 Millionen Euro unter die Erde zu bringen. Das freue auch die Landwirte, da sie bei der Feldarbeit nicht mehr die auf Betonsockeln stehenden Masten umfahren müssten. Die Landwirte seien in der Vergangenheit mit ihren immer größer werdenden Erntemaschinen auch schon in den unteren Leitungen hängengeblieben und hätten diese abgerissen. Auch diese Gefahr bestehe dann nicht mehr.

Die Planung für das Projekt läuft bereits seit 2015. Der erste Bauabschnitt zwischen Moorrege und Heist wurde im vergangenen Winter fertiggestellt. Erst diesen Monat geht es weiter, da die Bauarbeiten aus Umweltschutzgründen nur zwischen Oktober und Februar vorgenommen werden dürfen – eine Auflage der unteren Naturschutzbehörde. So sollen Vogelarten geschützt werden, die ihre Nester am Boden anlegen.

Um den Lebensraum der Bodenbrüter zu schützen, mussten die Arbeiter außerdem bereits 100 Meter vor der Pinnau beginnen, einen Tunnel für die Stromkabel zu graben. Den Elbe-Nebenfluss untertunnelten sie im sogenannten Horizontalspühlbohrverfahren. Dafür verwendeten sie eine riesige Bohrmaschine, in der rund 100 armdicke, jeweils etwa vier Meter lange Bohraufsätze aneinanderreiht sind. Damit lassen sich bis zu 400 Meter lange Tunnel bohren. Nachdem der konische Bohrkopf am Ende der Bohrung angekommen ist, werden die Stromkabel auf dem Rückweg durch den neuen Tunnel gezogen. Mit dieser Technik lassen sich auch Deiche und Straßen überwinden.

Das ist die Schleswig-Holstein Netz AG

Die Schleswig-Holstein Netz AG gehört zum Konzern der HanseWerk AG und hat ihren Sitz in Quickborn.

Die HanseWerk AG betreibt Strom- und Gasleitungen in rund 1000 Kommunen in Schleswig-Holstein und Nordniedersachsen.

Die etwa 1200 Mitarbeiter betreuen rund 51.000 Kilometer Stromnetz sowie 15.000 Kilometer Gas- und 7500 Kilometer Kommunikationsnetze.

Zu den Stromnetzen gehören Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze.

Das Unternehmen hat in den letzten Jahren rund 34.500 Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien an seine Netze angeschlossen.

Das sind mehr als 90 Prozent der Produzenten erneuerbarer Energien in Schleswig-Holstein.

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Im Februar 2019 sollen dann alle unterirdischen Kabel verlegt sein – vorausgesetzt das Wetter spielt mit. Im vergangenen Winter war das ein Problem: „Wir sind in Verzug geraten, weil wir ein absolutes Schietwetter hatten“, sagt Hell. Die Bauarbeiter hatten entweder mit feuchten oder gefrorenen Böden zu kämpfen. Zeitweise mussten Baggermatten ausgelegt werden, damit sich der nasse Boden unter dem Gewicht der Maschinen nicht zu sehr verdichtete. Dieses Jahr sei das Wetter aber gnädig. „Wir kommen gut voran und liegen im Zeitplan“, sagt Hell.

Die Arbeiten am aktuellen Bauabschnitt betreffen den Quellenweg in Uetersen sowie die Papentwiete, den Ihlseeweidenweg und den Schlödelsweg in Wedel. Im Dezember sollen dann weitere Bauarbeiten in der Gemeinde Holm beginnen. „Die Arbeiten beschränken sich überwiegend auf Wirtschaftswege. Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs sind nicht zu erwarten“, sagt Hell. Der gelernte Energieanlagenelektroniker ist nicht nur für den Bau verantwortlich, sondern hat ihn auch geplant und mit den Landwirten verhandelt. Ihnen werden für Flurschäden und Ernteausfälle einmalige Entschädigungen gezahlt.

Auch die grundbuchliche Sicherung, also das Recht der Betreiber, jederzeit Reparaturarbeiten vornehmen zu dürfen, wurde den Bauern einmalig vergütet. Um die Felder zu schonen und die Ausfälle gering zu halten, orientiert sich die neue Kabeltrasse an Straßen und liegt im Randbereich der Felder. Das erklärt auch den leicht gezackten Verlauf der Strecke, die nicht immer so gerade verläuft wie im Bereich des Quellenwegs in Uetersen.

Eine Übersicht der Trasse finden Sie in der aktuellen Pinneberg-Ausgabe des Hamburger Abendblattes.