Kreis Pinneberg. Verwaltung will so Finanzierungslücken schließen. Landrat Oliver Stolz weist Schuld von sich. Offener Brief an die Stadt.
Der Streit zwischen der Stadt Pinneberg und dem Kreis über die Übernahme von Hotelkosten für Asylbewerber hat sich am Montag verschärft. Am Freitag war bekannt geworden, dass die Stadtverwaltung Flüchtlinge zur Kasse bittet, um vorhandene Finanzierungslücken zu schließen. Landrat Oliver Stolz weist den Vorwurf, der Kreis lasse die Stadt im Stich, vehement zurück. „Es kann erwartet werden, dass es auch Pinneberg gelingt, vorausschauend Wohnmöglichkeiten für Asylbewerber zu schaffen“, sagt Stolz.
Zum Hintergrund: Pinneberg muss von 267 zugewiesenen Flüchtlingen 110 in Hotels und Pensionen unterbringen, weil adäquater Wohnraum fehlt. Das Land hat per Erlass festgelegt, dass eine solche, verhältnismäßig teure Unterbringungsform für „einen kurzfristigen Zeitraum“ toleriert wird. „Das Land hat keine Vorgaben zum Begriff kurzfristig gemacht, so dass wir als Kreis eine Konkretisierung vornehmen mussten“, erläutert Stolz. Der Kreis habe entschieden, dass die Erstattung unverhältnismäßig hoher Kosten für zwei Monate angemessen sei.
Diese Frist sei der Stadt Pinneberg bereits Anfang des Jahres mitgeteilt worden. Laut Stolz reiche der Zeitraum allen anderen Kommunen aus – „weil sie rechtzeitig geplant haben“, so der Landrat. Er könne nicht erkennen, dass seine Mitarbeiter und er zu restriktiv handeln würden. Eine zeitnahe Versorgung mit echtem Wohnraum müsse erfolgen. „Insofern schafft auch eine Verlängerung der Hotelunterbringung nur vorübergehend etwas Luft“, so Stolz. Die Aufgabe bleibe die Gleiche – und je rechtzeitiger sie erledigt werde, desto kostengünstiger werde es.
Ehrenamtliche machte Vorgehen öffentlich
Weil Pinneberg viele Flüchtlinge deutlich länger als zwei Monate in Hotels unterbringen muss, hat die Stadt versucht, sich die nicht durch den Kreis abgedeckten Mehrkosten von den Asylbewerbern zurückzuholen. Dieses Vorgehen wiederum hat Angela Klecz aufgedeckt. Sie sitzt für die Grünen in der Ratsversammlung – und betreut seit Februar bei der Diakonie ehrenamtlich Flüchtlinge, die in Pinneberger Hotels untergebracht wurden.
Laut Klecz haben mehrere Asylbewerber Vollstreckungsschreiben erhalten. „Die Briefe sind grundsätzlich nur auf Deutsch, das ist schon mal eine Hürde.“ Für Flüchtlinge bedeute das, was manch einem als nüchterner Verwaltungsakt erscheinen mag, letztlich eine große Belastung. „Das Letzte, was diese Menschen wollen, sind Scherereien mit Ämtern und Behörden“, sagt Klecz. Ängste würden geschürt. Vor allem die Befürchtung, wegen der Mahnungen letztlich nicht als Asylbewerber anerkannt zu werden, treibe die Betroffenen um.
In Reihen der Pinneberger Politik sorgt das Geschehen für Unverständnis. SPD-Sozialexperte Dieter Tietz erinnert sich gut an den Dezember 2014. Seinerzeit hatte die Ratsversammlung mit der Verabschiedung einer Benutungsgebührensatzung die rechtliche Grundlage für das jetzige Vorgehen gelegt. Zuvor sei die Politik lediglich darauf hingewiesen worden, dass der Kreis eine derartige Satzung verlange, damit weiterhin für die Unterbringung gezahlt werde. Mit keinem Wort habe die Stadtverwaltung darauf hingewiesen, dass Asylbewerber tatsächlich abkassiert werden sollten, so Tietz. „Kein Mitglied der Ratsversammlung konnte beim Beschluss über die Benutzungsgebührensatzung davon ausgehen, dass Flüchtlinge bezahlen müssen.“ Dass die Stadt nun Mahnbescheide und Asylbewerbern sogar Gerichtsvollzieher schicke, sei „nicht akzeptabel“.
Grünen-Politiker schreibt offenen Brief
Grünen-Ratsherr Manfred Stache geht die Stadt in einem offenen Brief an. Dass die Verwaltung begonnen habe, Asylbewerber anzumahnen, ohne die Politik zu informieren, sei ein Skandal. „Es zeigt, dass die Bürgermeisterin in ihrem Bemühen um eine größere Transparenz in den zwei Jahren ihrer Amtszeit nicht einen Schritt vorangekommen ist“, so Stache. Das Argument, eingebundene Verwaltungsmitarbeiter wüssten aus Datenschutzgründen gar nicht, dass sie Asylbewerber anmahnten, sei nicht mehr als eine Schutzbehauptung der Stadt. Ihm liege einer der Vollstreckungsbescheide vor. Aus dem Schreiben gehe für jeden ersichtlich hervor, dass ein Flüchtling aufs Korn genommen werde. Für Uwe Lange, Fraktionschef der Bürgernahen, ist das Vorgehen „einfach nur peinlich“.
Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg zeigt sich einsichtig: „Ich hoffe, dass wir im Laufe dieser Woche eine Lösung für diese Problematik finden werden. Bis zur Klärung der Angelegenheit werden wir keine weiteren Mahnbescheide und Vollstreckungsersuchen verschicken.“ Sie appelliere an den Kreis, den Erstattungserlass kulanter auszulegen.
In anderen Kommunen des Kreises gibt es das Problem offenkundig nicht. Elmshorn muss Asylbewerber nur in Ausnahmefällen in Hotels einquartieren. „Uns ist es bislang gelungen, die uns zugewiesenen 150 Flüchtlinge alle in Wohnungen im Stadtgebiet unterzubringen“, sagt auch Quickborns Stadtsprecher Johen Lattmann Dies gelte allerdings nicht für die 14 Asylbewerber, die Hasloh zugewiesen sind, und vier der 20 Migranten in Bönningstedt, so Lattmann weiter. Diese 18 Personen würden in Hotels untergebracht. „Wir sehen aber keine Veranlassung, uns die Mehrkosten von den Asylbewerbern erstatten zu lassen“, betont Lattmann.