Pinneberg. Künstler, Politiker und Kirchenvertreter wollen umstrittenes Kriegerdenkmal am Bahnhof der Kreisstadt verhüllen und bunt beleuchten.

Der Sockel ist massiv. Treppen führen hinauf. Zu einer mit mehr als zehn Metern Höhe imposanten Stele aus Muschelkalk. Ein gen Himmel gerichtetes, bronzenes Schwert wird überragt vom Reichsadler. Das Kriegerdenkmal am Pinneberger Bahnhof, dort wo Rockvillestraße und Bahnhofstraße aufeinandertreffen, steht seit 1934. Erbaut von den Nazis, kürzlich unter Denkmalschutz gestellt und seit einigen Monaten zu nächtlicher Stunde mit Strahlern illuminiert, gerät es zunehmend in die Diskussion. Pinneberger planen nun sogar eine Protestaktion. Sie wollen das vom NS-Regime erbaute Kriegerdenkmal am Abend des 30. Januar ab 18 Uhr verhüllen und farbig beleuchten.

Mit dieser Protestaktion wollen deren Initiatoren ihrer Kernforderung nach kritischer Auseinandersetzung mit der Geschichte Nachdruck verleihen. Erreichen wollen sie, dass das Denkmal, mit dem die Nationalsozialisten an im Ersten Weltkrieg gefallene Soldaten aus Pinneberg erinnern wollten, baulich ergänzt wird. Es hat sich eine Initiative gebildet, in der namhafte Pinneberger vertreten sind. Künstler wie Martin Musiol, Politiker wie der SPD-Landtagsabgeordnete Kai Vogel und DGB-Kreischef Peter Brandt sind ebenso mit von der Partie wie Propst Thomas Drope und Wolfgang Seibert, der der Jüdischen Gemeinde in Pinneberg vorsteht.

Pinnebergs Politiker haben bereits klar gemacht, dass sie mehrheitlich für eine vitale Auseinandersetzung mit der braunen Vergangenheit in der Stadt sind. Sie brachten im November eine Arbeitsgruppe auf den Weg, in der über eine Umwandlung des Kriegerdenkmals zu einem Mahnmal für „die Schrecken und das Morden aller Kriege“ beraten werden soll.

Jochen Hilbert ist Sprecher der Initiative. Für ihn ist klar, dass die Inschrift auf dem in den Himmel ragenden Quader („In unwandelbarer Treue zum Vaterland in der Hoffnung auf den Sieg liessen 312 Helden dieser Stadt ihr teures leben auf dem Felde der Ehre“) kriegsverherrlichend war und ist.

Hilbert erinnert daran, dass der Grundstein für das Bauwerk ausgerechnet am 20. April 1934 gelegt worden sei – dem Geburtstag Adolf Hitlers also. Der heutige Bahnhofsplatz sei zuvor bereits in Adolf-Hitler-Platz umbenannt worden. „Das ist das einzige Denkmal, das in Pinneberg in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft für die im Ersten Weltkrieg umgekommenen Soldaten errichtet worden ist“, so Hilbert. Für ihn steht fest, dass es die Toten sogar entehrt, weil sie für die Nazi-Ideologie missbraucht worden seien.

Zur Entstehung der Stele am Bahnhof gibt es Literatur. Unter anderem macht sich die Geschichtswerkstatt der Pinneberger Volkshochschule mit ihren Publikationen seit Jahren um die Stadtgeschichte verdient. Auf einem gut erhaltenen Foto aus der Werkstatt ist der Moment der Einweihung des Denkmals am Fahlt festgehalten. Zu sehen ist der damalige Bürgermeister Heinrich Backhaus, der das Denkmal von Uniformierten umgeben am 1. Juli 1934 einweiht. „Er beendete seine Ansprache mit dem Sieg-Heil-Gruß“, so Hilbert. In den Klauen des Reichsadlers ist ein Hakenkreuz zu erkennen. Es wurde später im Zuge der Entnazifizierung entfernt und durch ein Eisernes Kreuz ersetzt.

Der Fall Karl Coors

Im Sommer 2015 sorgte ein Bild in der Ahnengalerie des Pinneberger Rathauses für Schlagzeilen. Dort hatte seit 1970 das Porträt des NS-Bürgermeisters Karl Coors gehangen – ohne jedwede historische Einordnung.

Coors war Mitglied der NSDAP und von 1937 bis 1945 Rathauschef in Pinneberg gewesen. Er war 1937 nicht demokratisch gewählt, sondern vielmehr 1937 vom zuständigen Kreisleiter der NSDAP ins Amt gehoben worden.

Bereits 1933 war Coors in die Hitler-Partei eingetreten. Die Stadt reagierte auf Kritik und stattete das Bild mit einer einordnenden Info-Tafel aus.

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Wolfgang Seibert, der mit einigen Mitstreitern zur Protestaktion am 30. Januar kommen will, hat eine unmissverständliche Meinung zu der Stele. „Das ist für mich ganz eindeutig ein Nazi-Denkmal“, sagt der Vorsteher der Jüdischen Gemeinde. Es sei unverzichtbar, ein derartiges Bauwerk mit entsprechender Kommentierung zu versehen. Auf Informationstafeln etwa könne Geschichte eingeordnet werden.

Seibert vertritt sogar eine radikalere Position: „Wenn es nur nach mir ginge, könnte das Bauwerk verschwinden.“ Das sieht nicht jeder so. Denkmalschützer argumentieren, dass es wichtig sei, auch den dunklen Abschnitt der deutschen Geschichte weiterhin sichtbar zu machen. Schließlich gebe es – etwa in Berlin und Nürnberg – weit größere Nazi-Bauten, die sogar das Stadtbild prägten.

Jochen Hilbert und seine Mitstreiter hoffen, das am Ende einer öffentlichen Diskussion ein künstlerischer Wettbewerb steht. „Wir wollen Geschichte nicht begraben, wir wollen sie sichtbar machen“, sagt er. Und das eben nicht mit Strahlern, die das Bauwerk nur noch monumentaler erscheinen lassen. „Die Beleuchtung lässt das Denkmal derzeit in merkwürdig magischer Weise strahlen“, sagt Hilbert. Für ihn ist das eine übertriebene Glorifizierung.

Rathaussprecherin Maren Uschkurat wies am Donnerstag auf Nachfrage darauf hin, dass das Kriegerdenkmal am Pinnberger Bahnhof auch in der Vergangenheit schon beleuchtet gewesen sei. Im Zuge der Sanierung sei nun lediglich die vorhandene Elektrik wieder instand gesetzt worden. „Das Denkmal wurde früher schon angestrahlt“, so Uschkurat.

Jochen Hilbert hofft, dass es zeitnah zu einem ersten Treffen der einberufenen Arbeitsgruppe komme. Er setzt darauf, dass Vertreter der Denkmalschutzbehörde zu einer öffentlichen Anhörung nach Pinneberg kommen.