Pinneberg. Im Geschwister-Scholl-Haus herrschte oft Leere. Das ändert sich jetzt, weil junge Asylbewerber an der Bahnhofstraße willkommen sind.

Das Wasser plätschert ins Waschbecken der kleinen Küche im Jugendzentrum. Arabische Silben fliegen durch den Raum, in dessen Nische Hähnchenschenkel gewaschen und für das Kochen vorbereitet werden. Gegenüber füllt ein junger Mann große Schüsseln mit Wasser und weicht Reis darin ein. Wir sind zu Gast im Pinneberger Jugendzentrum. Hier kochen Flüchtlinge Gerichte, die für ihr Heimatland typisch sind. Gemeinsam mit deutschen Schülern. „Bisher ist das Essen immer gut angekommen“, sagt Betreuer Daniel, der zum Team des Geschwister-Scholl-Hauses gehört.

Während dort früher häufig gähnende Leere herrschte, tobt jetzt das Leben – auch weil sich das Haus ausdrücklich für Flüchtlinge öffnet. Leiter Jens Schmidt hatte mit dem Einrichten einer Chillout-Lounge vor einem Jahr die Weichen gestellt. „Wir bieten Geflüchteten, die oft noch nicht mal ein richtiges Zuhause haben, einen Ort der Begegnung“, sagt er.

Seit knapp einem halben Jahr kocht Daniel zusammen mit Michael und Jana, die das Kochteam komplettieren, mittwochs mit jungen Asylbewerbern. Einmal pro Woche wird im Jugendhaus ein internationales Dinner mit Spezialitäten aus Ländern wie Eritrea, Kenia, der Türkei oder dem Irak aufgetischt. An diesem Mittwoch kochen zum ersten Mal Schüler der Pinneberger Johannes-Brahms-Schule (JBS) mit Schülern einer so genannten DaZ-Klasse. An der Beruflichen Schule lernen die Flüchtlinge Deutsch als Zweitsprache.

Vier Schülerinnen von Tobias-Fabian Schwitters, Lehrer für Mathematik und Physik an der Brahms-Schule, sitzen an dem großen Holztisch, der in der Mitte des Raumes steht. Sie schneiden Paprika, schnippeln Gurken und Tomaten, raspeln die Karotten für den Salat. Der Geruch von rohem Gemüse zieht durch den Raum, wird kurz darauf vom Duft der mittlerweile in einem Topf auf dem Herd gelandeten Hähnchenschenkel ersetzt.

Die arabischen Wortfetzen werden bereits nach kurzer Zeit durch englische und deutsche ergänzt. Zwischen den Flüchtlingen und den Schülern der Johannes-Brahms-Schule entstehen erste Gespräche. Später werden Namen ausgetauscht. „Zwischendurch gab es zwar sprachliche Probleme, aber am Ende haben wir die Jungs immer verstanden und wussten, was sie von uns wollten“, sagt Schülerin Michelle. Derweil ruft Mohamad nach Daniel und fragt nach dem Joghurt für die Marinade. Verwirrte Blicke. „Den habt ihr wohl vergessen zu kaufen“, sagt der im Jugendzentrum beschäftigte Praktikant und fährt flugs noch einmal los, um welchen zu besorgen.

An der Arbeitsplatte neben dem Ofen arbeiten Hobbykoch Michael und ein jüngeres Flüchtlingsmädchen. Zusammen stellen die beiden Blätterteiglöffel her. Am Abend werden die dann zu der Tomatensuppe serviert, die Jana im Hintergrund in einem großen Topf zubereitet.

Lehrer Schwitters steht währenddessen mit einem Getränk am Rande des Geschehens und beobachtet seine Schützlinge. Er lächelt. „Die Idee gefällt mir gut“, sagt er. Auch seine Schülerinnen können sich vorstellen, wiederzukommen und gemeinsam zu kochen. „Ich finde es gut, dass die Schule das anbietet und wir diese Möglichkeit haben“, sagt Jessica. Auch den jungen Männern und Frauen der DaZ-Klasse gefällt das gemeinschaftliche Kochen. Die Gruppe um Qutaiba, Mohamad und Hayda hat großen Spaß.

Kaum betritt Daniel mit dem Joghurt die Küche, kann die Vorbereitung für das Hauptgericht, Hähnchenschenkel mit Curryreis, weitergehen. Marinade anrühren, Geflügel damit bestreichen und ab in den Ofen. Es ist übrigens kein Zufall, dass ausgerechnet dieses Fleisch heute auf dem Tisch steht. „Wir versuchen, weitgehend auf Schweinefleisch zu verzichten“, sagt Michael zu der Auswahl.

Kurz vor 18 Uhr treffen langsam die ersten neugierigen Esser ein. Anfangs ist das Team lediglich von 30 Portionen ausgegangen. Doch überraschenderweise versammeln sich kurze Zeit später fast doppelt so viele Gäste im großen Saal des Jugendzentrums. Schnell stellen die Flüchtlinge noch weitere Tische auf und verteilen Geschirr und Besteck. Langsam wird die Stimmung etwas hektischer. Aber davon lässt sich niemand beirren, vor allem die heutigen Köche nicht. Die letzten Handgriffe werden getätigt, der Salat vermischt, der Reis zubereitet, alles wird auf dem Büfett angerichtet. Mehr als 50 hungrige Menschen sitzen auf ihren Plätzen und warten gespannt auf das Menü. Und obwohl am Ende vielleicht nicht jeder satt geworden ist und alles probieren konnte, verbringen Groß und Klein aus Nah und Fern gemütliche Stunden zusammen.

Auch am nächsten Mittwoch wird wieder zusammen gekocht. Finanziert werden die Drei-Gänge-Menüs dabei von den Gästen, die nicht mehr als drei Euro für den Abend zahlen sollen. „Wir wollen die Kosten so gering wie möglich halten“, sagt Hobbykoch Michael, der sich bei jeder Küchensession auf Anregungen aus anderen Esskulturen freut.