Pinneberg. Stadt hat sich verplant und unterliegt vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig – Bebauungsplan ab sofort unwirksam.

250 neue Wohneinheiten, eine internationale Schule, etliche Firmen: Die Parkstadt Eggerstedt wächst. Die Planung für das Großprojekt ist hingegen hinfällig. Klingt komisch, ist aber so. Das Oberverwaltungsgericht in Schleswig hat Pinneberg am Donnerstagabend eine Lektion erteilt. Der Bebauungsplan 115, Grundlage für den neuen Stadtteil auf dem Areal der ehemaligen Kaserne, ist ab sofort unwirksam. Die Stadt sei Fragen nach etwaigem Durchgangsverkehr nicht nachgegangen. Hintergrund ist der Zoff um eine bereits fertige Erschließungsstraße. Pinneberg hat sich verplant, muss das Verfahren jetzt komplett neu aufrollen.

Die Internationale Schule in Eggerstedt steht schon
Die Internationale Schule in Eggerstedt steht schon © HA | Andreas Daebeler

Rückblick: Bereits im März 2015 war bekannt geworden, dass zwei vom im Baurecht erfahrenen Anwalt Wilhelm Mecklenburg vertretene Pinneberger die Rechtmäßigkeit des B-Plans 115, mit dem die Umwandlung der Ex-Kaserne zum Wohn- und Gewerbegebiet geregelt wurde, anzweifelten. Der Streit um den Ausbau des Eggerstedter Wegs ist noch viel älter. Das Konzept für eine Parkstadt Eggerstedt hatte von Beginn an Gegner auf den Plan gerufen. Bewohner der Vogelsiedlung, die unmittelbar an das Areal der 2004 vom Bund geräumten Kaserne grenzt, hatten früh gegen den Ausbau des Egger­stedter Wegs mobil gemacht. Kein Wunder: Die Erschließungsstraße, die einen Schleichweg vom Thesdorfer Weg zur Landesstraße Schenefeld-Elmshorn eröffnet, führt direkt an ihren Vorgärten vorbei.

Die Stadt hatte 2017 bewusst mit dem Ausbau der Straße begonnen, ohne den Spruch des Oberverwaltungsgerichts abzuwarten. Zwei Eilverfahren, die den Ausbau des Eggerstedter Wegs stoppen sollten, waren vor Gericht gescheitert. Die Bagger taten ihr Werk. Im Dezember war die Straße ohne viel Aufhebens freigegeben worden. Befürworter der westlichen Erschließung über den Eggerstedter Weg hatten unter anderem damit argumentiert, dass ein neues Wohngebiet aus mehreren Richtungen erreichbar sein müsse – auch für Rettungsfahrzeuge.

Wieder Sackgasse

In Bargteheide war der Streit um eine zur Durchgangsstraße umgebaute Sackgasse eskaliert.

1980 ausgebaut, ordnete das Bundesverwaltungsgericht 1993 nach Anwohnerklagen die Rückumwandlung zur Sackgasse an. Die Stadt musste Betonpoller aufstellen.

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In einem vergleichbaren Fall in Bargteheide (Kreis Stormarn) hatte eine Straße sogar nach Fertigstellung wieder für den Durchgangsverkehr gesperrt werden müssen. Auch dort hatten Anwohner wegen zu befürchtender Lärmbelastung geklagt. Rathaussprecherin Maren Uschkurat gab sich am Freitag entspannt: „Nein, wir befürchten nicht, dass die Straße zurückgebaut werden muss.“ Es werde allerdings voraussichtlich notwendig sein, einen neuen B-Plan 115 zu beschließen. Die Grundstückseigentümer der bereits bebauten Grundstücke hätten daraus „keine Auswirkungen zu befürchten“. Bauliche Veränderungen des Eggerstedter Wegs im strittigen Bereich zwischen Heideweg und Aschhooptwiete seien nicht vorgesehen. Dieser Bereich der Straße sei ohnehin bereits im rechtskräftigen Bebauungsplan 83 festgesetzt und somit gar nicht betroffen.

Ob das in Schleswig auch so gesehen wird, erscheint angesichts der Worte von Gerichtssprecherin Birgit Voß-Güntge fraglich. Denn sie begründet das Urteil, in dem übrigens keine Revision zugelassen wurde, ausdrücklich mit dem Durchgangsverkehr. Und der wurde mit dem Ausbau des Egger-stedter Wegs überhaupt erst möglich.

Die Straße Eckhorst in Bargteheide beschäftigte 1993 sogar das Bundesverwaltungsgericht. Sie musste wegen Formfehlern im B-Plan zurückgebaut werden
Die Straße Eckhorst in Bargteheide beschäftigte 1993 sogar das Bundesverwaltungsgericht. Sie musste wegen Formfehlern im B-Plan zurückgebaut werden © Birgit Schücking

Nach mehrstündiger mündlicher Verhandlung sei der Schleswiger Senat zu dem Ergebnis gekommen, dass Regelungen zur mit dem Plan verbundenen Lärmproblematik unzureichend seien. Pinneberg habe nur Verkehrsbewegungen vom und zum Plangebiet berücksichtigt. „Demgegenüber hätte genauer geprüft werden müssen, ob und inwieweit auch Durchgangs- und Schleichverkehr sowie gewerblicher Lkw-Verkehr durch die Parkstadt verlaufen wird“, so die Gerichtssprecherin. Auch seien beim Naturschutz Fehler gemacht worden. Im B-Plan 115 seien zu kleine Ausgleichsflächen ausgewiesen worden, so Voß-Güntge.

Die Stadt werde nunmehr zu prüfen haben, in welcher Weise die aufgezeigten Mängel in einem ergänzenden Verfahren, das auch eine erneute Abwägung und einen neuen Satzungsbeschluss zu dem Bebauungsplan erfordert, behoben werden könnten.

Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg sagte am Freitag: „Ich hätte dieses Ergebnis nicht erwartet.“