Wedel. Neuer Chef der Wedeler Stadtentwässerung, Christopher Seydewitz, beschäftigte sich im Studium mit den Folgen des Klimawandels.

„Wir bekommen zwar nicht mehr Regenwasser pro Jahr als früher“, sagt Christopher Seydewitz, „aber es gibt immer mehr Starkregenereignisse, und dann fällt mehr Wasser auf einmal.“ Der neue Werkleiter der Stadtentwässerung Wedel ist der richtige Mann, um den städtischen Betrieb fit zu machen, damit die Auswirkungen des Klimawandels beherrschbar bleiben. „Wir sind in Wedel gut aufgestellt“, kann der Bauingenieur deswegen von sich und seinen 16 Mitarbeitern behaupten. Am 1. April hat Seydewitz die Stelle von Uwe Harms übernommen, der nach mehr als 20 Jahren an der Spitze der Stadtentwässerung in den Ruhestand gegangen ist. Zuvor war er Technischer Leiter, damit für den Ausbau und den Erhalt bestehender Netze verantwortlich.

Mit dem Klimawandels im Studium beschäftigt

Bereits während des Studiums hat sich der heute 47-Jährigen mit dem Klimawandel und den Auswirkungen auf die Abwasserentsorgung beschäftigt. So erarbeitete er im Jahr 2000 während eines Projekts für seine Diplomarbeit an der Fachhochschule in Hamburg ein Computermodell, mit dem die Auswirkungen größerer Regenmengen simuliert werden konnten. Auf dem Bildschirm ließ sich ein Punkt in dem Kanalisationsnetz anklicken, um zu sehen, was eine größere Regenmenge anrichten kann.

Mit dem Hochschulabschluss in der Tasche bewarb er sich ein Jahr später bei dem Wedeler Kommunalbetrieb. Dort konnte Seydewitz gleich das in der Theorie Erarbeitete in der Praxis anwenden. 2002 sorgten sintflutartige Regenfälle an der Elbe für Überflutungen. Im Juli standen in der Haseldorfer Marsch die Obstbäume und -sträucher im Wasser. Die Plantagen nahmen erheblichen Schaden.

Wedel war ebenfalls betroffen. „Ein Hotspot“, so Seydewitz, befand sich in der Schauenburgerstraße vor dem Reepschlägerhaus. Auf dem tiefsten Punkt in diesem Bereich Wedels lief das Regenwasser aus drei Straßen zusammen. Die Stadtentwässerung baute „einen Bypass“, so Seydewitz, zu einer Hauptleitung in der unmittelbaren Nähe. Durch diese Entlastung sollten zukünftig Überschwemmungen verhindert werden. Der zweite Hotspot befand sich an der Feldstraße im Bereich des Nahkauf-Marktes. „Auf den Bus wartende Menschen haben sich auf die Sitze des Wartehäuschens gestellt, damit sie nicht mit den Füßen im Wasser stehen mussten“, berichtet er heute. Ins Blickfeld des Starkregenexperten geriet damals ein Bolzplatz an der Straße Galgenberg. Der sollte natürlich erhalten bleiben. Der Bolzplatz wurde abgetragen, ein Loch gegraben und dort hinein ein Art Regenrückhaltebecken aus Kunststoffelementen gebaut. Das Fußballfeld wurde wieder hergestellt, und unter den Füßen der Nachwuchs-Kicker kann sich jetzt der Regen sammeln.

Christopher Seydewitz ist neuer Leiter der Stadtentwässerung Wedel und Experte in Sachen Klimaanpassung des Kanalsystems
Christopher Seydewitz ist neuer Leiter der Stadtentwässerung Wedel und Experte in Sachen Klimaanpassung des Kanalsystems © HA | Thomas Pöhlsen

Bei der Analyse möglicher neuralgischer Punkte nutzt der Entsorgungschef eine breite Datenlage. Er ist nicht nur auf Informationen der Bürger angewiesen, wobei Fotos der überfluteten Gebiet besonders hilfreich sind. Mithilfe von Einsatzberichten der Feuerwehr kann er klären, ob es in bestimmten Bereichen bereits mehrfach Überschwemmungen gegeben hat. Der Fachmann sichtet zudem die Ergebnisse von Kamerabefahrungen und Spülungen. Ursachen für Überschwemmungen könnten auch Schäden oder Verstopfungen im System sein.

Verbesserungen im bestehenden 190 Kilometer langen Kanalsystem – ungefähr jeweils die Hälfte entfällt auf das Abwasser- sowie das Regenwassersystem – sind nur ein Teil von Seydewitz’ Arbeit gegen die Folgen des Klimawandels. Wenn die wachsende Stadt neue Bebauungsgebiete ausweist, ist auch immer sein Wissen gefragt. Grünflächen soll nicht nur Erholungswert haben. Bei Wolkenbrüchen dienen sie auch als Regenrückhaltebecken.

Seydewitz gibt sein Wissen in Seminaren weiter

„Ziel ist es, den Starkregen möglichst lange vor Ort zu belassen und dann kontrolliert abzuleiten“, sagt Seydewitz. Er sorgt nicht nur dafür, dass solche Flächen ausgewiesen werden, sondern auch dafür, dass das an der richtigen Stelle geschieht, in der Regel am tiefsten Punkt eines Neubaugebietes. „Wenn so etwas nicht bei der Planung berücksichtigt wird, ist der Zug abgefahren“, sagt er. Um den Belangen des Regenwasserschutzes ausreichend Gehör zu verschaffen, sitzt der Experte in der Regel einmal in der Woche im Rathaus mit den Bau- und Planungsexperten zusammen. „Die enge Abstimmung ist nicht in allen Städten so“, sagt Seydewitz.

Das Wissen des Wedeler Experten ist übrigens begehrt. Seydewitz leitet Workshops und Seminare an der Verwaltungsakademie in Bordesholm sowie am Bildungszentrum für die Ver- und Entsorgungswirtschaft (BEW) in Essen. Verwaltungsmitarbeiter wollen sich fit machen lassen, wie sie der neuen Herausforderung begegnen können. Die Nachfrage nach seinen Fortbildungsveranstaltungen ist jedoch stark schwankend. Nach großen Starkregenereignissen steigt sie deutlich an, um anschließend langsam abzufallen.

Aber nicht bei allen sintflutartigen Regenfällen, etwa wie am vergangenen Christi Himmelfahrt in Quickborn, dem östlichen Hamburg und dem Kreis Stormarn, können die Wedeler Bürger geschützt werden. „Wir haben sehr viel getan, doch Überschwemmung sind niemals mit jeder Wahrscheinlichkeit auszuschießen“, sagt Seydewitz. „Statistisch alle 20 Jahre kommen solche Ereignisse vor.“