Elmshorn. Mehr als 1000 Menschen demonstrieren auf dem Lichtermarkt. Erika Steinbach hatte mit Attacke für Empörung gesorgt.
Mehr als 1000 Menschen fanden am Nikolaustag den Weg auf den Elmshorner Lichtermarkt, um gemeinsam Flagge zu zeigen gegen Fremdenfeindlichkeit und Hass. Hintergrund der Aktion, die von den Elmshorner Nachrichten, Vereinen, Institutionen, Gewerkschaften und Vertretern der Stadt und Kirche organisiert und unterstützt wurde, war die Attacke in den sozialen Medien der ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach auf den Elmshorner Lichtermarkt und auf den farbigen Weihnachtsengel, mit dem das Stadtmarketing für den Weihnachtsmarkt wirbt. Die AfD-Unterstützerin hatte im Netz eine Lawine fremdenfeindlicher Hetze losgetreten. Bürgermeister Volker Hatje wurde sogar Gewalt angedroht wurde. Er war an diesem Abend nicht dabei.
Bürgervorsteher Karl Holbach hielt im Namen der Stadt eine Rede, in der er Bezug auf ein Zitat des Bundespräsidenten Steinmeier nahm. Der hatte über die „Millionen von Menschen“ gesprochen, die in der Bundesrepublik bereits eine neue Heimat gefunden hätten, über „ganze Generationen“, die Deutschland mit ihrer Kultur bereicherten.
Unterschiedliche Herkünfte und Hautfarben heute selbstverständlich
Holbachs Erfahrungen nach gibt es heute in weiten Teilen der Gesellschaft mehr Toleranz. „Mein Großvater erzählte mir seinerzeit, dass er zwar aus dem Kaffeegeschäft den Sarotti-Mohren gekannt, aber vor dem Kriegsende nie einen lebenden Menschen mit anderer Hautfarbe gesehen hatte. Für meine sechsjährige Enkelin hingegen sind durch die Kita Begegnungen mit Kindern unterschiedlichster Herkunft und Hautfarbe selbstverständlich.“ Was spreche gegen einen schwarzen Engel, fragt Holbach. „Es gibt keinen Grund, sich für etwas zu rechtfertigen, was für die meisten hier lebenden Menschen selbstverständlich geworden ist.“
Auch Propst Thomas Bergemann vom Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf ergriff das Wort: „Wir befinden uns auf dem Alten Markt, zu Füßen der altehrwürdigen Nikolaikirche. Sie ist benannt nach Nikolaus, einem Bischof aus Myra. Das liegt heute in der Türkei. Nach allem, was wir wissen, war Nikolaus nicht blond, sondern dunkelhaarig. Wahrscheinlich hatte er dunkle Haut, ähnelte also stark jenem dunkelhäutigen Engel, der manche Zeitgenossen so aufregt.“
Probst stellt sich klar gegen Steinbachs Hetze
Nikolaus werde bis heute verehrt, weil er den Menschen als Menschen sah. „Ich frage mich, was er wohl dazu sagen würde, dass heute manche Zeitgenossen meinen, ein Lichtermarkt, der nicht Weihnachtsmarkt genannt wird, stünde für den Ausverkauf des christlichen Abendlandes. Was für ein Unsinn!“ Der Lichtermarkt stehe für Lebensfreude, so Bergemann, und führe unterschiedlichste Menschen zusammen. „Das lassen wir uns von niemandem nehmen, nicht von jener Frau, die immer wieder ihre Stimme erhebt, um Zwietracht zu streuen – und nicht von jenen, die ihrem Hass freien Lauf lassen und andere sogar mit Mord drohen! Wir Christen stehen Hand in Hand mit allen Menschen guten Willens, festgefügt, um auf diesem Markt für das Licht und gegen die Finsternis den Mund aufzumachen! Wir lassen uns nicht einschüchtern von jenen Schreihälsen! Wir sind das Volk!“
Auch Andreas Riedl, Ver.di-Gewerkschaftssekretär, Ver.di-Bezirk Pinneberg-Steinburg fand deutliche Worte: „Ob es nun St. Martins-Umzüge, den Nikolaus, profane Schokoladenhohlfiguren oder die Namensgebung von Weihnachtsmärkten betrifft – überall dichten sich diese Retter des Abendlandes die wildesten Verschwörungstheorien zusammen. Nun hat es auch den Elmshorner Weihnachtsmarkt getroffen – nur, weil er Lichtermarkt heißt – seit bereits zehn Jahren. Kurz darauf traf es übrigens auch den Dresdner Striezelmarkt, der seit 583 Jahren so heißt.“ Dem Stumpfsinn der Kulturverratsprediger schienen keine Grenzen mehr gesetzt. Ziel sei die Spaltung der Gesellschaft, die Verbreitung von Angst und einer rassisch-völkischen Ideologie. „Als Gewerkschafter betonen wir die Bedeutung von Solidarität: Vereint stehen wir, getrennt fallen wir, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Ethnie“, so Riedl.
Andreas Bouranis Brief an den Weihnachstengel
Zwischendurch wurde ein Brief des Sängers Andreas Bourani verlesen, den er an den Werbe-Engel verfasst hatte: „Solltest du dies eines Tages lesen oder rückblickend davon erfahren, dann lass dir gesagt sein, du siehst wunderschön aus auf dem Plakat. Ein Engel eben...“
Er habe in Elmshorn noch keinen Rassismus erleben müssen, sagte Festus Anunike, ein Nigerianer, der in Elmshorn lebt und Busfahrer ist. „Ihr braucht keine Angst zu haben, dass wir eure Kultur kaputt machen wollen. Wir lieben die deutsche Kultur.“ Am liebsten wolle er sie in sein Land exportieren. EN-Redaktionsleiter Jan Schönstedt: „Unser Lichtermarkt wurde missbraucht, um Fremdenhass zu schüren. Das lassen wir uns nicht gefallen.“ Schüler begleiteten die Kundgebung musikalisch. Als sie Lennons „Imagine“ anstimmten, hielten die Menschen Leuchtstäbe, Handys und Wunderkerzen hoch – als Zeichen gegen den Hass.