Pinneberg. In Pinneberg übernehmen Asylbewerber das Renovieren von Unterkünften. Das spart der Stadt und den Steuerzahlern Geld.
Kazm Kelko ist Syrer. Vor sieben Monaten machte sich der 50-Jährige auf nach Deutschland, gab seine Existenz in dem vom Bürgerkrieg geschundenen Heimatland auf. In Pinneberg will Kazm, der in einer städtischen Unterkunft untergebracht ist, dauerhaft ein neues Zuhause finden. Einen Job hat er noch nicht. Er hoffe auf Anstellung als Dekorateur, sagt der Syrer in gebrochenem Deutsch. Bis das klappt, komplett untätig zu sein – für den handwerklich begabten Mann keine Alternative. Er gehört zu einer Gruppe von Flüchtlingen, die die Ärmel hochkrempeln, um die Lebensbedingungen für andere Asylbewerber erträglicher zu gestalten. Eine erste Lektion in Sachen Ehrenamt, die Steuergelder spart.
Unter Federführung ehrenamtlicher Helfer werden seit kurzem städtische Unterkünfte für Asylbewerber renoviert. An der Elmshorner Straße sowie an der Dr.-Carl-Goerdeler-Straße ist das bereits geschehen. Die finanziell gebeutelte Kreisstadt, die nur das Arbeitsmaterial bereitstellen muss, entlastet dieses Engagement finanziell. „Ein gutes Signal, wir sparen bares Geld“, freut sich Rathaussprecher Marc Trampe, der sich um die Unterbringung von Neuankömmlingen kümmert. „Wir profitieren davon, dass Unterkünfte teilweise schneller und in einem besseren Zustand zur Verfügung stehen. Gleichzeitig haben Flüchtlinge eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und lernen die deutsche Sprache durch praktisches Tun schneller“, lobt Bürgermeisterin Urte Steinberg.
620 Asylbewerber sind derzeit in Pinneberg gemeldet. Eine Sammelunterkunft gibt es bislang nicht. Um dem Ansturm begegnen zu können, mietet die Stadt Privatwohnungen an. „Die sind zuweilen in einem schlechten Zustand“, sagt Roman Bues, der seit dem Frühjahr Freizeit opfert, um Flüchtlingen den Einstieg in die Gesellschaft zu erleichtern. Dabei stößt er auf Menschen, die nicht nur nehmen, sondern auch etwas zurückgeben wollen. Wie Kazm Kelko. Und Hussein Othman, der wie sein Schicksalsgenosse aus dem zerstörten Aleppo stammt. Auch Hussein packt beim Renovieren mit an. Der Syrer hat in seiner Heimat als Rechtsanwalt gearbeitet. Jetzt zieht er mit Pinsel und Rolle los, um Wohnungen auf Vordermann zu bringen.
„Diese Flüchtlinge wollen etwas für die Allgemeinheit tun, das beeindruckt ich“, sagt der ehemalige Berufsschullehrer Bues, der gemeinsam mit seiner Frau Ulrike als einer der ersten freiwilligen Helfer in Pinneberg Weichen für eine Willkommenskultur gestellt hat. Zweifellos hat die Kreisstadt, die vor einigen Monaten in punkto Integration von Asylbewerbern gegenüber anderen Kommunen noch gewaltig hinterherhinkte, einen Sprung gemacht. Die Zahl der Flüchtlingshelfer ist auf mehr als 100 Ehrenamtler gestiegen. In den Räumen der früheren Privathochschule Akad hat die Stadt ein Zentrum für sie eingerichtet. Eine Kleiderkammer wird an diesem Mittwoch eröffnet. Zudem ist das Jugendzentrum Geschwister-Scholl-Haus zu einer Art Treffpunkt für Flüchtlinge geworden. Fast jeder Winkel des Hauses wird ausgenutzt. Es wird gemeinsam gekocht, Deutsch gelernt und gespielt. Im Keller des Hauses hat Roman Bues eine Fahrradwerkstatt eingerichtet, die kürzlich ihre Pforten öffnete. Dort können Asylbewerber alte Drahtesel gegen einen geringen Betrag erwerben. Allerdings sind sie auch hier gefordert: „Sie müssen selbst schrauben, sich auch mal die Hände schmutzig machen“, sagt Bues, der sich längst darauf eingestellt hat, mit Händen und Füßen zu kommunizieren. Geschenkt gebe es auch in unserem Land nichts, so der 65-Jährige. Kazm und Hussein wollen nichts geschenkt. Sie haben Arbeitskittel angezogen. Werkzeugkoffer stehen bereit. Gemeinsam arbeiten sie an den Bremsen eines aufgebockten Fahrrads. Es wird gefachsimpelt – und viel gelacht. „Wir können noch Schrauber gebrauchen“, sagt Bues, dessen Werkstatt mittwochs gegen 14 Uhr die Tore öffnet. Er wiederholt sich gern: „Diese Menschen wollen etwas tun“.