Bokholt-Hanredder. Der Kreisnaturschutzbeauftragte Hans-Albrecht Hewicker über die Rückkehr der Tiere in den Kreis Pinneberg und was jetzt zu tun ist.
Es ist früher Abend, als sich der Kreisnaturschutzbeauftragte Hans-Albrecht Hewicker noch einmal in den Wald aufmacht. Ein toter Hirsch ist gefunden worden, und es stellt sich die Frage: Fiel das Tier einem Wolf zum Opfer? Seit es einem Jäger in Bokholt-Hanredder gelungen ist, Fotos von einem Wolf zu machen und damit zu belegen, dass die Tiere zurück im Kreis Pinneberg sind, muss Hewicker mehr denn je in Betracht ziehen, dass tote Tiere in der Region Opfer von Wölfen geworden sein könnten – und bei den Menschen Aufklärungsarbeit leisten.
Herr Hewicker, war es tatsächlich ein Wolf, der für den Tod des Hirschs verantwortlich war?
Hans-Albrecht Hewicker: Nein, ich vermute, dass er in Folge eines Autounfalls verendet ist. Wenn ein Tier aber schon länger im Wald liegt, lässt sich das nicht immer eindeutig sagen.
Inwieweit wäre es ein Problem, wenn der Wolf tatsächlich Tiere reißt?
Solange es Wildtiere sind, ist das Teil seiner natürlichen Funktion. In dem Moment, in dem Haustiere betroffen sind, entsteht ein Problem. Schließlich hatten wir, seit der Wolf bei uns ausgerottet war, hier kein Tier mehr, das Schafe, Kälber oder Fohlen reißen kann außer wildernden Hunden. Die Gesellschaft muss sich erst mal darauf einstellen, und wir müssen dafür sorgen, dass die Rückkehr des Wolfs auch für Tierhalter handhabbar gemacht wird, zum Beispiel durch Fördermittel.
Wie oft kommt es vor, dass Haustiere zum Opfer von Wölfen werden?
Bislang haben wir insgesamt wenige Haustierrisse hier im Norden. Es gab aber auch schon dramatische Fälle, bei denen 50 Schafe gerissen wurden. Das geht dann an die Existenz des Landwirts.
Wo hält sich der in Bokholt-Hanredder fotografierte Wolf jetzt vermutlich auf?
Das kann man nicht sagen. Ein Wolf kann pro Tag mehr als 70 Kilometer zurücklegen. Das Tier kann demnach jetzt schon ganz woanders sein. Es macht also keinen Sinn, nach Bokholt-Hanredder zu fahren und zu hoffen, dass man den Wolf ebenfalls zu Gesicht bekommt. Solange wir hier bei uns keine stationären, also dauerhaft in der Region lebenden Wölfe haben, ist die Chance, einen zu sehen oder gar vor die Kamera zu bekommen, äußerst gering. Ein solcher Fotobeweis, wie wir ihn jetzt haben, ist daher ein absoluter Glücksfall
Rechnen Sie dennoch damit, dass sich jetzt mehr Menschen als bisher melden, die davon überzeugt sind, einen Wolf gesehen zu haben?
Ich erwarte, dass sich mehr Menschen melden werden, die sich bislang nicht getraut haben, weil sie geglaubt haben, man würde ihnen ihre Beobachtung nicht abnehmen und sie für Wichtigtuer halten. Wichtig ist für uns, dass sich die Menschen sofort melden, wenn sie etwas gesehen oder festgestellt haben und nicht erst drei Tage später. Ansonsten wird es schwierig, etwas zu finden, das beweist, dass es tatsächlich ein Wolf war.
Woran lag es, dass im Kreis Pinneberg in der Vergangenheit immer wieder von angeblichen Wolfssichtungen die Rede war, aber nie ein Beweis dafür erbracht werden konnte?
Es ist richtig, dass wir bereits seit dem Jahr 2012 davon ausgegangen sind, dass ein Wolf regelmäßig bei uns zu Besuch ist. Reine Beobachtungen gelten als Hinweis, der auch dokumentiert wird, aber eben nicht als Nachweis. Dieser kann in mehreren Formen erbracht werden. Häufig ist zum Beispiel die Variante, dass ein gerissenes Tier gefunden wird und man auf diesem DNA des Wolfs sicherstellen kann. Das ergibt dann eine hundertprozentige Bestätigung. Dass uns dies nicht gelungen ist, hängt auch mit Zeitverzügen von Meldungen und Witterungsbedingungen zusammen. Auch Exkremente und andere Spuren sind schnell vergänglich, und deshalb ist es dann schade, wenn Menschen sich erst drei Tage danach melden, wenn sie einen Wolf gesehen oder sonstige Auffälligkeiten festgestellt haben.
Inwieweit war es frustrierend für Sie, nie den Beweis der Rückkehr in die Region erbringen zu können?
Man macht sich viel Arbeit und erhält immer wieder die Nachricht, dass nichts dabei herausgekommen ist. Das ist dann schade und ärgerlich. Wir waren uns aber relativ sicher, dass der Wolf tatsächlich zurück ist. Auffällig war, dass sich die Meldungen immer in einem bestimmten Zeitraum häuften, nämlich zwischen Anfang Juli und Ende September. Das ist die Zeit, wenn der Mais hoch auf den Feldern steht und der Wolf dort relativ ungestört laufen kann. In unserer waldarmen Gegend hat er ansonsten nicht so viele Rückzugsmöglichkeiten.
Sie sagen, dass es sehr unwahrscheinlich ist, als Mensch auf einen Wolf zu treffen. Was raten Sie für den Fall der Fälle?
Wenn Sie die Chance haben, einen Wolf zu sehen oder gar ein Foto zu machen, sollten Sie sich freuen. Der Normalfall ist nämlich, dass der Wolf flüchtet. Er bemerkt Sie schließlich viel früher als Sie ihn. Wenn er nicht flüchten sollte, ist das eine unklare Situation, die in der Regel auf die Neugierde der Tiere zurückzuführen ist. Man sollte sich dann deutlich als Mensch zu erkennen geben, sich groß und auch stimmlich laut und deutlich bemerkbar machen. Auf keinen Fall sollte man weglaufen oder auf das Tier zugehen. Das facht den Verfolgungstrieb beziehungsweise die Neugier an. Man muss wissen, dass es in der jüngeren Vergangenheit keinerlei Angriffe von Wölfen auf Menschen gegeben hat, auch wenn es schon mal zu Nahbegegnungen gekommen ist. Das Risiko ist aber vergleichsweise sehr gering.