Rellingen. 13 Bewohner verlieren Zuhause, 15 Mitarbeiter ihren Job im Haus Rügen. Wird aus dem Pflegeheim nun eine Flüchtlingsunterkunft?

Der Parkplatz ist verwaist. Die Gardinen sind zugezogen. Im Haus Rügen an der Tangstedter Straße brennt seit Tagen kein Licht mehr. Anfang Juni war bekannt geworden, dass das Seniorenheim wegen finanzieller Schieflage vorläufige Insolvenz anmelden musste. In den Wochen darauf hatten Bewohner und Angehörige leidenschaftlich für eine Zukunft des Hauses gekämpft. Sie hatten die familiäre Atmosphäre im Haus mit Herz hervorgehoben und sogar einen Tag der offenen Tür auf die Beine gestellt, um für den Standort zu werben. Alles vergeblich. 13 Senioren haben ihr Zuhause verloren. 15 Mitarbeiter ihren Job.

Für Janusz Piotrowski und seine Frau Alina waren die vergangenen Wochen nicht leicht. Der Mann, der mit seiner Frau zusammen das Haus Rügen 2003 übernommen und seitdem geführt hatte, wirkt verzagt, als er die Tür öffnet. Ja, er habe trotz eines Schuldenbergs von mindestens 100.000 Euro bis zuletzt an eine Zukunft des Seniorenheims geglaubt. Nein, viel mehr wolle er jetzt nicht mehr sagen. Wie es für ihn und seine Frau weitergehe, sei derzeit völlig offen. Das Haus gehöre ihm samt 4000 Quadratmeter großem Grundstück. Kredite seien weitgehend abbezahlt.

Angehörige und Jurist lagen im Clinch

Verantwortlich für die Abwicklung ist der Pinneberger Anwalt Marcel Kleiß, der nach Stellung des Insolvenzantrags vom Amtsgericht Pinneberg als Insolvenzverwalter für das Seniorenheim eingesetzt worden ist. Angehörige hatten bis zuletzt im Clinch mit dem Juristen gelegen, ihm vorgeworfen, nicht ernsthaft an der Rettung der Einrichtung interessiert gewesen zu sein. Nach Abendblatt-Informationen soll zwischenzeitlich ein anderes Rellinger Seniorenheim als potenzieller Investor im Gespräch gewesen sein. Es soll Überlegungen gegeben haben, an der Tangstedter Straße eine Station für an Demenz erkrankte Menschen einzurichten. Ein Hoffnungsschimmer, der Mitte Juli verglühte.

Zur Schieflage des Alten- und Pflegeheims, das seit 1967 in der alten Villa residierte, haben diverse Brandschutzauflagen geführt, die auf Anweisung des Kreises umgesetzt werden mussten. Aufgrund der alten Bausubstanz erwuchsen daraus hohe Kosten, die letztlich zu dem Schuldenberg führten. Parallel dazu sank die Auslastung der Einrichtung aufgrund der starken Konkurrenzsituation in Pinneberg und Umgebung. Sinkende Einnahmen auf der einen und hohe Ausgaben auf der anderen Seite – das konnte das Ärzteehepaar Piotrowski nicht mehr kompensieren. Anfang Juni meldeten sie Insolvenz beim Amtsgericht an – in der Hoffnung, eine Lösung zur Fortführung des Betriebes zu finden.

Die ist jetzt geplatzt. Nachdem sich kein Investor fand und die dreimonatige Vorfinanzierung der Angestelltengehälter durch die Agentur für Arbeit auslief, stellte Kleiß den Betrieb zum 15. August ein. Die Angehörigen mussten sich binnen weniger Wochen für die 13 verbliebenen Bewohner neue Heimplätze suchen.

Schwerer Schlag für Bewohner und Angehörige

Für Monika Gundlach, deren 87-jährige Mutter an Demenz leidet und sich sehr schnell in dem familiären Privatheim an der Tangstedter Straße eingelebt hatte, bedeutete das einen schweren Schlag. „Die Nachricht hat uns im Urlaub Ende Juli erreicht, ich habe ihn deshalb unterbrechen müssen“, sagt sie. Der Insolvenzverwalter habe die Angehörigen erst Mitte Juli offiziell in einer Versammlung informiert. „Wir sind sehr traurig über diese Entwicklung“, so Gundlach, die für ihre Mutter einen Platz in einem nicht weit entfernten Seniorenheim gefunden hat.

Eine Stellungnahme des Insolvenzverwalters ist derzeit nicht zu bekommen. Wie aus seiner Pinneberger Kanzlei zu erfahren war, befindet sich Marcel Kleiß im Urlaub. Nicht in den Ferien weilt Rellingens Bürgermeisterin Anja Radtke. Und die hat mehr als ein Auge auf die nun leerstehende Immobilie geworfen, die als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden könnte. Nachdem zwei geplante Standorte gar nicht oder erst später realisiert werden können, weil es keine Wohncontainer mehr auf dem Markt gibt, ist die ursprünglich für 26 Senioren ausgelegte Einrichtung eine Alternative.

„Ja, das ist eine Option, wir prüfen das derzeit“, bestätigt die Verwaltungschefin auf Abendblatt-Anfrage. Und auch Bauausschusschef Eckhard Schlesselmann, CDU, bestätigt, dass Haus Rügen ein Baustein im Unterbringungskonzept der Gemeinde ist. „Wir sind an der Sache dran.“ Nach Abendblatt-Informationen hat die Verwaltung bereits die Fraktionsvorsitzenden informiert, dass sich in dieser Sache etwas tun könne. Geprüft werden offenbar sowohl eine längerfristige Anmietung des Komplexes als auch ein Kauf des Geländes.

Das Ehepaar Piotrowski macht derzeit nur noch klar Schiff. Wie es mit dem Haus und dem parkähnlichen Grundstück weitergeht, liegt in den Händen des Insolvenzverwalters. Immerhin: Um seine früheren Mitarbeiter muss sich Janusz Piotrowski nicht sorgen: „Sie haben alle eine neue Stelle gefunden“, sagt er.