Kreis Pinneberg. Die Flüchtlingskrise war das beherrschende Thema auf den Neujahrsempfängen der Kreisverbände von SPD und CDU in Pinneberg.

Erwartungsgemäß stellte die Flüchtlingskrise das beherrschende Thema auf den Neujahrsempfängen der Kreisverbände von SPD und CDU am Wochenende in Pinneberg dar. Der SPD-Kreisvorsitzende Thomas Hölck rief die Bürger dazu auf, Geduld zu haben. „Wenn wir akzeptieren, dass Integration ein langwieriger Prozess ist, schaffen wir das auch.“ CDU-Kreischef Ole Schröder sagte mit ähnlichen Worten: „Integration ist ein langwieriger kultureller Prozess“, und fügte dann hinzu: „Nochmal eine Million Menschen werden nicht zu integrieren sein.“

Dass die beiden großen Parteien das neue Jahr am selben Tag in der Kreisstadt begrüßten, war ein Novum. So konnten die vielen Gäste aus Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Verbänden, die als Funktionsträger von CDU und SPD eingeladen waren, aufgrund der zeitversetzten Terminierung in aller Ruhe von einem Empfang zum nächsten gehen. Beide Parteien hatten prominente Gastredner eingeladen: die Union den EU-Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Günther Oettinger (CDU), die Sozialdemokraten die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Britta Ernst (SPD).

Ministerin Ernst erinnerte an den Ausspruch von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der vor einem Jahr gesagt hätte, die Welt sei aus den Fugen geraten. Nun, nachdem 50.000 Flüchtlinge aus den Krisenherden dieser Welt nach Schleswig-Holstein gekommen sind, sei es vorbei mit der Distanz. „Deutschland und Schleswig-Holstein haben der Welt ein freundliches Gesicht gezeigt.“ Viele Menschen, vor allem in den Verwaltungen und Wohlfahrtsverbänden, leisteten hervorragende humanitäre Hilfe. Daran änderten auch die Vorkommnisse der Silvesternacht in Köln nichts. Ernst: „Das war ein Angriff auf unsere Freiheit und unsere Form zu leben, vor allem die der Frauen.“ Weil viele dieser Angreifer aus Kulturkreisen kämen, wo Frauen keinen Respekt erlebten. „Aber wir müssen uns vor pauschalen Vorverurteilungen hüten. Die Täter sind eine Minderheit unter den Flüchtlingen. Diesen klaren Blick und unser Mitgefühl sollten wir uns bewahren.“

Hölck fordert eine Kultur des Bleibens

Daran erinnerte auch SPD-Kreisvorsitzender Hölck, als er den verstorbenen Altkanzler Helmut Schmidt zitierte: „Der Charakter zeigt sich in der Krise.“ Die aus Kreisen von Pegida und anonymen Hetzern im Internet geäußerten Hass-Parolen seien „Feinde unserer Demokratie und eine Schande für unser Land“. Es fehle an moralischen Instanzen wie Altkanzler Schmidt eine gewesen sei. „Außer der Flüchtlingshilfe brauchen wir aber auch eine Kultur des Bleibens.“

Dazu trage das Land bei, indem es 800 Millionen Euro in die Flüchtlingshilfe investierte, sagte Ministerin Britta Ernst. „Wir setzen auf das Recht auf Bildung. Das gilt auch für Flüchtlinge.“ 2015 seien 8000 Schüler in das Schulsystem integriert worden. „Deutsch und Arbeit sind der Schlüssel zur Integration.“ Darum seien auch die Hürden für arbeitssuchende Asylsuchende abgebaut worden. „Es macht ja keinen Sinn, dass sie untätig herumsitzen, wenn wir sie gebrauchen können.“

Kreisvorsitzender und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium Ole Schröder (v.l), EU-Kommissar Günther Oettinger und der stellvertretender CDU-Kreisvorsitzende, Christian von Boetticher
Kreisvorsitzender und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium Ole Schröder (v.l), EU-Kommissar Günther Oettinger und der stellvertretender CDU-Kreisvorsitzende, Christian von Boetticher © HA | Burkhard Fuchs

CDU-Kreischef Schröder betonte in seiner Rede als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium den Sicherheitsaspekt. „Nur ein starker Staat kann für die Sicherheit aller Bürger sorgen.“ Die Lehre aus den Übergriffen zu Silvester in Köln und Hamburg und andern Städten müsse sein, künftig Asylbewerber ausweisen zu können, die eine einjährige Bewährungsstrafe bekämen. „Wer hier Straftaten begeht, muss unser Land wieder verlassen.“

Zwar sei Deutschland wirtschaftlich, logistisch und medizinisch in der Lage, die Flüchtlingskrise zu meistern, sagte Schröder. Er plädierte allerdings dafür, für dieses Jahr eine Höchstgrenze von 250.000 Flüchtlingen einzuführen. Darüber solle im Februar auf EU-Ebene verhandelt werden. Darum habe der Bund auch wieder die Grenzkontrollen eingeführt. EU-Kommissar Oettinger plädierte ebenfalls für eine europäische Lösung der Flüchtlingsproblematik, indem die Türkei mit Milliardengeldern unterstützt werde, um die Flüchtlinge dort an der Außengrenze der EU humanitär, aber im Vergleich zu hier kostengünstiger unterzubringen. „Bis Ostern müssen wir das beschlossen haben“, forderte Oettinger. „Wir bitten Sie, behalten Sie solange die Nerven!“

Der EU-Kommissar für die digitale Gesellschaft warnte: Deutschland, das auf dem Zenit seiner wirtschaftlichen Kraft sei, dürfe nicht den Anschluss in der digitalen Revolution verlieren. „Breitband mit einer hohen Leistungsfähigkeit ist heute die wichtigste Infrastruktur.“ Wenn wir das nicht erkennen, werde unser sozialer Wohlstand den Bach herunter gehen. Als das von der Bevölkerung her zweitälteste Land der Welt nach Japan gehe es hierzulande nicht um „die Rente mit 63“, sagte Oettinger. „Das ist deutsches Romantika. Wir müssen über die Rente mit 70 sprechen.“