Wedel . Wirtschaftsförderung einmal anders: Wedel vergibt Gütesiegel. Unternehmer können sich für Aufnahme im Netzwerk bewerben.
Die Erde erwärmt sich schneller und mit weitreichenderen Folgen als bislang angenommen. Wenn die Weltgemeinschaft nicht radikal gegenlenkt und den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxid bis 2030 um rund 45 Prozent gegenüber 2010 reduziert, wird es kein Zurück mehr geben. Dann müssen sich die Menschen auf steigende Meeresspiegel, deutlich mehr Extremwetter und die damit einhergehenden Folgen einstellen. Zu diesem Ergebnis kam der am Montag veröffentlichte Sonderbericht des Weltklimarates der Vereinten Nationen.
Auch im kleinen schleswig-holsteinischen Wedel hat man davon gehört und davon gelesen. „Wir können hier bestimmt nicht das Weltklima retten“, sagt Bürgermeister Niels Schmidt. „Aber jeder kleine Baustein trägt dazu bei“, ist er sich sicher. Wedels Beitrag: Die Stadt gründet einen exklusiven Klimaclub für lokale Unternehmen.
Das Projekt hat Vorbildcharakter und ist in Schleswig-Holstein wohl einzigartig. „Ich habe von so etwas noch nicht gehört“, sagt Simone Zippel – und Wedels Klimaschutzbeauftragte ist mit ihren Kollegen aus anderen Kommunen gut vernetzt. Daher weiß sie, dass sich viele Stadtverwaltungen schwer tun, die lokale Wirtschaft für solche Projekte zu gewinnen. Ganz anders in Wedel. „Es ist bereichernd und inspirierend, wie viel Power hier in Wedel existiert“, schwärmt Zippel.
Seit einem Jahr bereitet sie in Zusammenarbeit mit ersten Unternehmen den Start des exklusiven Clubs vor. Am Mittwoch war es so weit. Klimafreundliche Unternehmen aus Wedel können sich von sofort an um eine Aufnahme bewerben. Erfüllen sie bestimmte Kriterien, erhalten sie nicht nur die Clubmitgliedschaft samt Netzwerk, sondern auch ein Gütesiegel der Stadt. Zudem können sie sich in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung auf einer eigens geschaffenen Plattform www.wedel.de/klimapartner präsentieren. So werden Imagefilme gedreht und das Unternehmen sowie die jeweiligen Erfahrungen und Klimaprojekte dargestellt.
„Es ist eine Art Markt der Möglichkeiten“, erklärt Wedels Pressesprecher Sven Kamin. Die Unternehmen profitieren von der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, Interessierte erlangen so Informationen, und die Stadt profitiert von den CO2-Einsparungen, wenn anderen den vorbildlichen Unternehmen nacheifern.
Unternehmen heizt mit der Abwärme seiner Rechner
Einer, der sich um eine Clubmitgliedschaft bewirbt und an der Gründung mitwirkte, ist Claus-Dieter Büttner. Der Chef des gleichnamigen Familienbetriebs für Sicherheitstechnik hat 2016 in Wedel eine Niederlassung gebaut. Im Gewerbegebiet Langenkamp entstand das Gebäude, das ohne Heizkörper auskommt. Denn das Unternehmen heizt mit der Abwärme der eigenen Rechner. „Wir haben mit einem Bauträger gearbeitet, der eine Klimaanlage für den Serverraum einbauen wollte und in den Büros eine Heizung“, so Büttner. Oben kühlen und unten wärmen? Das hielt er für Quatsch. Er holte sich Ingenieure ins Boot. Gemeinsam wurde die individuelle Heizlösung gefunden. 1000 Quadradmeter werden nun mit den Rechnern erwärmt.
Büttner würde auch gern eine Photovoltaikanlage auf dem Dach installieren, allerdings hegt er noch Zweifel bei der sicheren Umsetzung. „Aus Erfahrung mit unseren Kunden wissen wir, dass sie Gefahren für die Feuerwehr im Notfall birgt. Da brauche wir erst eine ganz sichere Lösung“, sagt er. „Wahrscheinlich bauen wir uns da auch wieder unsere eigene Lösung.“ Bei den Wedeler Stadtwerken, die sich ebenfalls um die Aufnahme in den Klimaclub bemühen und solche Anlagen verbauen, horchte man angesichts dieser Worte auf, ein gemeinsames Gespräch wurde vereinbart. „Genau darum geht es, um Wissenstransfer und Vernetzung“, so Bürgermeister Schmidt.
Die Idee zum Klimaclub entstand bei der dritten Klimaschutzkonferenz im Rathaus zum Thema „Wedel gestaltet seine Zukunft“. Ende 2017 trafen sich dazu zahlreiche Vertreter der Stadt, unter anderem Unternehmer. Seither wurde der Start des Projekts minuziös von der Stadtverwaltung und Wedeler Unternehmen vorbereitet. Bislang beteiligen sich die Stadtwerke, Bauzentrum Lüchau, Medac, AstraZeneca, Büttner Sicherheitstechnik, Henke Seat sowie Politiker, die sich in diesem Bereich engagieren. „Und wir haben bislang gar keine Werbung gemacht. Es hat sich einfach herumgesprochen“, so Zippel. Sie hofft, dass nun viele dem Beispiel folgen werden.