Tornesch. Gut 100 Tage im Amt: Torneschs Bürgermeisterin Sabine Kählert spricht über neue Strukturen im Rathaus und weitere Projekte.

Ihre Mitarbeiter kannte Sabine Kählert (parteilos) bei ihrem Amtsantritt als neue Bürgermeisterin der Stadt Tornesch bereits. 37 Jahren lang arbeitete Kählert im Rathaus, bevor die Tornescher sie am 27. Mai dieses Jahres zur Chefin der Stadtverwaltung wählten. Die Erfahrung scheint ihr bei der Ausübung des Amtes geholfen zu haben – Lob jedenfalls bekommt Kählert parteiübergreifend.

Die Tornescher CDU würdigt in einer Stellungnahme ihre Fähigkeit zuzuhören. Auch von der SPD kommen positive Worte: „Früher kamen die Themen einfach auf den Tisch – jetzt gibt es mehr Vorbereitung und Kooperation“, sagt SPD-Vorsitzender Manfred Mörker, dessen Partei Kählert im Wahlkampf unterstützte und sich nun bestätigt fühlt. Die FDP lobt ebenfalls – insbesondere die von Kommunikation und Zukunftsorientiertheit geprägte Zusammenarbeit. Das Abendblatt hat mit Kählert gesprochen, um herauszufinden, wie sie selbst ihre Arbeit sieht.

Mehr als 100 Tage im Amt — Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie bisher erreicht haben?

Sabine Kählert: Ich glaube, zufrieden ist man nie. Aber der Start war gut. Es gab viele Projekte, die nicht beendet waren und weitergeführt werden mussten. Sehr froh bin ich zum Beispiel darüber, dass am 24. September die Bagger angerollt sind, um einen neuen Kindergarten zu bauen.

Gibt es schon Projekte, die Sie persönlich angestoßen und bereits umgesetzt haben?

Wir sind dabei, das Rathaus und die Aufgaben der Mitarbeiter neu zu strukturieren, um so aufgestellt zu sein, dass alle Mitarbeiter leistungsfähig für den Bürger da sein können. Da bin ich sehr vorgeprescht, um die sitzungsfreie Sommerzeit zu nutzen. Es ging auch darum, vakante Stellen wieder zu besetzten. Momentan renovieren wir ein bisschen und machen das Rathaus noch bürgerfreundlicher. Auch da ist viel passiert.

Ohne den Segen der Politik?

Ja, die Politik hat gesagt, du hast gar kein Geld, du musst uns fragen. Ich habe es aber als Aufgabe der Verwaltung gesehen und die Mittel zusammengetragen. Ich möchte das Bürgeramt vergrößern, ich möchte mehr Service für den Bürger. Eine bessere Wartezonensituation. Mein Wunsch ist auch, das Rathaus barrierefrei zu machen. Wenn das Paket fertig ist, werde ich es der Politik vorstellen: meine Organisation des Rathauses.

Wodurch unterscheidet sich Ihre Amtsführung von der Ihres Vorgängers Roland Krügel?

Das sollen andere beurteilen. Wir sind per se persönlich sehr unterschiedlich, aber einen Vergleich zu ziehen, da scheue ich mich sehr. Ein Unterschied ist, dass ich die Digitalisierung nutzte. Meine Mitarbeiter bekommen jetzt auch E-Mails von der Bürgermeisterin.

Haben sich Ihre Prioritäten verschoben, seit Sie Bürgermeisterin sind?

Fürs Einkaufen muss ich mir jetzt zwei Stunden Zeit nehmen, um unterwegs Fragen der Bürger zu beantworten. Das mache ich aber gern. Aber ich war auch in meiner Funktion als Amtsleiterin schon immer sehr daran interessiert, was in anderen Bereichen läuft. Jetzt verschiebt sich das insofern, als dass ich noch mehr Verantwortung trage und auf das große Ganze schaue. Da rücken auch die wirtschaftlichen Gegebenheiten mehr ins Zentrum.

Anfang des Jahres hatte Tornesch ein Haushaltsdefizit von rund 3,5 Millionen Euro. Wie steht es heute um die Finanzen der Stadt?

Wir planen gerade das neue Haushaltsjahr. Uns sind drei Millionen Euro Gewerbesteuer ausgefallen. Die müssen wir kompensieren. Das geht nicht so schnell, und ich fürchte, dass die Zeit des Haushaltsdefizits nicht so schnell beendet werden kann. Wir haben aber bereits erste Schritte eingeleitet und schauen alle nach Einsparpotenzialen. Aber die sind verschwindend gering, und ich möchte die Stadt auch nicht kaputt sparen.

Also müssen die Steuern erhöht werden?

Das will keiner. Die Politik nicht und auch ich nicht. Wir haben aber kaum noch Möglichkeiten, mehr zu sparen. Kommunen, die ihre Aufgaben nicht aus eigener Kraft erfüllen können, können Hilfe vom Land bekommen. Um die zu bekommen, müssen aber erst alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, und bei der Grundsteuer ist noch Luft nach oben. Diese Woche startet unser Arbeitskreis zur Haushaltskonsolidierung, und wir werden sehen, welche Vorschläge dabei rauskommen. Am Ende entscheidet aber immer die Politik.

