Pinneberg. Jetzt hat auch Mike Steingräbers Köpi-Stube in Pinneberg geschlossen. Wirte beklagen Umsatzrückgang und steigende Bierpreise.

Schnell noch auf ein Pils zu Mike. Dazu gibt’s einen Klaren. Das versteht sich. Am urigen Rundtresen der Köpi-Stube sitzen, leidenschaftlich über Pinneberger Kommunalpolitik streiten, den Niedergang des einst so großen HSV analysieren – dieses Vergnügen müssen Stammgäste künftig entbehren. Seit dieser Woche ist eine der letzten echten Pinten im Stadtgebiet geschlossen. Grund: Zoff mit dem Vermieter. Wirt Mike Steingräber streitet sogar vor Gericht mit dem Hamburger Grundstückseigentümer, dem die 150 Quadratmeter große Gaststätte im Quellental gehört. Es geht ums Geld.

Das Abendblatt erreicht Steingräber beim Aufräumen in seiner Kneipe gegenüber den Hochhäusern an der Rethwiese. Am Tag zuvor hat er mit vielen Gästen Abschied gefeiert. Und wer je am frühen Abend die Köpi-Stube ansteuerte, der ahnt, dass dort manch einer fast zum Inventar gehörte. Dort, wo es immer etwas nach Zigarette roch und man sich mit Vornamen kannte. Dort, wo es eine Tradition gab, die Bände spricht: Über den Barhockern besonders treuer Gäste hingen Namensschilder. Jeder Besuch war ein bisschen wie nach Hause zu kommen.

Der Streit mit dem Vermieter schwelt schon lange, wie Steingräber berichtet. Es gehe unter anderem um Heizkosten. Rund 40.000 Euro solle er nachzahlen. Steingräber vermutet, dass letztlich Ziel sei, die Miete für die Gastwirtschaft nachhaltig zu erhöhen. Die sei zuletzt mit rund 1000 Euro kalt noch zu erwirtschaften gewesen. Doch auch im Köpi sind die goldenen Zeiten längst vorbei. „Natürlich sind es in den vergangenen Jahren weniger Gäste geworden“, weiß Steingräber zu berichten. Allein schon, weil Kneipen dieser Art vor allem von älteren Semestern besucht würden. „Aber der Laden lief noch“, betont der Wirt. Er ist ein Urgestein der Gastroszene, führte früher mal den Korken, eine Kneipe am Schenefelder Rathaus.

So werden Sie Wirt

Schankwirtschaften brauchen eine Konzession, um Alkohol ausschenken zu dürfen. Sie soll sicherstellen, dass vom Betrieb keine Gefahr für Sicherheit und Gesundheit der Gäste ausgeht und dass die Umwelt vor Gerüchen und Geräuschen geschützt wird.

Die Konzession gibt’s beim Ordnungsamt. Sie kostet mindestens 300 Euro. Sie ist objekt- und personen- beziehungsweise firmengebunden. Das heißt: Sie ist nicht von einem Wirt auf einen anderen übertragbar und erlischt auch bei Umzug einer Kneipe.

Voraussetzungen: Das Objekt muss für eine Gastronomie geeignet sein. Auch der Wirt selbst muss Vorgaben erfüllen, er darf beispielsweise kein Trinker oder verurteilter Hehler sein. Außerdem muss er bei der IHK einen Unterrichtsfilm angesehen haben.

1/3

Mit Ende 50 ist Mike Steingräber noch nicht müde. Er hat noch Lust, am Zapfhahn zu stehen, will weitermachen. Wenn nicht an der Rethwiese, dann womöglich woanders. „Ich arbeite an Plan B“, sagt der Wirt. Ins Auge gefasst habe er etwa den Astra-Pott in der City. Ebenfalls einst eine Kult-Kneipe, die nur zu gern von Lokalpolitikern nach langen Sitzungen im fußläufig zu erreichenden Rathaus angesteuert wurde. Derzeit steht der einstige Astra-Pott, der weit größer ist als die Köpi-Stube, leer. Ein griechisches Restaurant war 2013 auch von TV-Sternekoch Frank Rosin nicht mehr zu retten gewesen. Auch das Prinzip eines Friesenkrogs mit gutbürgerlicher Küche scheiterte dort.

In der City sind Gastronomieflächen verfügbar

Es wäre nicht der erste Umzug für die Köpi-Stube, die einst nahe dem heutigen Quellental-Kreisverkehr beheimatet war. Laut Wirtschaftsförderer Stefan Krappa gibt es weitere Standortalternativen. „Gerade in der City sind Gastronomieflächen verfügbar“, sagt er. Und hat nicht zuletzt das ehemalige Restaurant Edelweiss im Auge. Wie kürzlich berichtet, werden die Räume, die bis in die 90er-Jahre mit dem Marktgraf schon einmal eine Kult-Kneipe beherbergten, von einem Makler angeboten. Krappa will Kontakt mit Steingräber aufnehmen und Möglichkeiten eines Umzugs erörtern. Mehr könne er nicht tun, da die Stadt ja keine Immobilien vermiete.

Pinneberg hatte einst eine lebendige Kneipenszene. Doch davon kann heute keine Rede mehr sein. Mike Steingräber spricht von Umsatzeinbußen von etwa 30 Prozent in den vergangenen zehn Jahren. Rund 160 Hektoliter Bier waren bei ihm pro Jahr über den Tresen gegangen. In einer gut laufenden Pinte seien es vor 20 Jahren bis zu 500 Hektoliter gewesen. Wirtschaftsförderer Krappa erkennt einen umfassenden kulturellen Wandel, der Folge der Digitalisierung sei. „Die sozialen Interaktionen finden immer weniger in öffentlichen Räumen wie Kneipen und Restaurants statt, sondern viel über das Smartphone, über Messenger und Social Media.“, sagt er. „Meine Beobachtung ist, dass junge Leute, die mit dem Internet groß werden, insgesamt weniger ausgehen, und wenn, dann gezielt, etwa auf Festivals.“ Oder es werde an belebten Ecken gecornert, also draußen im öffentlichen Raum gefeiert. „Wir können die Entwicklungen der Kneipen auch bei den Diskotheken sehen. Viele müssen schließen, gerade die Großdiscos haben es sehr schwer. Wenn die Gäste ausbleiben, können die oftmals hohen Mieten nicht mehr gezahlt werden“, so Krappa.

Rund 250 Schankbetriebe sind beim Hotel-und Gaststättenverband Dehoga in Schleswig-Holstein noch registriert. Dort wird Gastronomen, die zusätzlich unter steigenden Bierpreisen zu leiden haben, empfohlen, sich neue Konzepte zu überlegen. Eventgastronomie könne eine Chance sein. Für Mike Steingräber ist das eher nichts. Er will noch ein paar Jahre mit seinen Stammgästen erleben.