Ellerhoop. Landwirtschaftskammer und Baumschulen testen Arten, die dem Klimawandel standhalten. Kommunen investieren wenig in Stadtgrün.
Der Boden ist knochentrocken, bei jedem Schritt knirscht das Gras unter den Schuhen. Hier bleibt Andreas Wrede kurz stehen, mustert den Stamm eines Baumes, dort wirft er einen Blick in die Krone eines anderen. Der promovierte Gartenbauer will wissen, wie es seinen Schützlingen geht. Sie alle sind knapp 20 Jahre alt und hören auf so exotische Namen wie Morgenländische Platane, Perlschnurbaum oder Südlicher Zürgelbaum. 48 verschiedene Arten wachsen auf diesem 5000 Quadratmeter großen Feld in Ellerhoop, auf dem sie vor sieben Jahren gepflanzt worden sind.
„Das ist jetzt mal ein richtig schöner Probesommer“, sagt Wrede, „denn es ist der erste, in dem diese Bäume richtiger Hitze und Trockenheit ausgesetzt sind.“ Einem Wissenschaftler wie ihm kann das nur gefallen. Denn Wrede und seine Mitarbeiter suchen im Gartenbauzentrum der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein nach den Stadtbäumen der Zukunft. Nach solchen Arten, denen der Klimawandel nichts anhaben kann; viele der Exemplare in Ellerhoop sind eigentlich in Asien und Südeuropa heimisch.
Weil dieses abgelegene, von Wrede „Puschelstandort“ genannte Versuchsfeld in Ellerhoop nun so rein gar nichts mit Stadt zu tun hat und dem Stress, dem Bäume dort ausgesetzt sind, ist das Team einen Schritt weiter gegangen. Vor zwei Jahren haben sie 20 Sorten – zusammen 300 Bäume – in Städten pflanzen lassen. Je 100 wachsen seitdem an öffentlichen Orten in Kiel und Lübeck, je 50 in Heide und Husum. Schon zuvor waren 108 Exemplare im Hamburger Bezirk Mitte gesetzt worden.
Erste Ergebnisse könnten im Jahr 2025 vorliegen
Ja, bis jetzt entwickelten sie alle sich ganz gut, sagt Wrede. Er weiß, dass viele auf ein Ergebnis dieser Forschung warten: Verantwortliche in den Kommunen, weil sie wissen wollen, was sie künftig kaufen sollten; Baumschuler, weil sie erfahren möchten, was heranzuziehen sich künftig lohnen mag. Der 55-Jährige muss ihrer aller Erwartungen dämpfen. Mit ersten Ergebnissen rechnet er nicht vor dem Jahr 2025.
Und selbst dann: Sein Team und er arbeiten mit verschiedenen Unbekannten. „Es wird im Mittel wärmer in Deutschland. Die einen sagen, es könnte auch trockener werden, die anderen meinen, es könnte aber auch feuchter werden“, sagt er. „Wir wissen noch nicht, wie sich das Klima ändert. Wir wissen nur, dass es sich ändert.“ Zweitens betrachte er in diesem Projekt nur einige ausgewählte Baumarten. „Das heißt aber nicht, dass sie die einzigen sind, die infrage kommen.“
Hitze macht Baumschulen zu schaffen
Insofern beobachtet er mit Sorge, dass sich die Kommunen in Erwartung von Ergebnissen jetzt mit Investitionen in Stadtgrün zurückhielten. Das sei fatal, denn gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels sei es wichtig, grüne Städte zu haben – auch wegen der aktiven Kühlwirkung der Bäume. Wrede: „Wir suchen ja auch nur eine Ergänzung zum bestehenden Angebot. Auch ein heimischer Baum kann sich dem Angebot an Wasser anpassen. Er macht eben irgendwann die Blätter gelb. Das heißt aber nicht, dass er gleich abstirbt.“ Dass Kommunen, aber auch einzelne Bürger dieser Tage öffentliche Bäume gießen, hält er für sinnvoll: „Es ist zwar nicht lebensnotwendig, aber es steigert die Vitalität der Bäume. Und einen Kühleffekt können sie nur schaffen, indem sie Wasser verdunsten.“
Es liegt auf der Hand, mit Andreas Wrede zurzeit über extrem heiße Sommer zu sprechen. Das ganz große Problem sieht der Wissenschaftler aber in den zunehmend unberechenbaren Wintern. „Wenn ich Weihnachten im Garten grillen kann, dann bauen die Bäume ihre Winterhärte wieder ab. Und dann wird es Ende März plötzlich noch mal bitterkalt.“ Dadurch nehme ein Baum Schaden.
Der Klimawandel beschäftigt auch den Landesverband Schleswig-Holstein im Bund deutscher Baumschulen. „Bislang war unsere Region sehr ausgeglichen. Das war auch der Grund, warum sich hier Baumschulen angesiedelt haben“, sagt Geschäftsführer Frank Schoppa. Er war es, der sich für Fördergeld der EU für das Forschungsprojekt eingesetzt hat. Neun Pinneberger Baumschulen und eine aus Hamburg sind Projektpartner. Doch die Förderperiode ist Ende Juni ausgelaufen. Andreas Wrede weiß noch nicht, wo er das Geld hernehmen soll, um die Arbeit fortzusetzen. „Wir benötigen bestimmt 100.000 Euro im Jahr“, sagt der Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer. Die Suche nach Finanziers gestaltet sich aber offenkundig schwierig. Wrede: „Alle merken, dass wir das Projekt brauchen. Aber keiner ist bereit es zu finanzieren – und das unabhängig von der politischen Farbe.“