Quickborn. Integration durch Gemüseanbau: In Quickborn finden auf der Flucht entwurzelte Menschen eine Freizeitbeschäftigung, die sie ausfüllt.

Brauner, fruchtbarer Mutterboden. Darauf sollen Kulturen zusammenwachsen. Und das gleich im mehrfachen Wortsinn. Es geht um pflanzliche Gewächse, aber auch um menschliche. Schauplatz des Ganzen ist ein deutscher Kleingartenverein. In Quickborn, am Engelskamp, hat der ehrenamtliche Flüchtlingsverein jetzt eine Parzelle gepachtet, auf der einheimische und zugewanderte Menschen gemeinsam ackern.

„Das ist der erste interkulturelle Garten dieser Art im Kreis Pinneberg“, sagt der Kleingartenvereins-Vorsitzender Uwe Heyn, der es wissen muss: Er gehört auch dem Kreisvorstand aller 23 Kleingartenvereine an. Und Heyn sagt, seine Mitglieder seien alle begeistert von dem Projekt. „Wir sind ganz gespannt, was sie hier aus dem Garten machen“, sagt der Vorsitzende, der dafür einen förmlichen Vorstandsbeschluss eingeholt hat.

Aghamir aus Afghanistan heißt jetzt Ackermir

Auf Mirija Mullikas, die die Arbeit der etwa 100 ehrenamtlichen Helfer in der Quickborner Flüchtlingshilfe koordiniert, und ihre Schützlinge aus Afghanistan und Syrien wartet nun harte Arbeit in der freien Natur, damit auch wirklich etwas wachsen kann. Als Erstes haben sie Unkraut gejätet, viel Unkraut. Das ist das Vermächtnis des Vorpächters der Parzelle, der sein Stück Land hat völlig verwahrlosen lassen. Die fürs Jäten benötigten Hacken, Schaufeln und Harken haben den Neu-Kleingärtnern die 85 anderen Mitglieder des Vereins aus den Nachbargärten besorgt. „Wir sind hier so freundlich empfangen und willkommen geheißen worden“, sagt Mirija Mullikas, die sich darüber sehr freut, „wir sind mit den Sachen geradezu überschüttet worden.“ Eine Hobbygärtnerin habe sie mit Antipasti versorgt, zubereitet natürlich mit selbst angebautem Gemüse.

Politik entscheidet über Kosten für Betreuer

300 Migranten, von denen die meisten aus Afghanistan und Syrien stammen, leben zurzeit in Quickborn.

Betreut werden sie von hauptamtlichen Mitarbeitern von Caritas und Diakonie. Zusätzlich kümmern sich ehrenamtlichen Helfern um die Flüchtlinge.

Die Kosten für diese Betreuung liegen bei 160.000 Euro im Jahr, von denen die Stadt allerdings 120.000 Euro vom Land zurückerhält.

Die Politik muss entscheiden, ob die Arbeit fortgesetzt wird. Am 4. September tagt dazu der Sozialausschuss. „Wir empfehlen eine Fortsetzung der Arbeit“, sagt Fachbereichsleiter Volker Dentzin. Denn über die Höhe der Ausgaben müsse die Politik entschieden.

Wohnraum finden die Flüchtlinge in 65 Unterkünften, die die Stadt gekauft oder angemietet hat, sagt Dentzin. Darunter seien Immobilien aller Größen – sowohl einzelne Einzimmerwohnungen als auch Mehrfamilienhäuser.

Die Kosten dafür, die nach Auskunft von Bürgermeister Thomas Köppl noch deutlich über denen für die Betreuung liegen, erstattet das Land.

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Nun sollen bald die ersten Pflanzen gesät werden. Aghamir Siyai, der mit seiner fünfköpfigen Familie vor drei Jahren aus Afghanistan nach Quickborn kam, hat schon den ersten Granatapfelbaum gepflanzt. Tomaten, Gurken, Radieschen und noch ein paar Obstbäume sollen folgen, kündigt der kräftige Mann an, der fast allein den maroden Schuppen des Vorgängers auseinandergenommen und entsorgt hat. „Wir nennen ihn schon liebevoll Ackermir“, sagt Mirija Mullikas und schmunzelt über den Afghanen mit dem grünen Daumen und seinen neuen Kleingärtner-Spitznamen. In seinem Heimatland hatte er als Tischler gearbeitet. 400 Arbeitsstunden haben sie alle zusammen bis jetzt in das Projekt investiert. Ein Gewächshaus steht schon. Ein Unterstand und eine Kompost-Toilette sollen jetzt noch angelegt werden.

Auch Reza Salari und Mohammad Reza Hashimi, die mit ihren Familien ebenfalls aus Afghanistan nach Quickborn flüchteten, haben sich dem Projekt sofort angeschlossen. „Ich möchte hier gern Gemüse anbauen und mit meiner Familie die Natur genießen“, sagt der gelernte Elektriker Salari, der ganz stolz darauf ist, jetzt in einem demokratischen Land zu leben. „Hier ist kein Krieg, und meine drei Kinder können zur Schule gehen.“ Parzellen-Mitpächter Hashimi freut sich schon auf die erste Ernte von Tomaten, Gemüse und Melonen, die er anpflanzen will.

Honigmelonen-Samen von der Flucht mitgebracht

Sogar den Samen einer leckeren Honigmelone, den er von seiner Flucht aus dem Iran nach Deutschland mitgebracht hat, hat er dafür aufgehoben. „Gartenarbeit ist Erholung für die Seele“, sagt der Mann, der in seinem Heimatland Maler und Konditor war.

Die Idee für dieses grüne Integrationsprojekt in der freien Natur hatte Maren Treu, die sich bei der Diakonie um die etwa 300 in Quickborn lebenden Flüchtlinge kümmert. „Hier sind die Menschen an der frischen Luft, pflanzen und ernten, produzieren gemeinsam etwas Sinnvolles“, sagt sie. Außerdem biete die etwa 450 Quadratmeter große Parzelle den aus ihrer Heimat vertriebenen und entwurzelten Menschen einen stabilen Ort, der ihnen zwar viel Arbeit, Geduld und Kreativität abverlange, gleichzeitig aber auch Freude, Sicherheit und den Kontakt zur Quickborner Gesellschaft ermögliche, beschreibt Mirija Mullikas den Sinn dieses Multi-Kulti-Gartenprojekts.

Anregungen dafür, wie das in der Praxis funktionieren kann, habe sie sich aus der Nachbarstadt Norderstedt geholt. Das dortige Willkommensteam hat einen ähnlichen interkulturellen Garten ins Leben gerufen, dort allerdings im Stadtpark.

Aber Gartenarbeit ist längst nicht alles in einem deutschen Kleingartenverein, da gibt es nämlich auch noch so ein paar Regeln. In Quickborn müssten sich die neuen Pächter natürlich auch der strengen Gartenordnung unterwerfen, sagt Gartenchef Uwe Heyn und kündigt auch gleich an, in diesem Punkt keine Ausnahme zu dulden. Elf gemeinschaftliche Arbeitsstunden im Jahr für die Pflege der öffentlichen Flächen und Anlagen seien auch für die neuen Nachbarn obligatorisch, erklärt Heyn.

Aber das macht den geflüchteten Gartenliebhabern nichts aus. Sie hoffen, mit dieser „Integration auf Augenhöhe“, wie Mirija Mullikas sie beschreibt, bald neue Freunde zu finden.