Heidgraben. In der Abendblatt-Serie „Steinalt“ stellen wir die ältesten Häuser der Kommunen vor. Heute: das „Green Gables“ in Heidgraben.

Eine Frau klopft gegen die Glastür. Als Annette Brown die Besucherin in die ehemalige Diele ihres Hauses einlässt, stellt diese einen Karton auf den Fußboden ab und seufzt vor Erleichterung. Der Karton scheint schwer zu sein. Annette Brown freut sich. „Sieh nur Terrance, neue Ware“, sagt sie zu ihrem Ehemann, der am großen Tisch nebenan sitzt und an seinem Laptop arbeitet. „Super, eine neue Schatzkiste“, antwortet er. Die 61-Jährige dankt der Besucherin und setzt sich zu ihrem Mann. „Das passiert hier oft“, sagt Annette Brown. „Die Leute kommen hier vorbei und bringen uns alte Bücher.“

Mehr als 50.000 Bücher im eigenen Antiquariat

Das Haus ist auch ein Ausstellungsraum und zeigt die Bilder von den Heidgrabener Künstlern Gisela und Hubertus Lehner
Das Haus ist auch ein Ausstellungsraum und zeigt die Bilder von den Heidgrabener Künstlern Gisela und Hubertus Lehner © Sarah Stolten | Sarah Stolten

Alte Bücher, davon hat das Ehepaar viele. Mehr als 50.000 Stück. Sie reichen von Kinderbüchern über Science-Fiction bis zu alten Lexika. Die Browns sind, wie sie selbst sagen, Leseratten und sammeln alle möglichen Werke. Die brauchbaren Werke verkaufen sie wieder. Online und offline. Doch die beiden betreiben nicht etwa einen Buchhandel in der Innenstadt, nein das Paar hat sich ein Antiquariat im eigenen Zuhause eingerichtet – im ältesten Gebäude von Heidgraben. „In erster Linie wohnen wir hier“, sagt die Eigentümerin. „Wir haben keine festen Öffnungszeiten, aber zu vernünftigen Uhrzeiten können die Leute kommen.“

Einen Teil der Bücher lagern sie in der alten Scheune von 1670, die gegenüber vom Haus steht. Die Scheune ist von vorn bis hinten ausgefüllt mit Bücherregalen. Alles ist sorgfältig nach Genres sortiert: links die Kochbücher, rechts die Romane. Es war Terrance Browns Idee, alte Bücher zu sammeln und wieder zu verkaufen. „Erst habe ich meine Schwiegereltern gepflegt. Danach habe ich nach einer neuen Aufgabe gesucht“, so Brown, der vor 28 Jahren von Kanada nach Deutschland gezogen ist. „Ich liebe Bücher und dachte, das ist ein stabiler Markt.“

Viele Familien haben vor den Browns im Haus gewohnt. Unter anderem auch Flüchtlingsfamilien
Viele Familien haben vor den Browns im Haus gewohnt. Unter anderem auch Flüchtlingsfamilien © Annette Brown | Annette Brown

Neben den Büchern können Besucher noch einiges mehr im ältesten Haus Heidgrabens entdecken, etwa Kunstbilder. Überall zieren welche die Wände. Das Haus ist quasi eine Dauerausstellung. „Meine Eltern waren beide Maler“, sagt Annette Brown. Gisela und Hubertus Lehner waren beide renommierte und bekannte Künstler.

