Wedel. Der Anleger am Willkomm-Höft muss in den Tonnenhafen geschleppt werden. Verschlickung nimmt seit Jahren zu und wird zum Problem.
Es ist 9.30 Uhr am Dienstag. Ein Brummen hallt über das sonst so beschauliche Wedeler Elbufer. Der Lärm kommt von der „Buran“. Deren Schiffsführer steuert den lautstarken Spüler langsam um den Wedeler Anleger herum und sorgt dabei für mächtig Wirbel am Elbgrund. Doch das ist nur Vorgeplänkel. Erst wenn der Ponton weg ist, geht die Arbeit richtig los. Denn an dieser Stelle hat sich am meisten Schlick angesammelt, und der muss dringend weg.
Das Problem: An dem Wedeler Anleger häufen sich die Sedimente – und zwar so sehr, dass der zwei Millionen Eure neue Ponton bei Niedrigwasser auf dem Schlick aufliegt. Dafür ist er aber nicht konstruiert. Risse könnten sich durch den Druck im Beton bilden. Es drohen langfristige Schäden. Und so muss die Stadt Wedel im zweiten Jahr in Folge in die Entschlickung investieren. Rund 20.000 Euro kostet die aufwendige Aktion mit zwei eigens georderten Schleppern.
Für deren Besatzung beginnt der Morgen mit Warten. Für etwa 8.30 Uhr war das Manöver geplant, bei dem der Anleger zum nahegelegenen Tonnenhafen geschleppt wird. Doch die Strömung nimmt zu diesem Zeitpunkt nicht ihren gewünschten Lauf. Die Halterungen, die den Ponton an der Brücke befestigen, wurden zwar bereits gelöst. Allerdings hat sich der Anleger noch nicht freigeschwommen. Auf dem Steg warten die Helfer deshalb darauf, dass der Wasserspiegel sinkt und der Abstand zwischen dem schwimmenden Ponton und seiner Befestigung zum Land zunimmt.
Knapp eine Stunde später können die Schlepper „Taifun“ und „Moorburg“ zeigen, was in ihnen steckt. Mit ihren jeweils 800 und 530 PS legen sie sich ins Zeug, bringen den Ponton in Stellung und schleppen ihn zum Tonnenhafen. Die Bewegung auf dem Wasser erfreut auch die interessierten Zuschauer. Einige haben sich am Ufer eingefunden, um zu beobachten, wie der berühmte Ponton, von dem aus seit 60 Jahren Schiffe begrüßt werden, auf Reisen geht.
Darunter ist auch Hans Schütt. Der Wedeler kommt oft zum Hafen. Doch normalerweise lenkt ihn nichts von seinen Vögeln ab. Schütt, der Mitglied im Naturschutzbund ist, beobachtet die tierischen Bewohner, zählt die beringten Möwen, ihre Zugbewegungen und erfasst ihr Alter. Laut Schütt würde derzeit eine der ältesten Sturmmöwen in Wedel überwintern. Sie soll laut Ring 26 Jahre alt sein. Doch für den abgeschleppten Anleger lässt auch er die Möwen kurz außer Acht.
Einige Stunden, höchstens einen Tag, soll der Anleger im Tonnenhafen bleiben. Währenddessen muss der Spüler „Buran“ ran. Es gilt, rund 3000 Kubikmeter an abgelagerten Sedimenten aufzuwirbeln und fortzuschaffen. Bereits im vergangenen Jahr mussten Schlepper Platz schaffen zum Entschlicken. Es war damals das erste Mal.
Zuvor hatten die Wedeler nie ein Schlammproblem an ihrem Anleger. Umso mehr überraschte Politiker und Stadtverwaltung, dass bereits in diesem Jahr das Problem erneut auftauchte. „Es ist neu an den vergangenen Jahren, dass man so oft ausbaggern muss“, stellt auch Peter Krause fest. Der langjährige Mitarbeiter im Wedeler Rathaus überwachte am Dienstag die Aktion am Anleger und kann sich an solche Verhältnisse nicht erinnern. „Das hatten wir früher nie.“
Tatsächlich kämpft nicht nur Wedel mit dem Schlick. Zahlreiche kleine Häfen an der Elbe müssen öfter und mehr spülen lassen. Das weiß auch Andreas Bätjer von der Firma PAN (Pantonanlage Niederelbe), dem auch die „Buran“ gehört. Sein Geschäft brummt. So entschlickt sein Spüler unter anderem auch in Teufelsbrück und im Mühlenberger Yachthafen. „Die Neuverschlickung hat merklich zugenommen“, sagt Bätjer, dessen Vater den Wedeler Werkhafen am heutigen Businesspark betrieb (Schnalles Hafen).
Was Bätjer und Krause in der Praxis bemerken, kann Ingo Entelmann vom Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg (WSA) mit Zahlen belegen. So misst das Amt unter anderem auch in Wedel mittels Bojen die Wassertrübung und somit den Schwebstoffgehalt in der Elbe. Der hat sich laut Entelmann verändert. „Wir sehen an unseren Messdaten, dass in den letzten zwei Jahren der Schwebstoffgehalt deutlich höher war als im langjährigen Mittel.“ Da sich mehr Schwebstoffe im Wasser befinden, sedimentiert entsprechend auch mehr Material, das sich bevorzugt in strömungsberuhigten Bereichen ablagert. „Das sind keine günstigen Jahre für kleine Hafenbetreiber“, so Entelmann.
Grund für die getrübte Stimmung ist laut dem Fachmann für Gewässerkunde und Sedimentmanagement beim WSA das andauernde geringe Oberwasser in der Elbe. Heißt: Weil weniger Wasser aufgrund von Regen und Schneeschmelze den Fluss hinabströmen, hat sich die Trübungszone in der Tideelbe stromaufwärts verschoben – hin zur Hansestadt. Unter Trübungszone versteht man den Bereich, wo Süß- und Salzwasser aufeinandertreffen, und wo die Konzentration an Sedimentspartikeln besonders auch ist. Ob die Aussichten trübe bleiben, kann Enkelmann nicht sagen.
Klar ist, dass die Schlickschlacht an der Elbe vorerst weitergeht. Auch in Wedel. Spüler „Buran“ ist bereits erneut gebucht. Anfang April soll er neugestaltete Hafenbecken entschlicken. Hier wartet aber deutlich mehr Arbeit auf das Boot. Es müssen 25.000 Kubikmeter Sedimenteinlagerung aufgespült und fortgeschafft werden. Drei Tage lang wird das Brummen dann voraussichtlich in Wedel zu hören sein.