Pinneberg . Jedes zweite Kind im Land Schleswig-Holstein kann nicht richtig schwimmen - Auch in Pinneberg fehlt das Personal für Unterricht.

Es ist die dunkle Seite des Super-Sommers: Seit Jahresbeginn sind in Deutschland schon mehr als 300 Menschen beim Baden ums Leben gekommen. Gerade Schleswig-Holstein, zwischen Nord- und Ostsee gelegen, mit seinen vielen Seen und der Elbe, steht mehr als jedes andere Bundesland in einer engen Beziehung zum Wasser. Und doch lernen immer weniger Kinder schwimmen. Das möchte Eka von Kalben so nicht hinnehmen. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag zieht auf ihrer Sommertour durch die Badeanstalten Schleswig-Holsteins und wirbt für mehr Schwimmunterricht an Schulen.

„Jedes zweite Kind in Schleswig-Holstein kann nicht schwimmen“, sagte von Kalben am Donnerstag bei ihrem Besuch im Hallenbad Pinneberg. „Viele erlangen mit Abschluss des vierten Schuljahrs nicht einmal das Seepferdchen-Schwimmabzeichen.“ Und selbst wenn das Abzeichen erreicht würde, sei das längst nicht genug: „Wer lediglich das Seepferdchen hat, kann nicht sicher schwimmen.“ Laut Lehrplan sollen die Kinder bis zur sechsten Klasse mindestes das Jugendschwimmabzeichen Bronze (Freischwimmer) erreichen. Doch davon seien die meisten Schulen weit entfernt.

Die Gründe dafür sieht von Kalben in unterfinanzierten Kommunen, geschlossenen Bädern und einem Fachkräftemangel. Lehrpersonal mit einer Zusatzausbildung zum Schwimmlehrer sei genauso Mangelware wie externe Trainer. „Wir als Land müssen schauen, wo wir Bürokratie abbauen und Geld zur Verfügung stellen können“, sagte von Kalben. Der Schwimmunterricht müsse an allen Schulen angeboten werden und dürfe nicht weiter privatisiert werden, da das zur Ungleichheit beitrage.

Auch in Pinneberg fehlt Schwimmunterricht

Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben besuchte das Pinneberger Hallenbad und monierte, dass zu wenig Kinder schwimmen können 
Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben besuchte das Pinneberger Hallenbad und monierte, dass zu wenig Kinder schwimmen können  © Sebastian Becht | Sebastian Becht

Die Schüler der Helene-Lange Schule in Pinneberg haben keine andere Wahl als Privatstunden. „Wir bieten schon seit 13 Jahren keinen Schwimmunterricht mehr an“, sagt Schulleiterin Andrea Hansen. Nicht das Geld, sondern vor allem die Menschen fehlten. „Nicht jede Lehrkraft kann einfach Schwimmunterricht geben“, sagt Hansen. „Wir haben momentan nur zwei Lehrer mit einer Schwimmlehrbefähigung.“ Das ist nicht genug für die mehr als 400 Schüler. Eine Nichtschwimmergruppe solle nicht größer als acht Schüler sein, und selbst wenn sich externe Fachkräfte für die vielen Gruppen finden ließen, müsste der Schwimmunterricht trotzdem von Lehrern beaufsichtigt werden.

Im Kreis Pinneberg ist die Schule kein Einzelfall. Laut dem Schulamt hat 2017 etwa jede dritte Grundschule im Kreis Pinneberg ihren Schülern keinen Schwimmunterricht angeboten. Die Gründe dafür seien in erster Linie Probleme beim Transport der Schüler, zu wenig Hallenzeiten, zu großer Zeitaufwand, zu wenig ausgebildetes Personal und zu wenig Begleitpersonal. Zurzeit verfügten im Kreis Pinneberg lediglich 190 Lehrkräfte über die entsprechende Ausbildung. Eine aktuelle Anfrage an die Schulen aus dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur soll die Gründe genauer beleuchten. Die Ergebnisse werden aber erst Mitte kommenden Monats vorliegen.

Im Jamaika-Koalitionsvertrag haben sich die Regierenden darauf geeinigt, dass jedes Kind in Schleswig-Holstein schwimmen lernen soll. Die Zielvorgabe des Bildungsministeriums ist klar formuliert: „Jeder Schüler in Schleswig-Holstein soll spätestens am Ende von Jahrgangsstufe sechs mindestens das Schwimmabzeichen in Bronze erworben haben“, heißt es in einem Brief des Ministeriums vom 10. Oktober 2017 an die Schulleiter.

Bronzeabzeichen

Die Schwimmabzeichen werden von den einzelnen Ortsgruppen des DLRG abgenommen.

Das Bronzeabzeichen bekommt, wer vom Beckenrand springt, mindestens 200 Meter in höchstens 15 Minuten schwimmt, taucht, einen Gegenstand aus zwei Meter Tiefe heraufholt und aus einem Meter Höhe ins Wasser springt.

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Davon sind aber nicht nur die Schulen im echten Norden weit entfernt. Rund ein Viertel aller Grundschulen in Deutschland hat keinen Zugang mehr zu einem Schwimmbad. Der Bundeselternrat fordert eine länderübergreifende Initiative für mehr Schwimmunterricht. „Die Politik muss ihre Aufgaben wahrnehmen und für die entsprechenden Rahmenbedingungen sorgen“, sagt der Verbandsvorsitzende Stephan Wassmuth.

Solange das nicht passiert, müssen Eltern selbst die Initiative ergreifen. Doch gerade für Alleinerziehende oder Eltern mit mehreren Kindern kann das ein finanzielles Problem darstellen. „Ein privater Schwimmkursus kostet zwischen 80 und 150 Euro, das können sich viele gar nicht leisten“, sagt Susan Burmester, Vorstandsmitglied des Vereins Pinneberger Kinder, der bereits seit sechs Jahren Gutscheine für Schwimmunterricht an bedürftige Kinder vergibt. „Mehr als 600 Kindern haben wir dadurch schon den Schwimmunterricht ermöglicht.“