Die Hausbesitzer wollen Kunst für alle: "Eigentum macht unfrei"

„Wir fanden es schade, dass nur wir die Bilder sehen konnten, deshalb präsentieren wir sie hier“, sagt Annette Brown: „Eigentum macht unfrei. Wir beide denken, dass Privateigentum ein Raub an der Allgemeinheit ist und es egoistisch wäre, wenn nur wir uns an der Kunst erfreuen würden.“

Familie Brown besitzen über 50.000 Bücher. In der Scheune ist ein Teil davon untergebracht
Familie Brown besitzen über 50.000 Bücher. In der Scheune ist ein Teil davon untergebracht © Sarah Stolten | Sarah Stolten

Das älteste Haus von Heidgraben ist ein offenes Haus, ein Haus für alle. Das historische Gebäude ist vom Kreiskulturverband als „Kulturschutzgebiet“ ausgezeichnet worden. Dem Ehepaar geht es darum, dass die Menschen ein Gespür für historische Häuser bekommen. „Wir wollen, dass die Leute merken, wie wertvoll es ist, so ein Bauwerk zu erhalten und dass sie sich stark für die Rettung alter Gebäude machen“, so Annette Brown.

Das genaue Alter von "Green Gables" ist unklar

1989 haben sich die beiden entschieden, trotz des desolaten Zustands das alte Haus zu kaufen – sie hatten sich in das Ensemble und die Lage verliebt. Anfangs konnte die Familie nur drei Zimmer nutzen, nach und nach sind sie immer wieder innerhalb des Hauses umgezogen. Jahrelang haben Annette und Terrance Brown das historische Haus mit alten Materialien und Handwerkstechniken repariert, restauriert und moderat umgebaut. Mit einem alten Heuwagen, den sie in der Scheune gefunden haben, trugen sie das verrottete Heu ab, das noch im Obergeschoss lagerte – ganz wie die Bauern es früher auch gemacht haben.

Die Serie

Bauernhäuser, Kirchen oder auch ein Schloss, das eigentlich gar keines ist. Unsere Serie „Steinalt“, in der wir das jeweils älteste Gebäude einer Kommune aus dem Kreis Pinneberg vorstellen, bringt immer wieder spannende Details aus der Geschichte der Region zutage.

Bereits erschienen sind 37 Folgen. So haben wir über Appen, Barmstedt, Bilsen, Bönningstedt, Bokel, Bokholt-Hanredder, Borstel-Hohenraden, Brande-Hörnerkirchen, Bullenkuhlen, Haselau, Ellerhoop, Groß Nordende, Halstenbek, Haseldorf, Hasloh, Heede, Heist, Hemdingen, Holm, Klein Offenseth-Sparrieshoop, Kummerfeld, Lutzhorn, Moorrege, Neuendeich, Osterhorn, Pinneberg, Prisdorf, Quickborn, Raa-Besenbek, Rellingen, Schenefeld, Seester, Seestermühe, Seeth-Ekholt, Tangstedt, Tornesch, Uetersen, Wedel und Westerhorn berichtet. Heute kommt der Serienteil aus der Gemeinde Heidgraben dazu.

In der nächsten Woche stellen wir in unserer Serie „Steinalt“ das älteste Haus in der Gemeinde Ellerbek vor.

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Das genaue Alter des Hauses, das ein Altenteil ist, ist unklar. Eine urkundliche Eintragung gibt es nicht. Vermutlich ist es etwa so alt wie die Scheune von 1670.

Wann genau das alte Haus gebaut worden ist, ist unklar
Wann genau das alte Haus gebaut worden ist, ist unklar © Sarah Stolten | Sarah Stolten

Bei Renovierungsarbeiten wurde übrigens ein alter Balken gefunden, der ursprünglich von der wegen Baufälligkeit 1738 abgerissenen Uetersener Klosterkirche stammt. Wofür er genutzt wurde, ist ebenfalls unklar, möglicherweise für eine Reparatur. Das historische Bauwerk steht in Heidgraben Nordwest, im alten ursprünglichen Ortskern des Dorfes.

Das Haus aus Museum, Ausstellung und Antiquariat ist im Dorf auch bekannt unter dem Namen „Green Gables“, zu deutsch: grüne Giebel. Im Herkunftsland ihres Mannes gibt es eine Jugendbuchreihe die „Ann of Green Gables“ heißt, so Annette Brown. Grüne Giebel würden zum Haus passen, und Ann sei sozusagen ihr Name.