Rellingen. Haus Rügen ist voläufig insolvent. Bewohner und Angehörige fürchten jetzt das aus des Rellingern Seniorenheims.

Einen edlen Empfangstresen sucht man vergebens. An der Wand hängen Tapeten mit Blümchenmuster. Auf einer Anrichte ein in die Jahre gekommener Röhrenfernseher. Das Interieur im Haus Rügen an der Tangstedter Straße wirkt wie aus der Zeit gefallen. Und gerade das gefällt Angehörigen und Bewohnern des privaten Seniorenheims, das sich abseits der Straße in einem parkähnlichen Gelände erhebt. 26 Plätze bieten die Betreiber, das Ärzteehepaar Piotrowski, an. Nur etwa die Hälfte der Zimmer sind derzeit belegt. Zu wenig, um kostendeckend zu arbeiten. Konsequenz: die vorläufige Insolvenz.

Doch Angehörige und Bewohner wollen für den Erhalt des Hauses an der Grenze von Rellingen zu Pinneberg kämpfen. Sie loben die familiäre Atmosphäre in der Einrichtung. „Wir brauchen keinen Hochglanz, vor allem Demenzkranke fühlen sich in einer ihnen vertrauten Umgebung wohler“, sagt Monika Gundlach. Ihre 87-jährige Mutter, die im Haus Rügen lebt, steht hinter ihrem Stuhl. Und lächelt zufrieden.

Joern Windler wohnt gleich um die Ecke. Er ist fast täglich im Haus Rügen, um seinen Großvater Heinz zu besuchen. Der 95-Jährige lebt seit mehr als zwei Jahren in der Villa. Das Haus sei angenehm persönlich. „Stets ist ein Ansprechpartner greifbar.“ Bei der Betreuung werde auf die Menschen eingegangen. Einzelzimmer seien Standard. Sein Großvater Heinz nickt zustimmend. Der Wechsel in ein großes Seniorenheim – für ihn nicht vorstellbar. Enkelin Esther Windler kennt Gründe: „Opa bekommt hier jede Extrawurst gebraten“, sagt sie. Die Betreiber hätten es ihm sogar ermöglicht, seine Einrichtungsgegenstände mitzubringen. „Opas Zimmer hier sieht aus wie früher, alle sind sehr liebevoll.“

Wenn Brigitte Vietinghoff darüber nachdenkt, ihren dementen Mann Jens noch einmal an einen anderen Ort verpflanzen zu müssen, wird ihr ganz anders. „Hier rauszumüssen, das ist für mich ein Horrorszenario.“ Bevor ihr Mann 2014 ins Haus Rügen gezogen sei, habe er einige Zeit in einer größeren, schicken Einrichtung verbracht, sei jedoch dort nie wirklich angekommen. „Er hat sich total verloren gefühlt.“ Das Haus in Rellingen sei ihr von Bekannten empfohlen worden: „Hier ist niemand eine bloße Nummer.“ Joern Windler kennt weitere Vorzüge der Einrichtung. Die ruhige Lage an einer verkehrsberuhigten Straße mache das Leben für die Bewohner ein Stück sicherer. „Und im Umfeld wohnen Menschen, die ein Auge auf die Senioren haben.“ Zudem sei das Haus Rügen im Vergleich zu anderen Pflegeeinrichtungen kostengünstig.

Das Alten- und Pflegeheim Haus Rügen gibt es seit 1967. In den vergangenen zwölf Jahren wurde es von den Piotrowskis geführt. Derzeit sind 15 Mitarbeiter in der Einrichtung beschäftigt. Sie wurden während einer Betriebsversammlung über die Situation in Kenntnis gesetzt. Die Angehörigen der Bewohner des Hauses erreichte kürzlich ein Schreiben, aus dem hervorgeht, dass das Insolvenzverfahren keine unmittelbaren Folgen für die Qualität der Pflege habe. Zudem habe die Heimaufsicht keine Bedenken gegen die Weiterführung des Betriebs.

Ein Grund für die finanzielle Schieflage ist die Umsetzung von gesetzlichen Brandschutzbestimmungen. So sollen in den vergangenen Jahren Investitionen in Höhe von 100.000 Euro notwendig gewesen sein. Hinzu kommt, dass der Wettbewerb auf dem Markt der Senioreneinrichtungen knallhart geführt wird. Im Kreis Pinneberg hat es in den vergangenen Jahren mehrere Insolvenzfälle von Pflegeheimen gegeben.

Teilweise wurden die Einrichtungen geschlossen – wie etwa das vom DRK betriebene Haus Elveshörn in Elmshorn oder das Quickborner Altenheim Haus Sonnenschein. In Pinneberg zog das Rote Kreuz wegen des Kostendrucks die Reißleine und schloss von sich aus das DRK-Heim am Rehmen, das seit 2012 leer steht. Die Bewohner mussten sich eine neue Bleibe suchen. Sie kamen unter anderem im Seniorenwohnpark Bauernmühle unter – einem neu hochgezogenen Haus mit mehr als 100 Plätzen.

Windler und seine Mitstreiter haben die Hoffnung, trotz vorläufiger Insolvenz kurzfristig neue Bewohner zu gewinnen. Um die zu befeuern, soll für 11. Juli zu einem Tag der offenen Tür eingeladen werden. Von dem zum Insolvenzverwalter bestellten Anwalt Marcel Kleiß erhofft er sich den Willen, das Haus zu retten. „Das ist hier wie eine Wohngemeinschaft“, sagt Esther Windler. Eine Senioren-WG. Eine, die wachsen muss, um zu überleben.