Pinneberg. Zwei Pinneberger Steuerberater weisen dem Finanzamt Willkür bei Festlegung der Abgabe nach – und sparen 1596 Euro im Jahr.

Als Steuerberater kämpfen Marko Bodenstein und Melanie Bochmann für Steuergerechtigkeit – für ihre Mandanten, aber auch in eigener Sache. Vor kurzem haben die Inhaber einer Pinneberger Kanzlei einen Streit mit dem Finanzamt gewonnen – und sparen auf diese Weise jedes Jahr 1596 Euro Grundsteuer. Sie kritisieren die Willkür, mit der das Finanzamt die Berechnung vornimmt – und empfehlen allen, die kürzlich einen solchen Bescheid erhalten haben, unbedingt einen Widerspruch einzulegen.

Die Geschichte beginnt mit einem Großfeuer. In der Nacht zu Neujahr 2016 stand der Dachstuhl der Pinneberger Steuerkanzlei in Flammen. Ein Defekt einer Lampe war schuld. Das Bürogebäude musste abgerissen werden. Ostern 2017 zog das Kanzlei in den Neubau, der an der Rabenstraße an Stelle des abgebrannten Gebäudes entstanden ist. Im Erdgeschoss sowie im ersten Stock des in Modulbauweise errichteten Gebäudes entstanden die Büroräume, im zweiten Stock fünf jeweils etwa 95 Quadratmeter große Mietwohnungen, um die Finanzierung zu sichern

Ende Dezember 2017 verschickt das Finanzamt Pinneberg die Grundsteuerbescheide. Insgesamt sechs Stück – für jede Wohnung einen sowie einen weiteren für die Gewerbefläche. Für jede Einheit hat das Finanzamt den sogenannten Einheitswert berechnet, der später mit dem Hebesatz der Kommune multipliziert den zu zahlenden Grundsteuerbetrag ergibt.

„Die Berechnung der Einheitswerte ist für den Steuerbürger nicht nachvollziehbar. Die Modalitäten, nach denen verfahren wird, sind nirgendwo einsehbar“, kritisiert Bodenstein. Er legte für alle Bescheide fristgerecht Widerspruch ein und forderte das Finanzamt auf, ihm die Berechnungsgrundlage offen zu legen. „Erst hat es ein wenig gedauert, aber dann haben wir die Unterlagen bekommen.“

Verfassungswidrig

Im April hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Vorschrift zur Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer verfassungswidrig ist.

Grund: das Festhalten am Bewertungsstichtag 1. Januar 1964. Der Gesetzgeber muss spätestens bis Ende 2019 eine Neuregelung treffen. Das jetzige System darf noch bis Ende 2024 angewendet werden.

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Es handelte sich um 80 Seiten, angereichert durch diverse Tabellen und viele, viele Zahlen. Unterschieden wird in Ortsklassen und Ausstattungsgruppen. Das Besondere daran: Das Bewertungsgesetz zur Einheitsbewertung von Grundvermögen fußt noch heute auf Werten, die am 1. Januar 1964 festgelegt worden sind.

„Übliche Miete für frei finanzierte Nachkriegsbauten“ steht über der Tabelle, die die Quadratmetermiete in Deutsche Mark (DM) angibt. Und auch die Erläuterungen zu den Ausstattungsgruppen mutet anachronistisch an. So gilt die niedrigste Kategorie für Bauten mit Brunnenwasserversorgung, einem Toilettenhäuschen oder Trockenabort im Garten und einer Ofenheizung.

Mehrere Stunden haben Bodenstein und Bochmann das Zahlenwerk nebst Erläuterungen durchgesehen, bis sie die richtigen Werte für ihre Wohn- und Gewerbeflächen gefunden hatten. Beim Nachrechnen erlebten sie jedoch eine Überraschung. Sowohl für die fünf Wohnungen als auch bei der Bürofläche hatte das Finanzamt auf die Werte von 1964, die die Berechnungsgrundlage bilden sollen, etwas draufgeschlagen. „Bei den Wohnungen ergab sich ein Zuschlag von 21,2 Prozent, bei der Bürofläche sogar von 42,85 Prozent“, erläutert Bochmann.

Auf Nachfrage, wie dieser Aufschlag zustande komme, habe das Finanzamt lediglich mitgeteilt, das dies immer so gemacht wird. Bodenstein: „Warum dies erfolgt und wie genau das gemacht wird, konnte mir keiner darlegen. Damit ist aus meiner Sicht der Willkür Tür und Tor geöffnet.“ Er spricht vom Betrug am Steuerbürger. Auch auf mehrmaliges Nachfassen habe das Finanzamt keine Dienstanweisung vorlegen können. „Eine Verwaltung muss immer kontrollierbar sein. Und natürlich muss eine Gleichmäßigkeit in der Besteuerung gegeben sein“, sagt der Steuerberater.

Bodenstein und Bochmann nahmen das nicht hin und drohten mit Klage. Daraufhin lenkte das Finanzamt ein, nahm alle sechs Bescheide zurück und stellte neue aus, die den Werten von 1964 entsprachen. Auf diese Weise sank etwa der Einheitswert der 602 Quadratmeter Bürofläche, der im ersten Bescheid noch 358.800 DM betragen hatte, auf 244.000 DM. Rechnet man die Einsparungen bei den fünf Wohnungen dazu, müssen die Kanzleiinhaber für das Gesamtgebäude nun 1596 Euro Grundsteuer pro Jahr weniger zahlen. Bochmann: „Das ist auch im Sinne unserer Wohnungsmieter, weil die Grundsteuer in den Mietpreis eingerechnet wird.“

Die Steuerberater haben die Berechnungsgrundlage der Einheitswerte auf ihrer Homepage (www.stb-bodenstein.de) unter der Rubrik News veröffentlicht, damit jeder die Chance hat, seinen persönlichen Bescheid nachzurechnen. Das Finanzamt in Pinneberg wollte sich vorigen Dienstag auf Abendblatt-Anfrage nicht zu dem Fall äußern und verwies an das Finanzministerium in Kiel. Auf schriftliche Anfrage von Mittwochvormittag teilte Ministeriumssprecher Patrick Thiede am Freitag mit, die Antworten dazu frühestens am heutigen Montag liefern zu können.