Prisdorf . In Prisdorf missachten immer mehr Pendler geschlossene Schranken, um noch den Zug zu erreichen. Doch das kann teuer werden.
Die Nordbahn wartet am Prisdorfer Bahnhof auf Fahrgäste. Der junge Mann würde den Zug in Richtung Hamburg noch erreichen. Allerdings befindet er sich auf der falschen Seite, er müsste dazu die Gleise am Bahnübergang queren. Die Schranken sind unten, das Rotlicht leuchtet. Was dem jungen Mann am Dienstagmorgen durch den Kopf geht, merkt der Beobachter sofort: Noch schnell rüberlaufen, um den Zug zu erwischen? Oder warten, bis das Rotlicht erlischt und die Schranken sich heben – dafür aber den Zug verpassen?
Der junge Mann entscheidet sich fürs Warten. Begünstigt wird sein Entschluss durch die Anwesenheit von Frank Stuhr und Thomas Masekowitz. Die beiden Bundespolizisten stehen vor den Schranken, ihr Streifenwagen parkt deutlich sichtbar vor dem Übergang. Sie wachen darüber, dass niemand bei Rotlicht und geschlossenen Schranken über die Gleise rennt. Das ist in Prisdorf an der Tagesordnung. Teils sogar vor den Augen der Polizei.
29 Zugdurchfahrten zwischen 6 und 8 Uhr
„Unverantwortlicher Leichtsinn, lebensgefährliches Verhalten“, sagt Hans-Peter Schwartz, Sprecher der Bundespolizei. Ihm fehlen für derartiges Verhalten die Worte. Es handele sich um die meistbefahrene Bahnstrecke in Schleswig-Holstein. Allein zwischen 6 und 8 Uhr notierten die Beamten 29 Zugdurchfahrten am Prisdorfer Bahnhof. „Wer diese Strecke trotz Rotlichts und geschlossener Schranken überquert, riskiert sein Leben“, sagt Schwartz. Aber offenbar würden viele Pendler das Risiko in Kauf nehmen, um pünktlich zur Arbeit zu kommen. „Die Akzeptanz in der Bevölkerung fehlt.“
Schwartz und seine Kollegen sind sich einig: „Auch der junge Mann wäre rübergelaufen, wenn wir hier nicht gestanden hätten.“ Nur die Ansprache durch die Polizisten habe ihn zur Räson gebracht und vom verbotenen Tun abgehalten. Das Problem: Hinter den Schranken befindet sich auf beiden Seiten ein Drehkreuz. Das funktioniert zwar nur in eine Richtung. Allerdings kann sich eine halbwegs schlanke Person einfach am Drehkreuz vorbeizwängen und so trotz geschlossener Schranken auf den Bahnübergang gelangen.
Um das zu verhindern, hat die Bundespolizei ihre Kontrollen an dieser Stelle intensiviert. Zum vierten Mal innerhalb von zwei Wochen standen die Beamten am Mittwoch zwischen 6 und 9 Uhr in Prisdorf. Zeitgleich hatten sich Beamte der Landespolizei einige Hundert Meter entfernt am Bahnübergang Pinneberger Straße/Hauptstraße postiert, um Verstöße von Autofahrern zu ahnden.
Strafen zwischen 120 und 350 Euro
„Meine vier Kollegen waren am Prisdorfer Bahnhof noch bei der Lagebesprechung, als die erste Person vor unseren Augen bei geschlossener Schranke über die Gleise zum Zug lief“, sagt Schwartz. Der junge Mann entkam, weil die Beamten natürlich nicht hinterherrannten und sich selbst in Lebensgefahr brachten. Im weiteren Verlauf des Einsatzes postierten sich jeweils zwei Beamte auf beiden Seiten des Übergangs, sodass dieses nicht mehr passieren konnte.
„Wir und unser Fahrzeug stehen deutlich sichtbar am Übergang. Mehr Fairness geht nicht. Dass wir trotzdem ignoriert werden, ist schon dreist“, sagt Bundespolizist Frank Stuhr. Einen 20-Jährigen, der trotz der sichtbaren Präsenz der Beamten bei Rotlicht und sich senkenden Schranken über den Übergang spurtete, nahm der Posten auf der anderen Seite in Empfang. Der junge Mann wird nun ein Bußgeld in Höhe von 120 Euro zahlen müssen. Wer bei komplett geschlossenen Schranken die Überquerung wagt, zahlt sogar 350 Euro. Solche Fälle gab es bei den vorherigen Kontrollen zuhauf. Am Mittwoch nicht. „Vielleicht ist das ja ein Zeichen dafür, dass unsere Präsenz Wirkung zeigt“, sagt Schwartz.
Der Polizeisprecher hat inzwischen Kontakt zur Bilsbekschule aufgenommen. „Wir wollen den Schülern in der dritten und vierten Klasse im Rahmen der Prävention beibringen, wie sie sich richtig an Bahnübergängen verhalten“, sagt Schwartz. Und er fügt hinzu: „Kinder machen ja häufig das nach, was ihnen Erwachsene vorleben.“ Und schlechte Beispiele gebe es im Umfeld des Bahnhofs genug.
Auch einige Hundert Meter weiter am Bahnübergang gab es einige schwarze Schafe. Sieben teils schwerwiegende Verstöße stellten die dortigen Polizisten innerhalb von drei Stunden fest. Mehrere Autofahrer müssen wegen Rotlichtverstößen mit Bußgeldern in dreistelliger Höhe und einem Fahrverbot von bis zu zwei Monaten rechnen. Punkte in der Verkehrssünderdatei gibt es als „Bonus“ noch obendrauf. Ein Autofahrer wird sich möglicherweise sogar vor Gericht wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verantworten müssen. Er soll an der Autoschlange vorbeigefahren und trotz Rotlichts und sich senkender Schranken noch schnell den Bahnübergang überquert haben.