Kreis Pinneberg. Teilweise finden sich sogar Handys und Laptops in der braunen Tonne: Die Abfallentsorger halten jetzt mit einer Kampagne dagegen.

Plastiktüten. Getränkedosen. Handys, ja sogar Laptop-Computer: Dieser Haufen, den Manuel Vollmer, Mitarbeiter der Gesellschaft für Abfallbehandlung (GAB), seinen Gästen präsentiert, ist: Biomüll. Das Bild sorgt nur für Kopfschütteln bei den Betrachtern, viele von ihnen sind Kreistagsabgeordnete. Für die Umwelt ist so etwas eine Katastrophe. Aber damit soll jetzt Schluss sein. Es ist Freitagvormittag in Tornesch, da bei der GAB der Startschuss für eine große Kampagne fällt, an der sich 23 kommunale Abfallentsorgungsunternehmen aus ganz Norddeutschland beteiligen.

Die Initiatoren fordern die Bürger dazu auf, kein Plastik mehr in den Bioabfall zu werfen. Die Idee dazu kommt von der GAB, an der der Kreis Pinneberg und der große Entsorgungskonzern Remondis jeweils zur Hälfte beteiligt sind.

Initiatoren bezahlen rund 200.000 Euro

Plastiktüten, Getränkedosen, Handys und Laptops passen ins Bild: „So ist unser Bioabfall wirklich für die Tonne“, lautet ein Kernsatz der Kampagne mit dem Namen #wirfuerbio, in die die GAB und ihre 22 Mitstreiter rund 200.000 Euro investieren. Unter anderem in Werbespots und in den Internet-Netzwerken wirbt die Branche bis Ende des Jahres für einen 100-prozentig reinen Bioabfall, der organisch abbaubar ist und über eine Fermentierungs- und Rotte-Anlage in Biogas- und -strom und hochwertigen Humusdünger umgewandelt werden kann. Denn der zurzeit beigemengte Plastikmüll macht diesem an sich rein biologischen Energiekreislauf einen gehörigen Strich durch die Rechnung.

Die Biomüll-Tonnen der Bürger sind zurzeit voll mit Plastikmüll
Die Biomüll-Tonnen der Bürger sind zurzeit voll mit Plastikmüll © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

GAB-Chef Jens Ohde erläutert das Problem: Wenn die Kunststoffbestandteile erst einmal in Mikroplastik zerfallen sind, können sie nicht mehr aus dem Rohkompost herausgetrennt werden, sondern landen auf Äckern; die Landwirtschaft ist Hauptabnehmer der jährlich etwa 15.000 Tonnen Biokompost, die allein die GAB-Rotteanlage produziert. Regen spült die Mikroplastikfasern zudem ins Grundwasser und verschmutzt das wichtigste Lebensmittel, das Trinkwasser. Zudem verhindert beigemengter Plastikmüll, dass der Bioabfall energetisch genutzt werden kann, weil Plastik bei der Erhitzung in der Vergärungsstufe schmilzt und die Biogas- und -stromanlage zerstören würden.

40.000 Tonnen Biomüll jährlich aus dem Kreisgebiet

Die Abfallmenge, die über die Biotonnen seit 25 Jahren die Kompostierungsanlage der GAB in Tornesch-Ahrenlohe erreicht, ist groß. Mit jährlich rund 40.000 Tonnen stellt sie mehr als ein Drittel des gesamten Hausmülls im Kreis Pinneberg dar, sagt Landrat Oliver Stolz und fordert: „Unser Biomüll muss ab sofort umweltfreundlicher werden.“

Umweltminister Robert Habeck (Grüne) lässt zum Kampagnenstart ausrichten: „Plastik und andere Störstoffe mindern die Qualität des Biomülls und sind schädlich für die Natur.“ Und: „Damit wir den Rohstoff Biomüll optimal nutzen können, muss darüber informiert werden.“

Das soll jetzt mithilfe der Werbekampagne erreicht werden. Mit Ausnahme von Kiel, Neumünster und Rendsburg-Eckernförde haben sich alle Abfallentsorgungsbetriebe in Schleswig-Holstein der Kampagne angeschlossen. Sogar Unternehmen aus Rostock, Göttingen, Vechta und Meppen machen im Kampf gegen den Plastikmüll mit.

Strom für 1200 Haushalte aus Biomüll

Die Vergärung des Bioabfalls ermöglicht der Gesellschaft für Abfallbehandlung (GAB) jetzt, aus dem organischen Rohstoff Energie zu gewinnen. So wird der feinere Teil der 40.000 Tonnen auf 55 Grad erhitzt und in einem 25-tägigen Prozess fermentiert.

Dabei entstehen Wärme und Gase, die zwei Blockheizkraftwerke antreiben, die 4900 Megawattstunden Strom im Jahr erzeugen. Damit ließe sich der Strombedarf für 1200 Haushalte abdecken, führt GAB-Chef Jens Ohde aus. Einnahme: 500.000 Euro.

Auch die erzeugte Wärme verpuffe bald nicht mehr. So zeige sich der Pharmakonzern Medac, der sich nebenan im Tornescher Businesspark vergrößern wolle, sehr interessiert daran, diese Wärme für seine Produktionsanlagen nutzen zu wollen.

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Wie sehr der die Umwelt und die Nahrungskette zerstört, zeige gerade das aktuelle Beispiel der mit jeder Menge Mikroplastik verseuchten Schlei, sagt Umweltstaatssekretär Tobias Goldschmidt. Selbst sein drei Jahre alter Sohn habe schon begriffen, dass Plastik nichts im Bioabfall verloren hat. „Das Wissen ist also da. Es fehlt nur noch das Bewusstsein.“ Darum sei die Kampagne gut, um die Bürger darüber aufzuklären, wie wichtig es für sie und die Umwelt sei, darauf zu achten, dass nur abbaubare, organische Stoffe im Bioabfall landen.

Zum Kampagnenstart haben GAB-Chef Ohde und Staatssekretär Goldschmidt gleich noch eine neue Vergärungsanlage für Bioabfall am Standort Ahrenlohe in Betrieb genommen, in die zehn Millionen Euro investiert worden sind. Mit ihrer Hilfe sollen Biogas und -strom erzeugt und soll der Kompost qualitativ noch hochwertiger gemacht werden.