Pinneberg/Prisdorf. Der Sonderpostenmarkt in Prisdorf muss geräumt werden. Auch der Baumarkt Toom schließt – am Peiner Hag droht eine Krise.
Der billige Lautsprecher fürs Handy. Ein Trampolin für den Garten. Ja, sogar eine Autobatterie ist im Angebot. Es gibt fast nichts, was es nicht gibt – im Sonderpostenmarkt Thomas Philipps am Peiner Hag in Prisdorf. Auch Lebensmittel gehören zum Sortiment. Noch klingelt auf 16.500 Quadratmetern die Kasse. Doch damit dürfte bald Schluss sein. Der Kreis Pinneberg fordert die Räumung der Gewerbehalle – weil die Stadt Pinneberg einen Gerichtsprozess gewonnen hat. Jahrelang hatten Stadt und Nachbargemeinde gestritten. Jetzt ist die Rechtslage eindeutig. Der Kreis vertreibt ein Kaufhaus – weil er muss.
Kreissprecher bestätigt Erlass einer Nutzungsuntersagung
Kreissprecher Oliver Carstens bestätigt den Vorgang auf Nachfrage: „Ich bitte um Verständnis, dass ich aus laufenden Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren keine Details nennen kann. Aber ich kann zumindest bestätigen, dass eine entsprechende Nutzungsuntersagung von uns erlassen wurde, aufgrund des Gerichtsurteils mussten wir handeln“. Nach Informationen des Abendblatts wurde gegen die Nutzungsuntersagung Widerspruch erhoben, über den bislang noch nicht entschieden wurde.
Carstens äußerte sich dazu nicht weiter, erklärte aber, „dass der Kreis mit Augenmaß agieren werde“. Alltägliches Verwaltungshandeln für den Kreis sei dieser Fall nicht. Die Konstellation „ist schon recht einmalig“ so Carstens.
Der Streit um den Bebauungsplan 1 der Gemeinde Prisdorf tobt bereits seit 18 Jahren. Alles begann mit den Planungen für das Einkaufszentrum, das nur wenige Meter von der Pinneberger Stadtgrenze entfernt am Peiner Hag entstand. Von Beginn an beobachtete Pinneberg das Zentrum mit Argwohn, man fürchtete, es könne Kaufkraft aus der Innenstadt abgezogen werden.
Eine Klage folgte auf die nächste. 2003 wurde der Komplex eröffnet, die Anwälte hatten weiter gut zu tun. Im Laufe der Jahre wuchs das Gewerbegebiet. Marktkauf, Toom, Aldi, Kik, das Dänische Bettenlager, der – inzwischen wieder geschlossene – Elektronikfachmarkt Medimax, eine Tankstelle und einige Geschäfte mehr siedelten sich dort an. Stets skeptisch beäugt – aus Pinneberg.
Im März 2013 wurde die Nutzung der Gewerbehalle am Peiner Hag als Sonderpostenmarkt genehmigt. Die Stadt Pinneberg legte fristgerecht Widerspruch ein. Der B-Plan sei fehlerhaft, das Sortiment schädige die Pinneberger Innenstadt. Zunächst schien die Kreisstadt den Kürzeren zu ziehen, der Widerspruch wurde abgewiesen. Doch die anschließende Klage vor dem schleswig-holsteinischen Oberverwaltungsgericht hatte Erfolg – die Richter erklärten den Bebauungsplan für das Gewerbegebiet am Peiner Hag im Juni 2014 für rückwirkend unwirksam.
Berufungsverhandlungen folgten, doch im Juni 2016 setzte das Oberverwaltungsgericht ein Ende. Eine Revision wurde nicht zugelassen und die Beschwerde dagegen vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Der Kreis Pinneberg beruft sich in seiner Ordnungsverfügung nun auf die Richter: „Die Schädigung der Stadt Pinneberg wurde höchstrichterlich bestätigt und steht damit außer Frage“, heißt es in dem Schreiben an Thomas Philipps.
Zurück an den Peiner Hag. An der Kasse des Sonderpostenmarkts herrscht Hochbetrieb. Doch das Ende ist absehbar. Nach Informationen des Abendblatts hat der Kreis dem Unternehmen eine Frist gesetzt. Bis zum 1. März muss das Geschäft geschlossen sein, wenn die Rechtsanwälte des Unternehmens nicht mit ihrem Widerspruch durchkommen. Der Kreis Pinneberg holt gar die Keule raus, droht Thomas Philipps mit einem Zwangsgeld in Höhe von 15.000 Euro für den Fall, dass bis März nicht geräumt wird.
Und das ist nicht der einzige Tiefschlag für die Gemeinde Prisdorf, deren Gewerbegebiet auszubluten droht. Mitte Februar schließt Toom seinen Baumarkt. Ein paar Kilometer entfernt wurde neu gebaut. Größer, moderner – und in Pinneberg.
Ehemaliger Toom-Baumarkt könnte als Lagerfläche dienen
Der Markt in Prisdorf könnte künftig als Lagerfläche dienen, da Toom noch einen Mietvertrag bis 2023 in der Tasche hat und kaum Interesse haben dürfte, etwaigen Konkurrenten Platz zu machen. Ohne eine Genehmigung von Pinneberg dürfte dort nur ein anderer Baumarkt ohne weiteres einziehen. Schon seit drei Jahren steht die ehemalige Medimax-Filiale am Peiner Hag leer. 14.000 Quadratmeter bleiben ungenutzt. Eigentlich sollte dort ein Geschäft für Tierfutter einziehen, doch die Stadt Pinneberg verhindert das. „Wir haben immer gesagt, dass wir gegen eine Ausweitung der Gewerbeflächen nichts haben“, sagt Pinnebergs Wirtschaftförderer Stefan Krappa. Nur Einzelhandel sei eben nicht gewollt. „Prisdorf muss sich jetzt neu aufstellen“, so Krappa weiter. Ratschläge wolle er den Nachbarn dabei nicht erteilen.