Pinneberg. Riesenandrang bei Einwohnerversammlung zur Willkommenskultur. Neue Flüchtlingskoordinatorin der Stadt Pinneberg Pia Kohbrok stellt sich vor.
Es ist Montagabend, die Einwohnerversammlung zum Thema Willkommenskultur hat gerade erst begonnen. Da machen sich die ersten Besucher schon wieder auf den Weg zurück nach Hause. Enttäuschte Gesichter bei jenen, die es nicht in den Pinneberger Ratssitzungssaal geschafft haben. Der Andrang ist zu groß. Schon im Foyer drängen sich die Menschen. Versuchen zumeist vergeblich, das eine oder andere Wort zu erhaschen. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass die Pinneberger der Flüchtlingsthematik noch längst nicht müde sind – an diesem Abend wird er erbracht.
Schuldenkrise, neues Kulturzentrum oder Bahnhofsumbau: Vieles wurde in den vergangenen Jahren bei Versammlungen dieser Art diskutiert. Nie zuvor war das Interesse der Kreisstädter so groß. Joachim Dreher wundert das nicht. Er engagiert sich in der Initiative Freifunk, stattet in seiner Freizeit Flüchtlingsunterkünfte mit WLAN aus. Und berichtet von mittlerweile 120 Pinnebergern, die sich in verschiedenen Initiativen für Asylbewerber stark machen. „Viele wollen helfen“, sagt Dreher. Und trifft mit diesem Satz den Tenor dieses Abends.
Drinnen im Saal spricht Bürgermeisterin Urte Steinberg. Sie gibt einen Überblick über die aktuelle Situation. Zahlen, Daten und Fakten. Für jene Besucher, die regelmäßig Zeitung lesen, keine wirklichen Neuigkeiten: Der Zustrom an Asylbewerbern liegt schon seit längerem um und bei 15 Menschen, die pro Woche kommen. Ein Abgesandter der Stabsstelle für Erstaufnahmeeinrichtungen beleuchtet die Situation im Land. Mit Pia Kohbrok darf sich die neue Flüchtlingskoordinatorin der Stadt Pinneberg vorstellen.
Im Foyer formieren sich derweil kleine Grüppchen. Es wird angeregt diskutiert. Darüber, wie und wo geholfen werden kann. Über geplante Herbergen für Asylbewerber im Stadtgebiet. „Man muss loben, wie die Stadt es bislang schafft, dezentral unterzubringen“, sagt Claudia Patt. Es müsse darum gehen, Massenunterkünfte so lange wie möglich zu verhindern.
An den vorm Ratssaal aufgebauten Ständen geht es derweil etwas ruhiger zu. Vor und während der Versammlung haben Besucher Gelegenheit, sich bei den Mitarbeitern des Sozialkaufhauses, der Volkshochschule, der Kleiderkammer und des Diakonievereins Migration über die Arbeit an einer Willkommenskultur zu informieren. Eine Art Mini-Messe der Hilfsbereitschaft, die gut angenommen wird. Volkshochschulchef Wolfgang J. Domeyer freut sich über das Interesse der Menschen: „Aber man hätte wohl doch besser die Rübekamphalle gebucht“, sagt er angesichts des Gedränges.
Im Ratssaal hat mittlerweile die Diskussion begonnen. Fragen sind erwünscht. Viele nutzen die Gelegenheit lieber zu einem Statement, stellen ihre in den vergangenen Monaten ins Leben gerufenen Initiativen vor und begrüßen Menschen aus den Krisengebieten der Welt als Neubürger der Stadt. Ein Syrer schildert sein Schicksal, berichtet von seiner Ausbildung. Davon, wie wohl er sich in Pinneberg fühlt. Er erntet Applaus.
An einem Abend, an dem in Dresden 5000 islamkritische Pegida-Anhänger durch die Straßen ziehen, dominieren in Pinneberg Hilfsbereitschaft und Interesse. Nur ab und zu schimmern Ängste durch: Wer das alles bezahlen solle, will einer wissen. Bürgervorsteherin Natalina Boenigk, Urte Steinberg und die Referenten reagieren besonnen. Und Boenigk entlässt die Menschen, es mögen um die 300 gewesen sein, nach zweieinhalb Stunden in die Nacht. Steinberg: „Ich bin dankbar für so viel Offenheit und Hilfsbersitschaft in dieser Stadt.“