Pinneberg. Parkstadt-Bebauungsplan unwirksam: Anwalt fordert sofortige Schließung des ausgebauten Eggerstedter Wegs in Pinneberg.

Berge von Akten. Unzählige Telefonate. Ein streitbarer Anwalt. Das sind Zutaten einer juristischen Auseinandersetzung, die Pinneberg erschüttert. Im Ring stehen eine Bürgerinitiative und die Stadt. Zankapfel ist eine kleine Straße, die Anwohnern der beschaulichen Vogelsiedlung mehr Autos und Lastwagen vor den Gärten beschert. Nachdem das Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan 115 für die gesamte Parkstadt Eggerstedt für unwirksam erklärt und Revision ausgeschlossen hat (wir berichteten), wird nun die nächste Runde eingeläutet.

Denn für Anwalt Wilhelm Mecklenburg ist der Richterspruch Grund genug, die sofortige Sperrung der bereits gebauten Straße zu verlangen. Die werde er zur Not auch durchsetzen lassen, wenn die Stadt nicht einlenke. Die Bürgerinitiative Bieneh, in deren Auftrag er arbeitet, schaltet ebenfalls in den Kampfmodus.

Ortstermin im gelben Haus am Hätschenkamp. Hier lebt Wilhelm Mecklenburg, hier hat er seine Kanzlei. Gerechnet hat mit dem unmissverständlichen Urteil des OVG auch in diesen Räumen wohl kaum jemand. Schließlich waren zwei Eilverfahren, mit denen der Ausbau des Eggerstedter Wegs verhindert werden sollte, gescheitert. Die neue Straße ist schon seit Dezember freigegeben. „Die ganze Planung war inkonsistent, das ist durch das Urteil belegt“, sagt Mecklenburg. Die Stadt solle mal ihre Gutachter fragen, wie die zu ihren Zahlen gekommen seien.

Meike Hase und Wilhelm Mecklenburg arbeiten seit Jahren zusammen, wenn es um die neue Kasernenstraße geht
Meike Hase und Wilhelm Mecklenburg arbeiten seit Jahren zusammen, wenn es um die neue Kasernenstraße geht © HA | Andreas Daebeler

Das Gerichtsverfahren war von einem von der Bürgerinitiative unterstützten Anwohner des Drosselweges geführt worden. Der hatte geltend gemacht, dass die für den ausgebauten Eggerstedter Weg angesetzten Verkehrszahlen von etwa 1000 Fahrzeugen pro Tag völlig unplausibel seien. Auf der Achse vom Thesdorfer Weg zur LSE seien zuletzt 2012 etwa 9000 Fahrzeuge pro Tag prognostiziert worden, so Mecklenburg. Die Stadt habe den Richtern nicht ansatzweise erklären können, wie es zu diesem Absturz der Verkehrszahlen kommen solle. Unplausibel sei insbesondere, dass Effekte der inzwischen fast fertig gestellten Westumgehung nicht einberechnet worden seien.

Dass Bauamtschef Klaus Stieghorst sich in einer Mitteilung an die Politik schmallippig gab und auf das schriftliche Urteil verwies („Die Gründe werden erst in den nächsten Wochen vorliegen“), lässt Mecklenburg den Kopf schütteln. „Das Urteil wurde während der Verhandlung sehr ausführlich begründet, inklusive Diagrammen und Projektionen“, sagt er. „Die Lärmbelästigung wurde falsch prognostiziert, die Verkehrsbelastung um mindestens den Faktor vier unterschätzt“ Der zu erwartende Lkw-Verkehr etwa sei massiv runtergerechnet worden. Für Mecklenburg steht zudem fest, dass die Stadt Pinneberg das Verfahren verschleppt habe. „Wir haben eine schriftliche Stellungnahme fünfmal anmahnen müssen“, erinnert sich der Rechtsanwalt. „An uns lag es nicht, unsere Argumente lagen 2015 auf dem Tisch.“

Sie habe mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts ein Stück ihres Glaubens an Recht und Gesetz zurück gewonnen, sagt Meike Hase. Die einstige Bürgermeisterkandidatin ist Sprecherin der Bürgerinitiative Bieneh, die seit 13 Jahren für den Erhalt des Hasenmoors und gegen zusätzlichen Durchgangsverkehr vor Haustüren der Menschen im Vogelviertel kämpft. Hase hat sich die Verhandlung in Schleswig angesehen. „Das Gericht war sehr gut vorbereitet, die hatten wirklich alle Akten gelesen“, sagt sie. Die Stadt sei sich im Vorfeld der Verhandlung eben zu sicher gewesen. Auch Hase fordert jetzt vor allem eines – die Sperrung des für viele Hunderttausend Euro ausgebauten Eggerstedter Wegs. „Das ist ja wohl eine Frage des vernünftigen Miteinanders mit den Bürgern. Der alte Zustand muss wieder hergestellt werden.“ Geschehen könnte das mit Pollern. In Bargteheide (Kreis Stormarn) gab es schon einmal einen ähnlichen Fall.

Neubürger könnten sich über den Tisch gezogen fühlen

Für Hase ist das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zudem eine Art Fanal. Sie rechnet mit neuem Schwung für die Bürgerinitiative. Und mit Zulauf ausgerechnet aus Reihen derer, die in der neu gebauten Parkstadt eine Heimat gefunden haben. Schließlich seien es nicht zuletzt diese Neubürger, die sich von der Stadt über den Tisch gezogen fühlen könnten. Viele von ihnen hätten viel Geld investiert, dem Versprechen folgend, in ein ruhiges Wohngebiet zu ziehen.

Wilhelm Mecklenburg hat in Pinneberg nicht nur Freunde. Kritiker schimpfen den Experten für Baurecht, der lange im Auftrag der Gegner einer Pinneberger Westumgehung unterwegs war, gern einen Blockierer. Fraglos verhindert Mecklenburg jedoch nur, was sich in einem Rechtsstaat auch verhindern lässt – etwa weil kommunale Bauverwaltungen Fehler machen. Wie jetzt geschehen. „Ja, auch für Bürger gibt es Rechtsschutz“, sagt der Jurist. Wie seine Auftraggeberin Hase fürchtet auch der Anwalt, dass die Stadt jetzt versucht, aus der Not eine Tugend zu machen – und einen neuen B-Plan für die Parkstadt auf den Weg bringt, statt den für unwirksam erklärten B-Plan 115 zu „heilen“. So könne womöglich der Weg für noch mehr Wohnbebauung und somit mehr Verkehr freigemacht werden. „Ein neuer B-Plan wird ganz sicher nicht bürgerfreundlicher sein“, ist sich Mecklenburg sicher.

Das Abendblatt fragte bei Rathaussprecherin Maren Uschkurat nach, für wann die Stadt mit der schriftlichen Urteilsbegründung aus Schleswig rechnet. „Dies steht im Ermessen des Gerichtes, dazu können wir nichts sagen. Vermutlich wird die Begründung in den nächsten Wochen bei der Stadt eingehen“, antwortet Uschkurat. Ob geplant sei, den Eggerstedter Weg für die Zeit bis zur Klärung des Sachverhalts zu sperren? „Nein, aus unserer Sicht gibt es hierfür derzeit keine Veranlassung“, antwortet die Rathaussprecherin.

Worte, die Wilhelm Mecklenburg zurück an seine Akten drängen dürften. Der Anwalt sagt: „Wir prüfen jetzt alle Möglichkeiten, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts durchsetzen zu lassen.“