Wedel. Gnäterkuhlenweg: Anwohner klagt erfolgreich gegen Bescheid der Stadt. Andere Anwohner wollen von Rechtsstreit profitieren

Die Anwohner des Gnäterkuhlenwegs sind empört. Vor neun Jahren wurde ihre Straße saniert, über die Straßenausbaubeiträge zahlten sie den weitaus größten Teil der Kosten. Jetzt müssen die betroffenen Wedeler feststellen, dass die Stadt ihnen deutlich überhöhte Rechnungen geschrieben hat. Doch im Rathaus wird nicht daran gedacht, das zu viel eingeforderte Geld ohne weiteres zurückzuzahlen. „Die Stadt hat die Bürger hinters Licht geführt und zwar bewusst“, kritisiert Anwohner Thomas Buchholz.

2008 war die Straße ausgebaut worden, 2012 verschickte die Stadtverwaltung die Gebührenbescheide. Einer der Anwohner vom Gnäterkuhlenweg musste eine besonders hohe Summe an die Stadt zahlen, weil er eine extra-lange Grundstücksgrenze zur Stadt hat. Er suchte die juristische Auseinandersetzung mit der Stadt – und gewann. Mit einem Vergleich vor dem Oberverwaltungsgericht in Schleswig wurde sein Anliegerbeitrag von 75 auf 23 Prozent gesenkt.

Nach Meinung der Richter hat die Stadt einen Fehler gemacht, indem sie den Weg als Anliegerstraße einordnete, für die 75 Prozent fällig gewesen wäre. Richtigerweise hätte es nach Meinung der Verwaltungsrichter als überörtliche Straße klassifiziert werden müssen. Dafür müssten nur bis zu 25 Prozent bezahlt werden. Mit den 23 Prozent des Vergleichs bleibt der Kläger sogar leicht unter diesem Wert. Für die Einordnung als überörtliche Straße spricht für die verärgerten Bürger auch, dass sie von vielen Autofahrern als nördliche Umgehung des Wedeler Stadtkerns von Holm und Pinneberg ins Moorweggebiet und nach Hamburg genutzt wird.

Einen Fehler kann die Stadtverwaltung bei ihrem Vorgehen allerdings nicht erkennen. „Es ist der ausdrückliche Wille der Stadt Wedel, den Gnäterkuhlenweg als Anliegerstraße zu klassifizieren, da er im Sinne der Anwohner eben nicht als Durchfahrtsstraße gedacht ist“, teilt die Stadt auf Abendblatt-Anfrage mit. „Die gerichtliche Bewertung, wie jede Gerichtsentscheidung, ist eine Einzelfallbetrachtung.“

Mehr als 1000 Fahrzeuge fahren täglich durch die Straße

Von dem Votum vor dem Oberverwaltungsgericht hörten die anderen Bewohner des Gnäterkuhlenwegs nicht nur über den Nachbarschaftsfunk. Die juristische Niederlage der Stadt wurden auch via Verwaltungsmitteilung im Planungsausschuss bekannt. Mehrere Bürger wendeten sich anschließend an die Verwaltung und wollte wie der erfolgreiche Kläger eine Reduzierung. Wer Geld zurück haben wollte, musste versuchen, es durch eine Klage gegen die Stadt zu erreichen, sollen sie zur Antwort bekommen haben.

Bürger erzürnt weiterer Straßenausbau

Kritisch wird von den Anwohner des Gnäterkuhlenweges auch der geplante Ausbau des nördlichen Teils ihrer Straße zwischen Ortsschild und Osterkampweg gesehen. „Mit der Verbesserung der Straße wird auch der Durchgangsverkehr steigen“, sagt Thomas Buchholz. Wedel sei eine wachsende Stadt mit wachsendem Verkehr, was sich in den vergangenen Jahren auch am gestiegenen Durchgangsverkehr im Gnäterkuhlenweg niederschlage.

Die Stadt Wedel hatte die Initiative zum Ausbau ergriffen, der Bauausschuss beschloss Ende November den Einstieg in das Planungsverfahren.

