Wedel. An den drei meist befahrenen Kreuzungen der Stadt erhalten die Einsatzfahrzeuge Vorrang. Weitere Ampeln sollen sukzessive folgen.

Lucas Sandweg nimmt Sonderrechte in Anspruch. Blaulicht und Martinshorn sind an, als der Truppführer der Feuerwehr Wedel mit dem Mittleren Löschfahrzeug (MLF) auf die Kreuzung am Wedeler Rathaus zufährt. Auf der B 431 ist viel Verkehr. Autos, an denen sich das Einsatzfahrzeug bei Rotlicht normalerweise vorbeischlängeln müsste. Doch die Ampel zeigt für Sandweg Grün – und tut das ab sofort immer. Denn die Wedeler Wehr erhält für ihre Einsätze eine grüne Welle – als erste Feuerwehr im Norden.

Möglich macht dies eine sogenannte Onboard-Unit, die unsichtbar hinter dem Armaturenbrett verbaut ist. Das mit GPS ausgestattete Gerät gibt die genaue Position und die Geschwindigkeit des Feuerwehrautos an den Verkehrsrechner weiter, der auf Grün schaltet, sobald sich das Einsatzfahrzeug einer Ampel nähert. Nach der Durchfahrt geht die Anlage zurück in den Normalbetrieb – bis das nächste Einsatzfahrzeug Vorrang erhält.

„Für uns hat sich das System bewährt, weil wir damit schneller und vor allem sicherer zum Einsatzort kommen“, sagt Dennis Renk, Sprecher der Wedeler Wehr. Natürlich habe man das Recht, im Ernstfall auch rote Ampeln zu überfahren. „Wir sind dann aber auf die Aufmerksamkeit und die Rücksicht der anderen Verkehrsteilnehmer angewiesen“, so Renk weiter. Wenn die Feuerwehrfahrzeuge für ihre Richtung grünes Licht erhalten, sei das ein klarer Vorteil. Renk: „Der störende Verkehr vor uns ist dann bereits abgeflossen, und wir fahren auf eine freie Kreuzung zu.“

2017 rückt die Feuerwehr Wedel 441 Mal aus

441 Einsätze hat die Feuerwehr Wedel im vorigen Jahr absolviert. Für die 108 Aktiven ein arbeitsintensives Jahr. „Wir haben im Durchschnitt immer zwischen 300 und 500 Einsätzen, je nachdem, wie viele Großereignisse wie Stürme wir im Jahr haben“, sagt Feuerwehrsprecher Dennis Renk.

Das Pilotprojekt für die neue Technologie „Sitraffic Stream“ lief einst in Böblingen bei der dortigen Feuerwehr. Inzwischen bietet der Hersteller Siemens das satellitengestützte System der Bevorrechtigung auch für andere Einsatzfahrzeuge an. In Teilen Deutschlands arbeitet beispielsweise der Rettungsdienst damit.

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In der Anfangsphase sind vier der 13 Wagen der Wehr, die gerade ohnehin auf Digitalfunk umgestellt worden sind, mit dem neuen System ausgerüstet. „Es handelt sich um die Fahrzeuge, die zuerst ausrücken“, sagt der Vize-Wehrführer Uwe Brandt. „Wir fahren ja in der Regel nicht im Konvoi, weil ja nicht alle Einsatzkräfte zeitgleich an der Wache eintreffen.“

Der Fahrer muss sich um nichts kümmern

Bei 16 Einsätzen hat die Wehr das neue System bereits anwenden können. Brandt: „Es hilft uns, die Hilfeleistungsfrist von zehn Minuten besser einhalten zu können.“ Und Feuerwehrsprecher Renk fügt hinzu: „Unser Wunsch wäre es natürlich, alle Fahrzeuge damit auszurüsten. Und natürlich auch alle Ampeln in der Stadt.“

Aktuell funktioniert das System an drei der am stärksten frequentierten Kreuzungen – am Rathausplatz und der Rudolf-Breitscheid-Straße (beide B 431) sowie am Knotenpunkt Tinsdaler Weg/Galgenberg. Etwa 12.000 Euro wurden dafür investiert. „Die Kosten trägt die Stadt“, sagt deren Sprecher Sven Kamin.

Die ins System eingebundenen Ampelkreuzungen wurden vor Kurzem erneuert und laufen nun über einen virtuellen Verkehrsrechner der Firma Siemens, der in München steht. Langfristig soll dieser Rechner alle Ampeln im Stadtgebiet steuern, die derzeit noch an einen betagten Verkehrsrechner im Rathaus angebunden sind. Auf diese Weise können sukzessive weitere Anlagen in das „Feuerwehrbeschleunigungssystem“ eingebunden werden. „Unser Rechner in München ist immer auf dem neusten Stand der Technik und vielfach abgesichert, wir bieten diese Leistungen vielen Kunden an“, sagt Ingo Gierke von Siemens.

Seine Firma hat auch das sogenannte Sitraffic-System, das hinter der Ampelsteuerung steht, entwickelt. „Zwingende Voraussetzung ist der Anschluss an unseren Rechner“, so Gierke weiter. Anders als bei bisherigen Ampelsteuerungssystemen, wie sie beispielsweise in vielen Bussen verbaut sind, sind die Feuerwehrfahrzeuge nicht per Funk mit der nächsten Ampel verbunden, sondern kommunizieren digital mit dem Verkehrsrechner. „Das alles passiert automatisiert im Hintergrund, sodass sich unsere Fahrer um nichts kümmern müssen“, sagt Feuerwehrsprecher Renk. Das System sei an das eingeschaltete Blaulicht gekoppelt. Renk: „Wenn wir tanken fahren, müssen wir an der roten Ampel warten wie alle anderen auch.“

Ein weiterer Wunsch der Wehr ist noch unerfüllt: das System auch in die Privatfahrzeuge der zur Wache anrückenden Kräfte zu bringen. Brandt: „Gerade in der Rushhour oder an den Wochenenden, wenn viel Ausflugsverkehr unterwegs ist, haben unsere Kräfte im Ernstfall große Schwierigkeiten, schnell zur Wache zu kommen.“