Kreis Pinneberg. Lagebericht des Landrats: 100 Asylbewerber erreichen den Kreis Pinneberg pro Woche, 3000 werden es bis Ende 2015 sein.

Das akute Flüchtlingsdrama hat die jüngste Sitzung des Kreistages bestimmt. Landrat Oliver Stolz, den die Politik dazu aufgefordert hatte, gab in schonungsloser Offenheit einen aktuellen Lagebericht zur Situation im Kreis Pinneberg und zur erwarteten Entwicklung. Danach befinden sich momentan 1909 Asylbewerber im Kreis Pinneberg, fast doppelt so viele wie zu Jahresbeginn. Mehr als 100 Flüchtlinge erwartet die Verwaltung jetzt jede Woche zugewiesen zu bekommen, sodass Ende des Jahres etwa 3000 Flüchtlinge den Kreis Pinneberg erreicht haben könnten.

Alle diese Menschen unterbringen zu können, werde die Herausforderung der nächsten Wochen sein, sagte Stolz. Ein besonderes Problem stelle dabei die Versorgung Minderjähriger dar, die ohne Eltern und Verwandte hierherkommen. 58 Flüchtlingskinder seien es zurzeit, 2016 würden 200 Kinder hinzukommen, die hier betreut, versorgt und beschult werden müssten. „Für sie werden wir Pflegefamilien, Vormünder und Paten brauchen“, warb Stolz um Unterstützung. Die Jugendhilfekosten stiegen dadurch 2016 um zwölf Millionen Euro. In diesem Jahr werden sich die Ausgaben für alle Flüchtlinge von 8,4 auf 16,4 Millionen Euro verdoppeln.

„Es geht nicht mehr um Standards, um Zuständigkeiten, um Höchstgrenzen. Es geht in allererster Linie darum, diesen Menschen ein Dach über den Kopf zu schaffen, um Sicherheit, um elementare Bedürfnisse.“ Darum habe er in der Verwaltung einen Krisenstab mit den erfahrensten Führungskräften gebildet, sagte Stolz. Noch im September würden 2,5 zusätzliche Personalstellen geschaffen, die die Flüchtlingsproblematik für den Kreis koordinieren sollen. Dies sei als „klares Signal an die Kommunen“ zu verstehen, dass die Verwaltung anerkannt habe, dass deren Ressourcen an freiem Wohnraum in Kürze am Ende sein dürften, erklärte Stolz. „Das begründet aus meiner Sicht eine Handlungspflicht des Kreises.“

Deshalb werde die Verwaltung jetzt „mit Hochdruck alle Möglichkeiten zur Errichtung zentraler Unterkünfte, die sowohl vom Kreis als auch von den Kommunen betrieben werden können, untersuchen“, sagte Stolz und betonte dann: „Das müssen wir prüfen und möglichst schnell entscheiden. Dabei darf es keine Tabus mehr geben.“ Kommunen wie Pinneberg, wo 300 Flüchtlinge in der Eggerstedt-Kaserne unterkommen sollen, planten ihrerseits die Einrichtung von Sammelunterkünften. Der Kreis werde solche Initiativen unterstützen, indem er Bauvorschriften auf ein Minimum absenken und Bauten im Außenbereich zulassen werde, sagte Stolz.

Es gebe bereits Hilfsangebote von anderen Organisationen, sagte Stolz. So hätten THW, DRK, Feuerwehr, die Unteroffizierschule in Appen und die Regio Kliniken signalisiert, den Kreis bei dieser Aufgabe zu unterstützen, kündigte Stolz an, ohne dies zu konkretisieren. Der Kreisssportverband habe dem Kreis spontan 150 Feldbetten und 120 Metallbetten zur Verfügung gestellt, die nun erst einmal in der Straßenmeisterei lagerten. Auch der Kreisjugendring möchte sich in die Flüchtlingshilfe einbringen, sagte Stolz.

Die Regio-Kliniken böten an, das leer stehende ehemalige Krankenhaus in Uetersen, das 120 Betten hatte, und das Schwesternwohnheim in Wedel mit 80 Zimmern für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, sagt Regio-Sprecher Sebastian Kimstädt. Allerdings müssten beide Gebäude dafür mit einer halben Million Euro hergerichtet werden. „Kreis und die Stadt Wedel prüfen dies zurzeit“, sagt Kimstädt. Darüber hinaus stelle sich der Klinikbetrieb darauf ein, dass in nächster Zeit verstärkt Patienten aus dem arabischen Raum medizinisch versorgt werden müssten.

„Wir müssen jetzt für Unterbringung, Sicherheit, Nahrung und Gesundheit sorgen, dann aber sofort auch damit beginnen, ein menschenwürdiges Leben zu sichern – Betreuung, Schritte der Integration, Planung von Spracherwerb, Schule und Kindertagesbetreuung“, appellierte Stolz an den Kreistag, der diese Aussage mit Beifall bedachte: „Das ist unsere Aufgabe vor Ort, und die kann uns niemand abnehmen.“