Uetersen. Im Jugendzentrum in Uetersen ist mittlerweile jeder Dritte Besucher Asylbewerber. Für Leiter Jörg Hitz birgt das Chancen.
Die Flüchtlingssituation hat Uetersens Jugendarbeit in den vergangenen Monaten deutlich verändert. Ein Problem ist das für den Jugendpfleger und Leiter des Jugendzentrums, Jörg Hitz, allerdings nicht. Auch Ove Petersen, Initiator des Rock-Ambulanz-Projektes, sieht in der zunehmenden Zahl von Flüchtlingen, die in der Rosenstadt leben, eher eine Chance für die Gesellschaft.
2014 hat Ove Petersen das Musikprojekt Rock-Ambulanz, das vom Bund gefördert wird, ins Leben gerufen, um Kinder aus sozial benachteiligten und Migrantenfamilien zu stärken. Das Projekt laufe gut, erreiche etwa 20 Kinder pro Woche. Bei Workshops seien sogar bis zu 40 Kinder dabei, berichtet Petersen. Mit der zunehmenden Zahl an Migranten in der Rosenstadt sei das Rock-Projekt um so wichtiger geworden. Es gelte jetzt, Brücken zu schlagen, Kontakte herzustellen, die Inte-gration zu erleichtern. „Ich denke, wir sind da auf einem guten Weg. Oft ist die gemeinsame Sprache für Kinder die Musik“, sagt der Uetersener Musiklehrer Petersen.
Bei dem Rock-Ambulanz-Projekt, bei dem Schüler gemeinsam musizieren und eventuell sogar gemeinsam Bands gründen, hat Petersen allerdings feststellen müssen, dass das Konzept nicht ganz so funktioniert, wie er sich das einst gedacht hatte. „Ich war davon ausgegangen, dass am Ende Rockmusik herauskommt. Aber gerade bei einige Flüchtlingskindern stelle ich dann oft fest, dass die mit einer E-Gitarre gar nichts anfangen können, die interessiert sie nicht“, sagt er. Statt dessen seien beispielsweise neue Trommelinstrumente hinzugekommen, neue Rhythmen, traditionell angelehnte landestypische Lieder. Von Nachteil sei das nicht. Im Gegenteil: Es erweitere den kulturellen Horizont aller Projektteilnehmer.
Die Jugendlichen, die zu ihm stoßen, kommen insbesondere von der Rosenstadtschule und dem Jugendzentrum. In dem Uetersener Jugendhaus an der Parkstraße gebe es immer mehr Flüchtlingskinder. Viele von ihnen hätten, so Hitz, über Mund-zu-Mund-Propaganda vom Jugendzentrum erfahren und mit Freunden reingeschaut. Andere schnupperten rein, wenn die eingewanderten Eltern nebenan Deutsch lernten. Viele der Kinder und Jugendlichen blieben nach einem ersten Kontakt dem Jugendzentrum treu. Von 100 Kindern seien derzeit etwa 30 aus Flüchtlingsfamilien. „Die Tendenz ist steigend“, sagt Hitz. Die Vielfalt der Kulturen tue dem Jugendzentrum sehr gut. „Hier ist jetzt richtig was los“, sagt Hitz.
Viele der Kinder seien für Musikprojekte zu haben. Für Hitz ist dies das Beste, was der Stadt passieren kann. „Wer Musik macht, hat weniger dumme Ideen“, sagt er. „Deshalb begrüße ich es, wenn die Jungen und Mädchen zum Instrument greifen. Was Ove Petersen macht, kommt uns da natürlich zugute.“ Zudem sammelten die Kinder durch die Beschäftigung mit Musik wichtige Erfahrungen von der Zusammenarbeit bei Projekten bis zum kulturellen Austausch mit anderen Kindern. Hinzu kämen Lektionen in Organisation, Disziplin, Selbstreflexion und beim Umgang mit Kritik.
Dennoch hat die veränderte Situation das Jugendzentrum dazu gezwungen, die Arbeit teils umzustellen. „Wir hatten hier früher feste Regeln. Die erste lautete: man spricht Deutsch. Das können wir im Moment aber gar nicht durchziehen“, sagt Hitz. Dennoch funktioniere die Kommunikation, weil das Jugendzentrum sehr international aufgestellt sei. Ein Mitarbeiter kann Türkisch, einer spricht Russisch, ein Praktikant ist gar des Ungarischen mächtig. „Außerdem sind die Jugendlichen hier daran interessiert, schnell Deutsch zu lernen“, lobt der Uetersener Jugendpfleger die Integration.
Mehr Arbeit gebe es derzeit fraglos in der Jugendarbeit, so Hitz und Petersen. Doch insgesamt sei die Situation eine Bereicherung. Belastungen würden da gern in Kauf genommen. „Es macht uns Spaß zu sehen, wie schnell hier die Barrieren fallen, auch bei den Uetersener Jugendlichen“, sagt Hitz. Denn der direkte Kontakt zu den Flüchtlingskindern mache für sie vieles begreif- und auch mittelbarer. Die Jugendlichen wüchsen mehr und mehr zusammen.
Das sei auch der Stadtverwaltung geschuldet, die der Jugendarbeit den Rücken frei halte, sie finanziell und personell unterstütze. Was Hitz sich noch wünscht, ist, dass aus dem kulturellen Zusammenhalt und aus der Rock-Ambulanz, mehr echte Musikbands hervorgehen. „Früher hatten wir hier sechs, sieben Gruppen in Uetersen, die regelmäßig Auftritte hatten. Das fehlt jetzt ein bisschen. Aber vielleicht kommt das ja jetzt wieder. Es wäre jedenfalls schön für die Stadt“, sagt Hitz. Und noch etwas wünscht er sich: Dass auch außerhalb des Jugendzentrums einzelne Bürger lieber ihren Kopf einschalten und ins Jugendzentrum schauen, bevor sie Vorurteile übernehmen und schlecht über Flüchtlinge reden.
Petersen und Hitz wünschen sich für die Stadt ein Freiwilligennetzwerk, das die Jugendarbeit generell unterstützt. Insbesondere jüngere Engagierte würden fehlen. „Es wäre schön, wenn wir noch ein paar zusätzliche Helfer hätten, die mit anpacken würden“, sagt Hitz mit Blick auf die kommenden Monate.