Bokholt-Hanredder. Der ehemalige Forstdirektor Hans-Albrecht Hewicker gibt sein Ehrenamt nach zehn Jahren auf. Er fordert einen Nachfolger.
Seine Aufgabe als Naturschutzbeauftragter des Kreises Pinneberg ist er seit Ende April los. Mit bald 75 Jahren wollte Hans-Albrecht Hewicker dieses Amt in jüngere Hände geben. Doch für viele Menschen ist der letzte Direktor des 2008 geschlossenen Forstamtes Rantzau in Bullenkuhlen immer noch der erste Ansprechpartner in Sachen Naturschutz. Immer noch klingelt ständig das Telefon, soll er Bürgern bei ihren alltäglichen Problemen mit Natur und Umwelt zu helfen.
„Die Menschen wissen heute nicht mehr, wie sie sich in der Natur verhalten und damit umgehen sollen“, hat Hewicker festgestellt. Oft habe er „unglaubliche Dinge“ zu tun, Streit unter Nachbarn zu schlichten und über Zusammenhänge aufzuklären, die früher allgemein bekannt waren. Wie jüngst wieder, als sich ein Bürger darüber beschwerte, dass ein Hornissennest an seiner Grundstücksgrenze hänge und er nun nicht mehr in Ruhe Kuchen im Freien essen könne.
Der Hinweis, dass es sich um eine geschützte Art handele und der Rat, ein süßes Fruchtsaftgetränk weit weg vom Kuchen als Ablenkung hinzustellen, halfen dem Bürger aus der Not. Eine anderer wollte wissen, wie er den großen Ameisenhaufen, der sich plötzlich in seinem Garten gebildet hatte, wieder wegbekommt. Ihn vermittelte Hewicker an den Ameisenschutzverein, der den Ameisenhaufen vermutlich umgesetzt hat. „Das funktioniert.“
Die Eule im Kamin war eine Herausforderung
Und so gehe es in einem fort. Die zunehmende Unkenntnis der Menschen in Naturfragen mische sich mit dem steigenden Umweltbewusstsein, das die Bürger anhalte, bloß nichts falsch zu machen. Das verstärke ihre Unsicherheit, erklärt Hewicker. Früher hätten sich die Bürger oft wohl selbst geholfen und ohne Rücksicht drauflos gemacht, selbst wenn es dem Natur- und Tierschutz zuwiderlief.
Hilfe-Anrufe erreichen ihn natürlich oft dann, wenn die Behörden nicht zu sprechen sind. Also am Wochenende oder an Feiertagen. Und manchmal auch zu später Stunde. Wie bei dem Malheur einer Familie, die aus dem Urlaub wiederkam und plötzlich ein vom Ruß geschwärztes Tier aus dem Kamin herausfliegen sah, das sich dann im klebrigen Fliegenfänger verfing. Hewicker musste stundenlang telefonisch helfen, indem er riet, mit welchem Spülmittel die arme Eule von dem klebrigen Zeug zu befreien sei, ohne das Gefieder des Vogels anzugreifen. Nachts um eins gab es dann die erlösende Rückmeldung, die Eule rufe wieder quietschfidel und sei endlich nach draußen geflogen.
Offensichtlich sei dieses Amt den Menschen wichtig, betont Hewicker. Darum habe er Landrat Oliver Stolz auch bei seiner Verabschiedung „dringend geraten“, wieder einen Naturschutzbeauftragten zu bestellen. Er empfehle ihm auch, den 2013 abgeschafften Naturschutzbeirat wieder einzusetzen.
Sehr wenig Wald
Hewicker, der 30 Jahre lang Forstamtsdirektor war, zuständig für 9800 Hektar Wald, nimmt seinen Einsatz für Natur und Umwelt mit ganzer Leidenschaft wahr. Da eckte er auch so manches Mal an und sorgte für Widerspruch. So wie 1984, als er dem Kreisbauernverband im Gasthof Sibirien klarzumachen versuchte, dass Landwirte bald nicht mehr ihre Gülle in hohem Bogen über die Felder versprühen dürften, weil das Luft und Wälder verschmutzen würde. Das wollten die Landwirte damals nicht hören. Dabei seien seine damaligen Vorschläge, die Gülle mit Schleppschläuchen und Schlitzen direkt in den Boden zu leiten, heute gang und gäbe in der Landwirtschaft.
Nicht richtig durchsetzen konnte sich sein Vorschlag, wie im Nachbarkreis Segeberg an vielen Stellen auch im Kreis Pinneberg Tummelplätze für Hunde zu schaffen. Nur in Kummerfeld gebe es jetzt einen solchen bewaldeten Spielplatz für die Vierbeiner, wo sie weder kleine Kinder noch Jogger oder Radfahrer störten. Doch das Verständnis dafür fehle hier oft noch. Wie in Klein Nordende, wo sie einen Wald abroden wollten, um eine Hundewiese zu schaffen, die auch noch mit Spielgeräten, Strom und Wasserversorgung ausgestattet werden sollte. Dabei sei ein Waldboden dafür viel besser geeignet, wundert sich Hewicker über die Überregulierungsideen.
Dem hiesigen Rehwild nutzte seine Kampagne, die er auch als langjähriger Vorsitzender der Kreisjägerschaft initiierte. So sind fast alle Straßen, wo Wildwechsel vorkommt, mit blauen Reflektoren ausgerüstet. Diese warnen die Tiere nachts und in der Dämmerung vor den herannahenden Autoscheinwerfern und retten so oft ihr Leben. Um ein Drittel seien Verkehrsunfälle mit Rehwild hier seitdem zurückgegangen. Doch statt dass die Straßenbaubehörden jetzt etwa Leitpfähle mit eingebauten blauen Reflektoren herstellen ließen und sie da aufstellten, wo es notwendig sei, müssten die Jäger jedes Jahr wieder aufs Neue auf eigene Kosten die Leitpfosten mit den blauen Blinkern ausrüsten. „Dabei wäre es Aufgabe der Straßenbauämter, weil es der Verkehrssicherheit aller nutzt“, ärgert sich Hewicker über die Sturheit.
Immerhin habe sich der Zustand der Wälder verbessert, weil sich durch den Einbau der Katalysatoren in die Autos und durch Luftfilter in Industrieschornsteinen der Ausstoß des Schwefeldioxids um 90 Prozent gesenkt hat. Jetzt bedrohe Stickoxid (NOX) unsere Wälder, deren Böden immer saurer würden, warnt der Experte. Erste Auswirkungen zeigten sich in den letzten Herbststürmen, die ganze Eichen entwurzelten, was früher unmöglich war, so Hewicker. Auch der Klimawandel führe zu immer mehr Wetterkapriolen, die langfristig Buche und Fichte bedrohten. „Das wird dem Wald als langlebigem Organismus zu schaffen machen.“