Bokholt-Hanredder. Ein Jäger konnte das Raubtier vom Hochsitz aus beobachten. Anfang des 20. Jahrhunderts verschwand der Wolf aus der Region.
Hinweise gibt immer wieder. Doch bislang reichten die für einen bestätigten Wolfsnachweis im Kreis Pinneberg nicht aus. Das ist nun anders: In Bokholt-Hanredder konnte ein Jäger von einem Hochsitz aus ein Exemplar der seit Anfang des 20. Jahrhunderts als aus der Region verschwunden geltenden Tiere beobachten. Die Fotos des Mannes landeten beim Wolfsinformationszentrum Schleswig-Holstein, das sie als Beweis anerkennt: Der Wolf ist zurück im Kreis Pinneberg. Zumindest als Besucher.
Jens Matzen, den Wolfsbeauftragten des Landes, überrascht das nicht: „Damit war zu rechnen, es wird immer wieder Sichtungen geben – im ganzen Land.“ Der Jäger habe großes Glück gehabt. Der Wind habe wohl günstig für ihn gestanden. Anders sei nicht zu erklären, dass der Wolf nicht sofort die Flucht angetreten habe.
Das bei Bokholt-Hanredder beobachtete Tier sei bislang nicht auffällig geworden. Von gerissenen Nutztieren etwa sei nichts bekannt. Auszuschließen sei jedoch auch dergleichen nicht: „Wir hatten im Mai einen solchen Fall bei St. Peter-Ording“, so Matzen.
Verantwortlich in der Region ist Hans-Albrecht Hewicker, der ehrenamtliche Naturschutzbeauftragte und Wolfsbetreuer des Kreises Pinneberg. Er wird seit Jahren gerufen, wenn Hinweise auf einen Wolf eingehen. In diesem Fall hatte er es nicht sehr weit – denn der pensionierte Forstdirektor wohnt selbst im nordöstlich der Stadt Elmshorn gelegenen Bokholt-Hanredder. Laut Mitteilung des zuständigen Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume ereignete sich die Sichtung bereits am Sonnabend, 23. Juli. Sie soll in einem Jagdgebiet in der Nähe der A 23 erfolgt sein. Das Tier sei aus einem hochgewachsenen Maisfeld gekommen und habe dann längere Zeit auf einer Grünfläche verweilt. Angeblich konnte der Jäger das Objekt mehr als eine Stunde lang beobachten. Der Mann erwies sich als plietsch: Er nahm die Nachweisfotos mit seinem Handy auf – und zwar durch das Okular seines Fernglases.
Vergangenes Wochenende gelangte der Vorgang schließlich an die Mitarbeiter des schleswig-holsteinischen Wolfsmanagements, die die angebliche Sichtung im Rahmen des landesweiten Wolfsmonitorings aufnahmen. Die Fotos gingen dann an Norman Stier, Professor für Forstzoologie an der Technischen Universität Dresden. Er ist der Wolfsexperte in Mecklenburg-Vorpommern und hat diese Aufgabe seit kurzem auch in Schleswig-Holstein übernommen. Stier schaute sich die Bilder genau an und bestätigte dann, dass das gesichtete Tier zweifellos ein Wolf sei. Es handelt sich damit um die 29. gesicherte Wolfsbeobachtung in Schleswig-Holstein seit dem ersten Wiederauftauchen der Gattung im Jahr 2007 in Süsel im Kreis Ostholstein.
Landesamts-Sprecher Martin Schmidt weist jedoch darauf hin, dass es „weiterhin keinen Nachweis eines dauerhaft in Schleswig-Holstein vorkommenden Wolfs gibt“. Es handele sich vielmehr um Tiere, die sich nur kurze Zeit hier aufhalten – wahrscheinlich auf der Suche nach geeigneten
Lebensräumen oder einem Partner. Für einen solchen Nachweis müsste sich ein Tier dieser Gattung mindestens über einen Zeitraum von sechs Monaten im Land aufhalten – dokumentiert durch bestätigte Sichtungen. Laut der Analyse des Landesamtes wird Schleswig-Holstein lediglich für einen kurzen Zeitraum besucht und durchwandert. 70 Kilometer kann ein Wolf pro Tag zurücklegen.
Bereits Ende 2012/Anfang 2013 hatten mehrere Meldungen über getötete Rehe den Verdacht erweckt, dass ein Ende 2012 im Kreis Segeberg nachgewiesenes Tier den Nordosten des Kreises Pinneberg zu seinem Revier gemacht haben könnte. Damals gelang der Nachweis jedoch nicht. Weiterhin gilt: Das Land bezahlt Präventionsmaßnahmen, etwa verstärkte Zäune, außerdem gibt es eine Entschädigungsordnung für Schafhalter. Sollte der verursachte Schaden höher sein
als 7500 Euro, greift ein 2010 ins Leben gerufener Wolfsgarantiefonds.
Was sollen Menschen tun, wenn sich ihnen ein Wolf nähert? Jedenfalls nicht panisch weglaufen, sondern stehen bleiben und das Tier ansprechen. Experten empfehlen lautes Sprechen, Armbewegungen und Klatschen, um das Tier zu vertreiben. Sollte das nicht gelingen, sollten sich die Menschen langsam entfernen. Von gesunden Wölfen geht in der Regel keine Gefahr aus, sie reagieren auf Menschen mit äußerster Vorsicht.