Sie haben ein monatliches Treffen mit allen vier Fraktionsvorsitzenden der Ratsversammlung neu eingeführt. Was hat es damit auf sich?

Mir ist es besonders wichtig, zielgerichtet zu arbeiten, und diese Art von Informations- und Austauschgremium hilft mir dabei. Ich bringe der Politik die Probleme und schlage bereits Lösungen vor. Da ist hilfreich, wenn alle auf einem Wissenstand sind und schon vor den Ausschüssen Vorberatungen in den Fraktionen vorgenommen werden können. Die tatsächliche Beratung findet natürlich weiterhin in den Ausschüssen statt. Aber es fördert eine gute Zusammenarbeit und hilft dabei, schneller zu Ergebnissen zu kommen.

Wann bekommt das Neubaugebiet Tornesch am See seinen See?

Wenn wir mit der Planung fertig sind und wissen wer dort Investor wird. Es geht voran, aber solange Beratungsbedarf ist und die Politik das nicht abgeschlossen hat, ist auch kein See da.

Und wie geht es weiter mit der Kreisstraße 22?

Es ist ein erster Schritt, dass wir nach 37 Jahren einen Planfeststellungsbeschluss haben. Ich hoffe sehr, dass der Kreis Pinneberg das für die Planung nötige Geld in den Haushalt aufnimmt, um die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten.

Können Sie die Bedenken der Gegner verstehen?

Ich kenne die Argumente. Im Wesentlichen geht es darum, dass das Gutachten eine Entlastung von lediglich 16 Prozent ergeben hat. Ich verstehe das, stelle aber auch fest, dass viele Gegner aus Quartieren kommen, in die der Verkehr umgeleitet werden soll. Die, die jetzt den gesamten Verkehr ertragen, haben ein Recht auf Entlastung. Dass es nicht dabei bleiben kann und wir mehr Maßnahmen zur Verkehrsentlastung brauchen, ist klar. Dazu gehören für mich auch Verbesserungen im Nahverkehr und bei der Fahrradinfrastruktur.

Wie soll der Fahrradverkehr verbessert werden?

Wir haben gemeinsam mit Uetersen Fördergeld beantragt, um eine Veloroute von Uetersen über Tornesch bis ins Gewerbegebiet Oha bauen zu können. Zu dem Konzept gehört auch der Neubau der Fahrradgarage am Bahnhof.

Wann kommt eigentlich das Gewerbegebiet Oha 2?

Die Politik hat sich positiv positioniert. Mir persönlich dauert der Prozess zu lange. Wir versuchen seit einem Jahr, ein Verkehrsgutachten zu bekommen, aber derzeit sind alle Gutachter und Baufirnen komplett ausgelastet. Aber wenn man ein Gewerbegebiet auslobt oder an der Verkehrsführung etwas ändert, muss man Experten zu Wort kommen lassen. Im Falle eines Gerichtsverfahrens werden die Grundlagen der Planung untersucht, und die müssen dann stichhaltig sein.

Wie steht es um die Reaktivierung der Bahnverbindung zwischen Uetersen und Tornesch?

Eine Arbeitsgruppe hat sich damit beschäftigt, wie man die Strecke reaktivieren könnte und ob es Sinn macht, die Schienen wieder herzurichten. Da wurden uns vor Kurzem die Ergebnisse vorgelegt. Jetzt müssen sich die politischen Gremien in Uetersen und Tornesch Gedanken machen, ob es umgesetzt werden soll und, falls ja, wie es finanziert werden soll. Man muss schauen, welche Entlastung man sich davon verspricht. Aber das entscheiden die politischen Vertreter.

Halten Sie die Reaktivierung der Strecke für sinnvoll?

Es kann an manchen Stellen sinnvoll sein, aber dann stellt sich immer noch die Frage, ob es finanzierbar ist. Würde man mit dieser kleinen Bahn auch einen Anschluss nach Hamburg bekommen, wäre es wünschenswert, aber das lässt sich im Moment nicht realisieren.

Ihr Vorgänger hat sich sehr dafür eingesetzt, dass zwischen Hamburg und Elmshorn verkehrende Regionalzüge in Tornesch halten. Setzen Sie dieses Engagement fort?

Ja, und auch für eine Zwei-plus-zwei Regelung. Also für zwei Züge nach Altona und zwei an den Hamburger Hauptbahnhof. Wir brauchen eine bessere Verkehrsverbindung nach Hamburg. Für die Tornescher, aber auch für das Gewerbe vor Ort. Aber ich wäre schon mal froh, wenn die Bahn es hinbekäme, die Züge, die wir schon haben, regelmäßig fahren zu lassen.

Wie steht es um Fusionsgedanken zwischen Uetersen und Tornesch?

Gegenwärtig liegt kein Antrag auch nur einer Fraktion auf erneute Prüfung einer Fusion von Tornesch und Uetersen vor. Ich fühle mich dem Bürgerentscheid verpflichtet, der seinerzeit die Ablehnung einer Fusion zum Ergebnis hatte. Gleichwohl arbeiten wir in vielen Bereichen sehr gut mit Uetersen zusammen und werden das auch weiterhin tun.