Die Einschätzung der Anwohner des Gnäterkuhlenwegs kann die Wedeler Stadtverwaltung nicht teilen. Sie geht davon aus, dass es keinen zusätzlichen Durchgangsverkehr gibt, „da durch die derzeitigen Ausbaupläne die Straße für etwaigen Durchgangsverkehr durch Verschwenkungen und eine geplante schmale Fahrbahn von lediglich drei Metern Breite möglichst unattraktiv gemacht werden soll. Auch die Ausweichzonen bei Gegenverkehr sollen nach aktuellen Plänen nicht asphaltiert, sondern lediglich mit einem Rasengitter ausgebaut werden.“ Für Lastwagen solle der Gnäterkuhlenweg weiterhin gesperrt bleiben. pö

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Eine Gruppe von Anwohnern hat jedoch eine andere Idee. Sie fordern mehr Lebensqualität statt Geld. „Die Stadt lässt den Verkehr verrieseln“, kritisiert Ralf Dinse. Bewusst werde in Kauf genommen, dass Nebenstraßen als Durchgangsstraßen genutzt werden. Mehr als 1000 Fahrzeuge sind täglich auf dem Gnäterkuhlenweg unterwegs. Dinse sieht diese Zahl, die sich auch in Unterlagen der Stadt wiederfindet, als Beleg für die richtige Entscheidung der Verwaltungsrichter, dass diese Straße keine Anliegerstraße, sondern eine Straße mit überörtlicher Bedeutung ist.

Dass bei der Politik kein echter Wille zur Lösung der Verkehrsprobleme vorhanden ist, macht er auch an der jüngsten Streichung der Planungskosten für die Nordumfahrung aus dem Haushalt 2018 fest. Denn die nördliche Trasse ist nicht nur für die Entlastung der Altstadt wichtig, sondern auch für die Anbindung des Neubaugebietes Wedel Nord.

Eine Alternative wäre eine „unechte Einbahnstraße“

Die zukünftigen Bewohner dieses für 1000 Wohneinheiten geplanten Mega-Baugebietes werden sich ihre Wege durch die Nebenstraßen Wedels suchen, prophezeit Dinse. Das werden auch die Bewohner des Gnäterkuhlenwegs zu spüren bekommen. Gegen diese „Verrieselungsstrategie“ der Stadt fordern die Anwohner nun, den Gnäterkuhlenweg wirklich zu einer Anliegerstraße zu machen. „Wir wollen, dass unsere Straße zu einer Sackgasse gemacht wird“, erklärt Buchholz. Am nördlichen Ende am Seemoorsweg könnte dann Schluss sein für die Autofahrer aus südlicher Richtung. Die Pendler aus Pinneberg müssten sich einen andere Strecke suchen.

Allerdings gehen die Anwohner nicht davon aus, dass die Stadt dieser radikalen Lösung folgt. Deswegen haben sie eine Alternative und die heißt „unechte Einbahnstraße“. In Richtung Pinneberg bliebe der Gnäterkuhlenweg offen. Für die Autofahrer aus Richtung Pinneberg bliebe der Weg geschlossen. Ein Vorteil für die Anwohner: Innerhalb des Gnäterkuhlenweges könnten sie in beide Richtungen fahren.

Buchholz stellt klar: „Wir wollen vernünftige Lösungen und in Ruhe leben.“ Sollte sich die Stadt für keine dieser beiden Alternativen entscheiden, wollen die Anwohner auf die finanzielle Lösung zurückgreifen. „Dann werden wir die zu viel gezahlten Beiträge doch einklagen“, sagt er.

Das dürfte spannend werden. Denn auf Abendblatt-Anfrage teilt die Stadt mit: „Den Anwohnern ist kein Schaden entstanden. Bis auf einen haben alle Anlieger das von der Stadt vorgeschlagene Verfahren akzeptiert, sodass die Regelungen mit diesen Anwohnern bestandskräftig sind.“